Elmar Hartmann wünscht sich anlässlich des Neujahrsempfangs der Industriellenvereinigung ein stärkeres Bewusstsein für die Leistungen seiner Branche und bessere Bedingungen. Ansonsten drohe den Vorarlbergern ein massiver Wohlstandsverlust.
„Krone“: Herr Hartmann, im Vorfeld des IV-Neujahrsempfangs warnen Sie vor einer Deindustrialisierung Vorarlbergs?
Elmar Hartmann: Ich warne nicht nur davor, denn die Deindustrialisierung hat schon schleichend begonnen. Unternehmen haben bereits angefangen, Produktionsstandorte zu verlegen. Und auch wenn es um den Ausbau von Standorten geht, fallen die Entscheidungen immer häufiger gegen Investitionen in Vorarlberg. Das sind für mich eindeutige Indikatoren dafür, dass die Deindustrialisierung begonnen hat.
Welche Folgen bringt diese Entwicklung mit sich? Einen Verlust des Wohlstandes und - das ist auch schon der Fall - einen Verlust von Arbeitsplätzen. Es muss jedem bewusst sein, dass, wenn man mal Arbeitsplätze verloren hat, die Unternehmen nicht am nächsten Tag wieder zurückkommen.
Wie kann dem Prozess entgegengewirkt werden? Ich denke, dass ein erster wichtiger Schritt darin besteht, den Menschen einfach einmal die Bedeutung der Industrie und des Wirtschaftsstandorts bewusst zu machen. 38 Prozent der Menschen arbeiten in der Industrie. Zudem stammen 36 Prozent der Vorarlberger Wertschöpfung aus der Industrie. Dazu gibt es noch indirekte Profiteure wie Zulieferer, Dienstleister bis hin zu den Gastronomen. Die Industrie liefert ab. Allein die Steuerleistungen, die die Vorarlberger Betriebe erbringen, liegen bei rund 2,2 Milliarden Euro pro Jahr. Dazu wird rund eine Milliarde Euro an freiwilligen Leistungen aufgebracht.
Wenn nicht jedem klar ist, dass die Bedeutung der Industrie für den Wohlstand essenziell und existenziell ist, dann wird es wirklich schwierig.
Elmar Hartmann, IV-Präsident
Warum glauben Sie, dass den Menschen das Bewusstsein für die Bedeutung der Industrie fehlt? Als im Spätherbst die ersten Kollektivvertragsverhandlungen begonnen haben, habe ich mich sehr über gewisse Forderungen und Vorstellungen seitens der Arbeitnehmer gewundert. Ich habe mir gedacht, dass es doch gar nicht sein kann, dass mit so vielen falschen Informationen und so viel Unwissenheit argumentiert wird.
Welche Forderungen und Vorstellungen meinen Sie konkret? Abschlüsse knapp unter oder über 10 Prozent führen einfach dazu, dass unsere Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu ausländischen Unternehmen massiv leidet. Wenn es darum geht, die Inflation zu senken und jemand sagt, dass steigende Gehälter wenig Einfluss darauf haben, tue ich mir schwer, das zu glauben.
Eine nette Umschreibung für ein unsinniges Argument. Naja, die Rechnung ist doch einfach. Wenn jemand ein Friseurgeschäft hat und die Gehälter gehen um zehn Prozent nach oben, wird wohl auch die Dienstleistung preislich erhöht werden. Wie sonst soll der Inhaber die Gehaltserhöhungen stemmen?
Noch einmal zurück zu Ihren Vorschlägen, einer Deindustrialisierung entgegenzuwirken. Wie wollen Sie denn mehr Bewusstsein für die Anliegen der Industrie erreichen? IV-Geschäftsführer Christian Zoll und ich haben eine Broschüre gestaltet. Es werden relativ einfache Ja- und Nein-Fragen gestellt - etwa, ob man eine starke Industrie will oder ob die Aussichten dafür gut sind. Das Ergebnis ist am Ende entweder, dass es stärker in Richtung Deindustrialisierung gehen soll oder - was wir hoffen - dass es eine stärkere Unterstützung gibt.
Das bedeutet dann vor allem ein Entgegenkommen der Politik? Wir haben ein Super-Wahljahr vor uns. Dadurch haben wir auch die Chance, mit Appellen an die Politik und die handelnden Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass es wirklich einige wichtige Dinge zu tun gibt. Das Super-Wahljahr wird wesentlich dafür sein, in welche Richtung wir wirtschaftlich steuern.
Welche Forderungen haben Sie konkret? Zunächst haben Christian Zoll und ich vor Ort die Themen, die bewegen, erfasst. Wenig überraschend sind es die klassischen Anliegen wie ein qualifizierter Zuzug, um die entsprechenden Arbeitskräfte zu holen, die in den Betrieben dringend gebraucht werden. So kann man den Hunger, den die Industrie hat, vielleicht ansatzweise stillen. Ein anderes großes Thema ist eine bessere Infrastruktur.
Wie gut funktioniert der Warentransport über die Schiene? Es scheint drei Probleme zu geben. Die Bahn ist unflexibel, hat kaum freie Slots und die preisliche Situation ist nicht attraktiv. Der Personennahverkehr ist inzwischen richtig gut geworden und wird genutzt. Das wünsche ich mir für den Gütertransport auch. Die Deutschen - ja, sie sind sehr spät dran - investieren gerade sehr viel in die Schieneninfrastruktur. Wenn diese Projekte in zehn bis 15 Jahren abgeschlossen sind, sollten auch wir den notwendigen Gleisausbau Richtung Arlberg und Deutschland abgeschlossen haben.
Rund um das Zollamt Wolfurt herrscht um die Feiertage weiter Chaos? Da haben Sie vollkommen recht, was soll man mehr sagen? Und auch in Sachen S18 sollte endlich eine Entscheidung fallen. Im Sinne der Wirtschaft und der Bevölkerung muss es eine hochrangige Straßenverbindung geben.
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