Live am Nova Rock

Three Days Grace: „Rockmusik braucht Nachwuchs“

Burgenland
07.06.2023 09:00

Im September 2022 spielten die Kanadier Three Days Grace eine gefeierte Show im Wiener Gasometer - nun kommen sie mit Klassikern und neueren Songs zum Nova Rock nach Nickelsdorf. Gitarrist Brad Walst nahm sich im Vorfeld für uns Zeit.

In ihrer nordamerikanischen Heimat genießt die Metalband Three Days Grace absoluten Superstar-Status. In ihren bislang 26 Karrierejahren platzierte das Kollektiv aus dem kanadischen Ontario nicht weniger als 17 verschiedene Songs auf Platz eins der „Billboard Hot Mainstream Rock Tracks“-Charts, unter dem Banner „Alternative Songs“ lassen sich bislang drei Thronbesteigungen verbuchen. Auch wenn die ganz erfolgreichen Jahre schon ein bisschen zurückliegen, bewiesen die Mannen rund um Sänger Matt Walst mit ihrem aktuellen Album „Explosions“, dass sie noch immer eine relevante Größte im härteren Genre sind. Band-Mitbegründer und Bassist Brad Walst gab uns im Interview Einblicke in das Wesen der Band, die nun auch am Nova Rock zu sehen ist.

„Krone“: Brad, letzten September habt ihr eine feurige Show im Wiener Gasometer gespielt und ihr wart schon des Öfteren hier bei uns zu Gast. Erinnerst du dich an etwas Spezielles?
Brad Walst:
2018 waren wir auch schon im Gasometer, das war unsere erste Einzelshow hier und die bleibt uns in Erinnerung. Außerdem sind wir durch die Stadt spaziert und haben uns die tollen Sehenswürdigkeiten angesehen. Da hat man in Wien so einiges zu tun.

Hattet ihr während der Pandemie auch existenzielle Ängste und große Sorgen, wie und ob es überhaupt weitergehen kann?
Im Dezember 2018 haben wir mit Five Finger Death Punch den Tourzirkel zu unserem vorletzten Album „Outsider“ beendet. Wir sind ziemlich gut davongekommen mit dem Timing, denn wir wollten ohnehin in Ruhe an einem Album arbeiten und hatten sonst keine großen Pläne. Wir wollten sowieso gerade eine Pause machen. Viele Bands haben gerade ein neues Album veröffentlicht oder waren auf Tour, für die war das natürlich furchtbar. Unser Gitarrist Barry Stock lebt in den USA und der Rest von uns in Kanada. Wir konnten uns lange nicht treffen und haben via Zoom Kontakt gehalten, was auch nicht immer einfach war. Irgendwie haben wir es aber hingekriegt.

Ihr habt euch die Files für das im Mai 2022 veröffentlichte Album „Explosions“ hin- und hergeschickt, wie es gezwungenermaßen üblich wurde?
Wir hatten jeden Tag Songwritingsessions und waren extrem diszipliniert. Unser Drummer Neil Sanderson ist derjenige, der den Kitt der Band bildet und immer die Grundideen zu den Songs liefert. Er hat sich an die Arbeit gemacht und mithilfe eines großartigen Programms namens „Audiomovers“ konnten wir das Album zusammenstellen. Unser Produzent saß in Los Angeles und wir konferierten so lange online, bis alles passte. Es hat ein bisschen länger gedauert als üblich, aber am Ende haben wir alles gut hingekriegt. Ich bin lieber zusammen mit den anderen in einem Raum, aber wir wissen jetzt, dass wir auch in anderen Situationen ein Album zusammenstellen können.

Def-Leppard-Sänger Joe Elliott hat gesagt, nach der Pandemie-Erfahrung will er nie wieder physisch gemeinsam mit seinen Bandkollegen an einem Album arbeiten.
(lacht) Wirklich? Sehr interessant. Wir waren vielleicht sogar produktiver durch den Abstand, aber du verlierst unweigerlich die Magie des Zusammenarbeitens. Die lässt sich nicht so einfach ersetzen. Man ist nicht so spontan und kann die Dinge nicht im Moment diskutieren. Alles ist viel orchestrierter und geplanter. Zum Aufnehmen war die Situation wirklich gut. Man sitzt herum und nimmt sich viel Zeit, kann sich total darauf konzentrieren. Dennoch ist das Element des Zusammenspiels unersetzbar.

Habt ihr eine besondere Chemie untereinander? Kannst du die Beziehung unter euch beschreiben?
Wir arbeiten alle sehr gut miteinander. Schon in den frühen Tagen der Band haben wir sehr darauf geachtet, dass alle zufrieden sind. Wir arbeiten und feilen so lange an einem Song oder einem Songpart, bis wir uns High Fives geben und alle happy sind. Das ist ganz elementar. Manchmal fließt es richtiggehend, an anderen Tagen ist etwas schwieriger, aber wir haben über all die Jahre einen guten Weg gefunden, um miteinander zu arbeiten.

Nach mehr als 25 Jahren Three Days Grace und einigen Line-Up-Wechsel gab es natürlich auch Kurskorrekturen und leichte Richtungseinschläge. Gibt es einen überragenden, gemeinsamen Nenner in der Band?
Mein Halbbruder Matt ist jetzt seit zehn Jahren in der Band und hat die Band mit seinem Gesang definiert. Das Arbeiten fällt uns ziemlich leicht. Wir haben harte Gitarren, große Melodien und wuchtige Drums. Das ist der Kern unseres Sounds und wenn wir dann Synthies dazufügen oder analoges Programming dazu basteln, dann gibt uns das die Möglichkeit, zu experimentieren. Wir haben auf „Explosions“ sehr stark damit gearbeitet und das hält die Dinge frisch. Der Grundstock des Sounds ist definiert, aber darüber hinaus muss es immer Raum für Veränderungen geben.

Die Band Falling In Reverse hat letztes Jahr ein interessantes Statement veröffentlicht und gemeint, nach dem Verlust ihres Laptops könnten sie gar nicht mehr auf Tour gehen. Wie siehst du das?
Diese Probleme haben Bands seit gut zehn Jahren und ich finde das furchtbar. Ich bin Old School und komme aus einer Zeit, wo man sein verdammtes Instrument gut spielen musste, weil man sonst keine Berechtigung für eine Band hätte. Ich bin 46 und komme aus den 90ern, da war halt alles anders. So eine Ansage finde ich traurig. Am Ende ist das auch ein Teil des Showbusiness, aber wegen eines verlorenen oder nicht funktionierenden Laptops solltest du als Band keinesfalls ein Konzert absagen müssen.

Ist es euch als Band wichtig, zeitgemäß zu klingen? Gewissen Trends zu folgen, ohne sich und die eigene Identität zu verkaufen?
Natürlich. Wir hören uns viele neue Bands an und der Markt ist sehr frisch und spannend. Für „Outsider“ waren wir besonders stark von Bring Me The Horizon inspiriert, von denen wir große Fans sind. Sie haben die Rockmusik verändert, sie auf das nächste Level gehoben. Die nächste Generation ist spannend und kreativ und wir beobachten sie genau. Am Ende des Tages müssen wir aber ehrlich zu uns selbst sein und das machen, das sich für uns gut anfühlt. Wir werden auf der Bühne immer älter, aber die Fans scheinen immer das gleiche Alter zu haben, was bedeutet, es rücken junge Fans nach. Das ist sehr toll und ein bisschen verrückt. (lacht)

Ist die gesamte Szene voller Konkurrenz? Geht es euch schon auch darum, den anderen Bands zu zeigen, was man noch so an Kreativität und Wucht zu bieten hat?
Vielleicht, zumindest unterbewusst. Ich liebe Festivals auch deshalb so sehr, weil man alte Freunde und viele junge, hungrige Bands trifft. Wir gehören schon zu den Älteren und sind länger unterwegs, außerdem haben wir in den USA 17 Mal die Nummer eins geschafft, was auch den Jungspunden Respekt abringt. Es ist toll, wenn Bands nachkommen, denn der Rock braucht das dringend.

Wenn man 17 Nummer-eins-Singles zu Buche stehen hat, ist das Zusammenstellen einer Setlist wahrscheinlich auch nicht die leichteste Aufgabe …
Es wird nicht leichter, das muss ich schon sagen. Wir können ja auch keine drei Stunden auf der Bühne stehen. Die alten Fans wollen die Klassiker hören, die jüngeren die neuen Songs. Am Ende vertrauen wir unserem Gefühl und machen einfach, damit sind wir immer gut gefahren.

Habt ihr nach den ersten paar Nummer-eins-Songs weniger Druck verspürt als davor? Fiel da eine gewisse Last von euch ab?
Wir versuchen uns alle von dieser Art von Druck fernzuhalten. Wir achten nicht so sehr darauf, was in den Charts steht, sondern wollen vor allem den nächsten guten Song schreiben. Unsere Ausrichtung ist immer zukunftsbezogen. „So Called Life“ war der erste Song, den wir vor ein paar Jahren für das aktuelle Album „Explosions“ geschrieben haben und der hat die Latte für den Rest hochgelegt. Dasselbe galt für „Break“ vor mehr als zehn Jahren. Sobald du einen tollen Song geschrieben hast, kannst du einen gewissen Druck ohnehin nicht mehr ignorieren. Wir können auf Holz klopfen, dass wir noch nie ein Album geschrieben haben, wo wir am Ende überlegen mussten, was wir denn als Single veröffentlichen. Wir hatten immer genug Songs, die man als Singles veröffentlichen kann.

Wird es mit den Jahren nicht immer schwerer, neue Songs zu schreiben und sich so auszudrücken, wie man es bislang noch nie tat?
Das wird sogar richtig schwierig. Wir haben das Glück, auf der ganzen Welt gute Freunde zu haben, mit denen wir zusammenarbeiten und die uns weiterhelfen, wenn wir kreativ einmal kurz hängen. Das kann immer wieder vorkommen und ist ganz normal. Dass wir uns nie davor scheuten, Verantwortung abzugeben und Ideen auszutauschen, ist ein wichtiger Grund, warum wir von Tag eins weg so erfolgreich waren. Durch Zoom ist es jetzt ganz selbstverständlich geworden, global zu arbeiten.

Habt ihr nach 26 Jahren die Essenz von Three Days Grace gefunden oder ist das ein immerwährender, nie enden wollender Prozess?
So ganz findet man sich nie, oder? Der Schlüssel für diese Band ist die Kommunikation. Wir sind wie eine große Familie und haben auch unsere schlechten Tage, wie es überall der Fall ist. Solange man aber miteinander redet und sich austauscht, ist immer alles lösbar.

Ihr setzt gerne auf persönliche und durchaus harte Songs wie „Chain Of Abuse“, der kein leichtes Thema anschneidet. Wird es mit zunehmendem Alter wichtiger, in den Songs immer tiefer zu schürfen?
Würde ich schon sagen. Wir haben extrem viel geredet, als wir an „Explosions“ gearbeitet haben. Über unsere Gefühle, wie es uns und unseren Familien geht und wie wir die Pandemie am besten überstehen würden. Die Zeit, in der wir uns befanden, hat es herausgefordert, dass wir die Vergangenheit reflektiert haben und uns sehr stark mit uns als Gefüge auseinandergesetzt haben. Man muss immer neue Wege finden, um seine Emotionen freizulassen. Die Pandemie hat mit Sicherheit viel dazu beigetragen. Die Fans haben „Explosions“ sofort als emotionales und auch wütendes Album wahrgenommen. Darauf kamen wir erst, als die ersten Feedbacks darauf eingetrudelt sind und wir noch einmal genauer darüber nachdachten. Die Frustration dieser Zeit hat sich Bahn geebnet und schlussendlich auf dem Album Einzug gehalten.

Den Sänger zu tauschen, ist immer haarig. Es ist die einzige Position in der Band, die eigentlich wirklich unersetzbar scheint. Ihr habt diesen Schritt schon vor zehn Jahren vollzogen und es ging glatt. Hattest du anfangs Sorgen, dass die Fans Matt nicht annehmen würden?
Wir hatten damals eine fünfwöchige US-Tour mit Shinedown fixiert, die beide Bands unbedingt machen wollten. Wir fragten Matt, ob er für diese Tour einspringen könnte und er hat es gemacht und sie fantastisch durchgezogen. Manchmal passt es einfach und das war bei uns und Matt der Fall. 2014 kam er mit der Idee zum Song „Painkiller“. Wir waren begeistert, schrieben den Song, er kam ins Radio und wurde zu einer Nummer eins in den Billboard-Heavy-Charts. Er hat sich also auch mit Ideen profiliert und nicht nur als Frontmann bei Liveshows. Dass das alles so funktioniert hat, begeistert mich noch immer, denn es hat unsere kühnsten Träume übertroffen.

Nummer-eins-Songs, ausverkaufte Konzerte, hohe Chartpositionen - definieren diese Dinge den Erfolg und die Band Three Days Grace an sich?
Nicht wirklich. Wir sind stolz auf das Erreichte, aber wir suhlen uns nicht in den Charterfolgen, die wir manchmal haben. Uns geht es vor allem um die Passion, live zu spielen. Die Liebe für die Shows und für Konzerte. Ich vermisse auf Tour immer meine Familie, aber sobald wir auf der Bühne stehen, wissen wir, warum wir das noch immer tun. Wir haben sehr viel Glück und sind dankbar dafür, dieses Leben so leben zu dürfen. Wir platzen vielleicht nicht mehr so vor Kraft und Elan wie vor 20 Jahren, aber hätten wir das Feuer nicht mehr in uns, wären wir nicht mehr da.

Wie hat sich denn die Beziehung unter euch über all die Jahre verändert oder entwickelt?
Mein Halbbruder wurde vor gut zwei Jahren das erste Mal Vater und das hat ihn stark verändert - auf gute Art und Weise. Es ist schön zu sehen, wie wir uns alle durch die Familien entwickelt und verändert haben. Früher hatten wir absolut nichts zu verlieren, mittlerweile stehen die Familien an erster Stelle. Manchmal sind sie auch mit auf Tour, was sehr fein ist. Manchmal ist es hart, sich noch zu motivieren, aber wir lieben die Bühne und da Livespielen.

Live am Nova Rock
Three Days Grace sind am 8. Juni live am Nova Rock zu sehen. Für Spontane und Kurzentschlossene gibt es vor Ort noch Tickets.

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