Wirbel um VP-Idee

Kein Gehalt mehr an erstem Tag Krankenstand?

Österreich
07.04.2012 12:31
Kein Gehalt mehr für den ersten Krankenstandstag? Der Vorstoß des Wirtschaftsbund-Generalsekretärs Peter Haubner, der damit Kurzkrankenstände eindämmen will, sorgt für heftige Reaktionen. SPÖ, FPÖ, BZÖ und Grüne kritisierten den Vorschlag am Samstag scharf. Damit würden kranke Menschen finanziell unter Druck gesetzt werden, befand etwa FPÖ-Vize Norbert Hofer. Eine klare Absage gab es auch vom ÖVP-Arbeitnehmerbund. Rückendeckung für den ÖVP-Abgeordneten gab es hingegen von Industrie und Wirtschaftskammer.

Zwar seien Krankenstände in Österreich insgesamt in den vergangenen 20 Jahren leicht rückläufig gewesen - im Schnitt von 15,2 auf 12,9 Tage pro Arbeitnehmer pro Jahr -, so Haubner, doch die Kurzkrankenstände (bis zu drei Tage) hätten sich in der Zeit verdoppelt. Haubner sieht deshalb Handlungsbedarf und forderte im "Kurier", dass "die Entgeltfortzahlung erst am zweiten Tag" des Krankenstandes beginnen solle. Vorbild sei Schweden: Dort werde der erste Krankenstandstag seit 1993 nicht bezahlt, die Krankenstände seien dadurch massiv zurückgegangen.

Wie viel die Mitarbeiter verlieren würden, würde der erste Krankenstandstag nicht bezahlt, hat der Wirtschaftsbund-Generalsekretär auch schon ausgerechnet: Seinen Angaben nach würde das Minus bei einem Angestellten, der 1.000 Euro (brutto) verdient, 38,60 Euro (netto) im Monat ausmachen. Bei einem Einkommen von 2.500 Euro wären es um 75,90 Euro weniger.

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Abfuhr von SPÖ, FPÖ, Grünen und BZÖ
Für SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter, Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes, ist Haubners Idee "unausgegoren". An sozialstaatlichen Errungenschaften zu kratzen, wie jener des bezahlten Krankenstandes, sei der falsche Weg. Der Wirtschaftsbund laufe zudem durch seine Forderung Gefahr, sich des Vorwurfes schuldig zu machen, alle Arbeitnehmer unter einen "Generalverdacht zu stellen, so Matznetter.

FP-Vize Hofer hielt Haubner entgegen, dass eintägige Krankenstände keineswegs ein Zeichen dafür seien, dass Arbeitnehmer "blau machen" würden, "wie dies der Wirtschaftsbündler indirekt unterstellt" habe. "Besonders oft von eintägigen Krankenständen betroffen seien vielmehr chronisch kranke Menschen, die sich regelmäßigen Kontrolluntersuchungen unterziehen müssen. Sie wären die Hauptopfer dieser Schröpfungspolitik der ÖVP", so Hofer.

Als "verspäteten Aprilscherz" bezeichnete die Arbeitnehmersprecherin der Grünen, Birgit Schatz, Haubners Forderung. "Die Entgeltfortzahlung bei Krankheit schützt nicht nur die kranken Mitarbeiter, sondern auch die Betriebe. Wer sie einschränkt, erntet Menschen, die mit Fieber in die Arbeit gehen und andere anstecken können - Kunden wie Kollegen", so Schatz.

Dass Haubners Vorstoß einen Rückgang bei Krankenständen bewirken würde, sieht auch BZÖ-Arbeitnehmersprecher Sigisbert Dolinschek nicht. "Bei diesem Modell werden Arbeitnehmer, die z.B. Kopfschmerzen oder eine Magenverstimmung haben - typische Ein-Tages-Krankenstände - eben zum Arzt gehen, der schreibt sie dann für mehrere Tage krank", so Dolinschek. Dies koste letztendlich mehr als ein Tag im Bett.

Klares Nein auch vom ÖGB
Ein klares Nein kam am Samstag auch vom Österreichischen Gewerkschaftsbund. Der Druck auf die Arbeitnehmer würde dadurch steigen und sie eher dazu neigen lassen, sich krank in die Arbeit zu schleppen, "weil sie Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren", stellte Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, fest.

Der Vorschlag sei außerdem wirtschaftlicher Unsinn, denn Arbeitnehmer, die krank in den Betrieb kommen, seien unfallanfälliger, so Achitz. "Wer sich nicht rasch auskuriert, riskiert außerdem einen Langzeitkrankenstand. Dazu kommt noch die Ansteckungsgefahr. Damit sollte klar sein, dass es für einen Betrieb sinnvoller ist, wenn kranke MitarbeiterInnen zu Hause bleiben."

ÖAAB-Mandl: "Vertreten eine andere Position"
Widerstand gegen die Forderung des Wirtschaftsbündlers kommt aber auch aus der eigenen Partei. Der ÖVP-Arbeitnehmerbund ÖAAB lehnt Haubners Vorstoß ab. "Wir respektieren die Position des Wirtschaftsbundes zu Krankenständen. Aber wir vertreten eine andere Position", sagte Generalsekretär Lukas Mandl. Er betonte, dass auch der ÖAAB für eine Senkung der Lohnnebenkosten eintrete. Dies könne allerdings nicht bedeuten, die Kosten auf die Arbeitnehmer zu verlagern.

Industrie: "Beitrag zu mehr Gerechtigkeit"
Unterstützung für seine Forderung bekam Haubner hingegen aus der Wirtschaftskammer und der Industriellenvereinigung. "Die Übernahme des ersten Krankenstandstages durch die Arbeitnehmer wäre ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit", erklärte IV-Vizegeneralsekretär Peter Koren. Die Arbeitszusatzkosten seien in Österreich im internationalen Vergleich eindeutig zu hoch und sollten reduziert werden.

"Die Unternehmen schultern etwa bereits über den Familienlastenausgleichsfonds unter anderem einen Großteil des Kindergeldes, der Familienbeihilfe und der Schüler- und Lehrlingsfreifahrten", so Koren weiter. Gleichzeitig mit der Streichung der Bezahlung am ersten Krankenstandstag sollten aber betriebliche Gesundheitsvorsorge und Präventionsmaßnahmen gestärkt werden, betonte Koren ebenso wie Haubner.

Auch für Wirtschaftskammer-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser wäre eine Entlastung der Unternehmen durch Übernahme des ersten Krankenstandstages durch die Arbeitnehmer "hoch an der Zeit". Sie verwies in einer Aussendung darauf, dass zuletzt mehrere neue Kostenbelastungen für die Betriebe eingeführt worden seien.

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