Wedekinds geniale „Lulu“ wird in den Wiener Kammerspielen einer kaum überlebbaren Rabiat-Therapie unterworfen. Von Schauspielerin Johanna Mahaffy wird man trotzdem noch hören.
Dann bitte doch lieber wieder „Der verkaufte Großvater“ und „Hofrat Geiger“. Als Direktor Föttinger den Schwänken den Mietvertrag in den Kammerspielen aufgekündigt und ein Haus für erfrischte Klassiker avisiert hat: Da war man noch guten Mutes, zumal die Altmeister Claus Peymann und Torsten Fischer blitzsaubere und inspirierte Ionesco- bzw. Brecht-Produktionen auf die kleine Bühne gestellt hatten.
Jetzt quält man uns zum zweiten Mal in Folge mit verstrebertem Fußnotenbuchstabiertheater, einer Art Binnen-I mit verteilten Rollen. Wurde zuletzt „Der zerbrochne Krug“ nach #Metoo niederlamentiert, so erfährt „Lulu“ jetzt ein noch herberes Schicksal.
Wedekinds unsinkbares Geniewerk hatte es seit der Uraufführung um die Wende zum 20. Jahrhundert nicht leicht. Erst wurde es von moralisierenden Reaktionären, dann von Feministinnen verteufelt. Bis man sich vorsichtig darauf verständigte, dass das amoralische Freudenmädchen auf seinem Weg nach oben und retour gar kein Mensch ist. Sondern die Projektionsfläche männlicher Begierden. Dem Regisseur Elmar Goerden genügt das nicht. Sein wirres Konstrukt aus Textfragmenten und flachem Thesengeschwätz läuft darauf hinaus, dass „Lulu“ auf der Bühne nichts verloren hat.
Statt allerdings nahe liegende persönliche Konsequenzen zu ziehen, lässt er die exzellente Johanna Mahaffy in Mao-naher Unisex-Adjustierung von verworfenen Hanswursten umsabbern. Das erstklassige Ensemble - Joseph Lorenz, Michael König, Martin Niedermair, Susa Meyer - hat da nichts zu gewinnen. Über dem Ganzen liegt der Hautgout brünftiger Ältereherrenwokeness, und das ist keine gute Kombination.
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