Aus für Stipendium

So vergrault Österreich die Fachkräfte der Zukunft

Oberösterreich
25.08.2023 14:20

1340 ukrainische Vertriebene konnten und können seit Kriegsbeginn in ihrem Land dank eines Stipendiums an österreichischen Unis studieren. An der JKU in Linz sind es derzeit 69 junge Menschen, die an der Uni lernen und forschen. Doch schon in wenigen Monaten könnten sie vor dem Nichts stehen. 

Vor eineinhalb Jahren fanden ukrainische Studenten, die vor der russischen Invasion in ihrem Land flüchteten, in Österreich einen sicheren Hafen: Ein Stipendium von 715 Euro im Monat ermöglichte es ihnen seither, an Unis hierzulande (weiter) zu studieren. Zum Vergleich: Ein Studentenheimplatz in Linz ist derzeit ab 300 Euro im Monat zu haben. Jetzt schlägt der Linzer Uni-Rektor Meinhard Lukas Alarm: Der Bund lasse das sogenannte Ernst-Mach-Stipendium mit Ende des Wintersemesters 2023/24 auslaufen - und nehme den jungen Ukrainern damit jede akademische Perspektive.

Motiviert und leistungsstark
69 Studierende mit einem Durchschnittsalter von 20 Jahren sind in Linz betroffen. Sie lernen und forschen vor allem in technisch-naturwissenschaftlichen Zukunftsbereichen wie etwa Künstliche Intelligenz (75%) und im sozialwissenschaftlichen Bereich (19%) - und sie sind richtig gut, in dem, was sie tun: Sechs von zehn ukrainischen Studierenden haben - Stand Juli - im Sommersemester die für das Stipendium erforderliche Leistung von zumindest 16 ECTS-Anrechnungspunkten erzielt. Mehr als ein Drittel dieser Gruppe hat sogar 24 oder mehr ECTS erreicht.

Stipendium als „wahre Rettung“
Eine von ihnen ist Marta Mazurchak aus Lviv (Lemberg). Die 18-jährige Chemiestudentin brilliert an der Uni und erklärte am Freitag in lupenreinem Deutsch: „Für mich wurde das Ernst-Mach-Stipendium zu einer wahren Rettung, ohne Übertreibung.“ Sie würde gerne hier ihr Studium abschließen, um danach „meine beruflichen Perspektiven als Chemikerin in Österreich erkunden“.

Chemiestudentin Marta Mazurchak (l.) und Mathematikerin Varvara Toloknova. (Bild: JKU)
Chemiestudentin Marta Mazurchak (l.) und Mathematikerin Varvara Toloknova.

Toll Deutsch gelernt in einem Jahr
Varvara Toloknova aus Kiew hat in der Ukraine Mathematik studiert und belegt in Linz das Fach „Statistik und Data Science“. Ihr habe das Stipendium geholfen, „eine kleine Wohnung zu finden und mich auf das Erlernen der deutschen Sprache zu konzentrieren, um mich besser in die Gesellschaft zu integrieren“. Innerhalb eines Jahres hat die 21-Jährige das Sprachniveau B2 (Obere Mittelstufe) erreicht.

Ukrainer sind „unglaubliche Bereicherung“
„Das ist eine außerordentliche Leistungsbilanz“, urteilt Univ.-Prof. Johann Bacher vom Institut für Soziologie an der JKU. Die ukrainischen Studierenden hätten sich als Talente erwiesen, die sich zudem „sozial gut in das Campusleben integriert“ hätten. „Sie sind eine unglaubliche Bereicherung für das universitäre Leben an der JKU“, ergänzt Rektor Lukas. Man ersuche daher das Ministerium „eine Regelung zu finden, damit unsere ukrainischen Studierenden ihr Studium erfolgreich abschließen können“.

Zitat Icon

Die ukrainischen Studierenden sind eine unglaubliche Bereicherung für das universitäre Leben an der JKU.

Meinhard Lukas, Rektor Johannes Kepler Universität

Was ist mit dem Fachkräftemangel?
Schließlich komme zu den genannten Argumenten noch ein wesentliches dazu, sagt Prof. Thomas Gegenhuber vom Linz Institute of Technology: „Wenn wir in Österreich Fachkräfte dringend benötigen, müssen wir es ihnen auch ermöglichen, die entsprechenden Qualifikationen rasch zu erwerben.“

Ministerium bleibt hart
„Dieses Stipendium ist eine Chance für Menschen, die viel verloren haben“, sagt Varvara Toloknova. Im zuständigen Bildungsministerium zeigt man sich auf „Krone“-Anfrage wenig beeindruckt: „Österreich nimmt seine Verantwortung im Sinne der europäischen Solidarität mit der Ukraine sehr ernst und unterstützt ukrainische Studierende, Lehrende und Forschende bestmöglich. Hinsichtlich der Gewährung finanzieller Unterstützungsleistungen für Ukrainerinnen und Ukrainer rangiert Österreich im vorderen Drittel der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. In Orientierung an der gesamteuropäischen Position sind die Ernst-Mach-Stipendien-Ukraine vorerst bis 4. März 2024 befristet“, heißt es ein wenig technokratisch in einer schriftlichen Erklärung.

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