Proteste im ORF

3.000 Bewerbungen für Niko Pelinkas Job bei Wrabetz

Österreich
02.01.2012 21:53
Die ORF-Redakteure haben im Zuge der jüngsten Personalpläne im öffentlich-rechtlichen Rundfunk lautstark protestiert. Vor allem die per Aussendung bekannt gegebene Postenbesetzung von SPÖ-Stiftungsrat Niko Pelinka hat dabei die Gemüter der ORF-Journalisten erregt. Mittlerweile sollen sich aus Protest bereits 3.000 Menschen um den Job des Büroleiters von Generaldirektor Alexander Wrabetz, der am Montag seine Personalentscheidung verteidigte, beworben haben. Redakteurssprecher Fritz Wendl erklärt im Interview, worum es den Mitarbeitern des Senders geht.

Warum ist die Aufregung um die einen Tag vor Weihnachten bekannt gemachten Postenpläne im ORF so groß?
Fritz Wendl: Weil es um die wichtigsten Güter des öffentlich-rechtlich Rundfunks geht: um die Unabhängigkeit, die Glaubwürdigkeit. Dazu kommt, dass in nie dagewesener Dreistigkeit selbst einfachste gesetzliche Regelungen verletzt wurden. Durch die Bekanntgabe von Besetzungen, ohne dass für die jeweiligen Posten auch nur eine Ausschreibung existierte, könnte, wenn alles wie geplant durchgezogen würde, von KommAustria (der österreichischen Regulierungsbehörde Kommunikationsbehörde Austria, Anm.) übers Arbeitsgericht bis zur Gleichbehandlungskommission der Klagsweg beschritten werden. Dann könnte das weitergehen bis zum Verwaltungsgerichtshof. Ich kann und will nicht glauben, dass das wirklich provoziert werden soll. Besonders empört sind zahlreiche Kolleginnen und Kollegen auch noch darüber, dass in Zeiten, in denen Dienstposten in den Redaktionen in längst unerträglichem Ausmaß reduziert werden, nun in der Verwaltung neue Posten geschaffen werden.

Die Redakteure und die Gewerkschaft haben zu Massenbewerbungen für Pelinkas geplanten Job aufgerufen. Wie groß war der Widerhall?
Wendl: Offizielle Zahlen haben wir nicht. Aber informell war aus der Personalabteilung zu hören, dass sich schon über 3.000 Bewerber gemeldet haben.

Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek hat sich der Causa Pelinka ebenfalls angenommen und einen Text dazu auf ihrer Website veröffentlicht (siehe Infobox). Haben Sie mit so einem großen Echo auf die Redakteursproteste gerechnet?
Wendl: Schon in der ersten Reaktion des Redakteursrats auf die geplanten Postenbesetzungen am 23. Dezember haben wir geschrieben, dass nun nur noch die ORF-Journalistinnen und Journalisten "gemeinsam mit einer wachsamen Öffentlichkeit" den öffentlich-rechtlich Rundfunk vor Dauerschäden bewahren können. Und es kommen noch und noch Solidaritätsbekundungen. Außer der bekannten der ATV-Leute etwa von mehreren Hochschulprofessoren der unterschiedlichsten Fachgebiete, von Rechtsanwälten, die uns unter anderem ausführlich bestätigen, wie rechtlich unhaltbar die Bekanntgabe von Bestellungen ohne vorangegangene Ausschreibung ist, bis zu einem Diözesan-Betriebsrat. Und zahlreiche Leute schreiben, sie würden sich gerne an breiten öffentlichen Aktionen beteiligen, würden gerne unseren Unterschriftentext als Text für ein neues Rundfunkvolksbegehrens haben.

Der Job des Büroleiters wird formal als Redakteursstelle ausgeschrieben. Welches Mitspracherecht haben die Redakteursvertreter hier eigentlich?
Wendl: Die betroffene Redakteursversammlung hat das Recht, eigene Besetzungsvorschläge zu machen. Wird diesen nicht entsprochen, muss das begründet werden und der Generaldirektor kann erst nach Anhören des Redakteursrats entscheiden. So ein Prozess kann also dauern.

Haben Sie mit dem Generaldirektor in der Sache der Postenbesetzungen Kontakt gehabt?
Wendl: Wir haben ihm unsere Haltung schriftlich übermittelt und er wurde ebenso wie Fernsehdirektorin Kathrin Zechner inzwischen auch zu einer Redakteursversammlung in der "Zeit im Bild'-Redaktion am 9. Jänner eingeladen. Die Fernsehdirektorin hat ihr Kommen bereits zugesagt.

Falls er den Job bekommt, wird Niko Pelinka laut "profil" auch Zugriff auf das Redaktionssystem "Redsys" haben. Lässt das schon Verschwörungstheorien darüber blühen, dass es zwischen SPÖ und Redaktion zu einem unerwünschten Informationsfluss kommen könnte?
Wendl: Würde so etwas passieren, wäre das der Bruch mehrerer Gesetze, vor allem des verfassungsrechtlich geschützten Redaktionsgeheimnisses, also unter anderem Anlass für eine fristlose Entlassung. So etwas nachzuweisen ist in der Regel allerdings nicht ganz einfach und auch schon deswegen ist in einer solchen Position nur jemand denkbar, der ausreichend über das Vertrauen der Redaktionen verfügt.

Glauben Sie, dass der ORF-Generaldirektor seine Entscheidung, Pelinka zu bestellen, zurücknehmen wird?
Wendl: Ich will nicht spekulieren. Aber es gibt die ganz klare Forderung der ORF-Journalisten, dafür zu sorgen, das wichtige Gut Glaubwürdigkeit des ORF nicht zu beschädigen. Aber man soll keineswegs alles bloß an der Person Niko Pelinka festmachen. Er ist offensichtlich nur ein Teil dessen, dass es im Zuge der Generaldirektorenwahl - entgegen aller anderslautender Versicherungen - Personalabsprachen gegeben hat, die jetzt eingelöst werden. Leicht machbar, mit einem Stiftungsrat, dessen Mitglieder fast ausschließlich die Interessen seiner Entsender, der politischen Parteien, vertreten. Dass ein solches Gremium nur zum Schaden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks agiert, eigentlich gar nicht anders agieren kann, haben die Vorkommnisse gezeigt.

Glauben Sie an eine neuerliche ORF-Reform?
Wendl: Das ORF-Gesetz soll laut Parteienvereinbarung zum Jahreswechsel 2011/12 evaluiert werden. Und bekanntlich ist die Bestimmung zur Publikumsratswahl vom VfGH aufgehoben worden. Das und vor allem die nun entstandene breite öffentliche Diskussion über die Unabhängigkeit des ORF sind Anlässe, die eine ernsthafte Debatte über unbedingt notwendige Gesetzesänderungen überaus nahe legen. Und wir haben auch schon aus drei Parteien von wesentlichen Exponenten Signale bekommen, dass sie ORF-Gesetzänderungen, wie wir sie schon mehrfach vorgeschlagen haben, also u.a. einschließlich völlig neuer Stiftungsratszusammensetzung, für wichtig und machbar halten.

Wrabetz verteidigt geplante Pelinka-Bestellung
Generaldirektor Wrabetz hat indes am Montag die geplante Bestellung von Pelinka als Büroleiter ORF-intern verteidigt. Selbstverständlich würden alle Posten ausgeschrieben, allerdings ersuche er "auch um Verständnis dafür, dass sich sowohl ich persönlich als auch meine Kolleginnen und Kollegen in der Geschäftsführung vorbehalten, sich ihre engsten Mitarbeiter und Referenten selbst auszuwählen", so Wrabetz in einem Schreiben an die Mitarbeiter.

"Gerade in Stabsfunktionen geht es nicht nur um Qualifikationen, um die selbstverständlich auch, sondern auch um ein persönliches Vertrauensverhältnis, das sich meist über einen längeren Zeitraum entwickelt", argumentiert der Generaldirektor in der Mitteilung. Das sei auch bei seinen bisherigen Büroleitern so gewesen, die sich nicht nur auf Basis einer Ausschreibung beworben hätten, "sondern weil ich sie gefragt habe, ob sie mit mir zusammenarbeiten wollen".

Dass die Bestellungen vor den entsprechenden Ausschreibungen bekannt gemacht wurden, begründet Wrabetz damit, dass er es für richtig gehalten habe, die Mitarbeiter über seine Pläne "offen und transparent zu informieren".

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