Lange Wartezeit

Psychiatrie: Hiobsbotschaft für junge Patienten

Tirol
27.01.2023 13:00

Der Andrang auf die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Tirol ist - wie mehrfach berichtet - enorm. Doch die Wartezeiten sind dramatisch! Das zeigt nun eine aktuelle Anfragebeantwortung durch VP-Landesrätin Cornelia Hagele auf. Herbe Kritik kommt von den Tiroler Grünen: „Fachleute weisen seit mehreren Jahren auf die Probleme hin, sie werden allerdings nicht gehört.“

Eine lange Warteliste plagt nicht nur die Patienten der Zahnklinik Innsbruck – die „Krone“ berichtete –, sondern auch jene der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hall. Was die „Krone“ bereits seit Monaten publiziert, steht nun schwarz auf weiß in einer Anfragebeantwortung durch LR Hagele.

Völlig überlastet ist die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hall. Das geht aus der Anfragebeantwortung hervor. Eine Tatsache, die die „Krone“ seit 2020 im Zuge einer Serie über drogenabhängige Kinder und Jugendliche aufzeigt. (Bild: Birbaumer Christof)
Völlig überlastet ist die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hall. Das geht aus der Anfragebeantwortung hervor. Eine Tatsache, die die „Krone“ seit 2020 im Zuge einer Serie über drogenabhängige Kinder und Jugendliche aufzeigt.

Autismusabklärungen: Wartezeit beträgt ein Jahr
„Die stationären Wartezeiten an der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Hall betragen gemäß aktueller Beantwortung vom 30. November 2022 seitens der Abteilungsvorständin derzeit drei bis fünf Monate“, gibt Hagele preis und ergänzt: „Aktuell warten 85 Patienten mit Therapieindikation im Alter zwischen ein und 17 Jahren auf einen Aufnahmetermin.“ Ein besonderer Engpass an freien Betten bestehe zur Zeit auf der Eltern-Kind-Station (insgesamt 24 Patienten auf der Warteliste) und auf der Kinderstation (22 Patienten auf der Warteliste).

Die ambulanten Wartezeiten auf ein reguläres Erstgespräch betragen hingegen zwei bis drei Wochen. Für ambulante Notfälle sei ein Journaldienst eingerichtet – das heiße wiederum, dass diese Notfälle jederzeit die Ambulanz aufsuchen können und behandelt werden. Brisant: Auf differenzierte Abklärungen wie zum Beispiel ADHS sowie Transgender gebe es eine Wartezeit von mehreren Monaten. Und für eine Autismusabklärung müssen Anfragende derzeit sogar rund ein Jahr warten!

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Die Kommission hat festgehalten, dass die gemäß Konzept für die Umsetzung erforderlichen Personalressourcen nicht im ausreichenden Maß zur Verfügung stehen.

LR Cornelia Hagele (VP)

„Personalressourcen sind nicht ausreichend“
Von der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie bereits angedachte und eingeleitete Maßnahmen, um die stationäre Situation zu verbessern, seien die Erweiterung der tagesklinischen Plätze und die Implementierung von Home Treatment (Behandlung zu Hause, Anm.). „Die Landeszielsteuerungskommission hat im Dezember 2021 das Home Treatment zur Kenntnis genommen. Sie hat festgehalten, dass die gemäß Konzept für die Umsetzung erforderlichen Personalressourcen nicht im ausreichenden Maß zur Verfügung stehen. Für eine fundierte Entscheidung über die weitere Vorgehensweise ist diese Frage im Vorfeld aber jedenfalls zu klären“, sagt Hagele.

Die weitere Beschlussfassung sei solange ausgesetzt worden, bis der Steuerungsgruppe ein Konzept darüber vorgelegt werde, wie die erforderlichen Personalressourcen gesichert zur Verfügung gestellt werden können – ohne sowohl die stationäre als auch die ambulante Basisversorgung hier zu gefährden.

„Projektplan wird erarbeitet“
„An der Adaptierung des Konzeptes Home Treatment wird derzeit gearbeitet, ein Projektplan zur Umsetzung der Pilotierung eines professionellen Teams wird ebenso erarbeitet. Eine Implementierung von Home Treatment in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Tirol wird im Laufe des Jahres 2023 avisiert“, verspricht Hagele.

LA Petra Wohlfahrtstätter, Gesundheitssprecherin der Grünen (Bild: Birbaumer Christof)
LA Petra Wohlfahrtstätter, Gesundheitssprecherin der Grünen

Herbe Kritik an den derzeitigen Wartezeiten übt die grüne Gesundheitssprecherin Petra Wohlfahrtstätter, die die Anfrage an LR Hagele gestellt hat: „Dabei handelt es sich um Monate, die Kindern für ihre gesunde Entwicklung fehlen und in denen Familien zerbrechen können. Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Ein Kind bricht sich ein Bein und bekommt erst in drei Monaten einen Termin im Spital. Undenkbar, doch bei psychischen Krisen leider völlig normal.“

„Das passt nicht in das Weltbild der ÖVP“
Dass die Versorgungslage nicht einfach so über Nacht verbessert werden könne, sei klar. „Aber die ÖVP ist seit beinahe 30 Jahren ununterbrochen am Gesundheitsruder und hätte die Kinder- und Jugendpsychiatrie durchaus stärken können. Fachleute weisen seit mehreren Jahren auf die Probleme hin. Sie werden allerdings nicht gehört, weil es einfach nicht ins Weltbild der ÖVP passt, dass Kinder im gegenwärtigen Gesellschafts- und Bildungssystem vermehrt psychisch krank werden“, betont die Politikerin.

(Bild: stock.adobe.com, Krone KREATIV)

Wortkarg, wenn‘s unangenehm ist
So schnell kann’s gehen: Der österreichische Schauspieler Florian Teichtmeister muss sich wegen des Besitzes von Kinderpornografie vor Gericht verantworten. Wenige Wochen nach dieser Schreckensnachricht soll nun die Gangart bei Kindesmissbrauch auf gesetzlicher Ebene härter werden. Beides ist in vollem Ausmaß zu begrüßen.

Rasch meldeten sich Tiroler Politiker zu Wort. So sagte VP-Jugendsprecherin LA Sophia Kircher, dass „der Schutz von Kindern und Jugendlichen die oberste Priorität haben muss“. Ihr Parteikollege und Familiensprecher LA Florian Riedl betonte: „Erwachsene müssen Kinder schützen. Denn sie sind schützenswerte Individuen.“ Und laut der grünen NR Barbara Neßler „dürfen wir beim Kinderschutz nicht die Augen verschließen. Wir dürfen nicht einmal kurz blinzeln“.

Doch in Bezug auf drogenabhängige Kinder und Jugendliche in Tirol sowie das heimische Gesetz, laut dem die jungen - oft minderjährigen (!) - Betroffenen selbst (!) entscheiden dürfen, ob sie eine Therapie machen, und bezüglich der Probleme rund um die Kinder- und Jugendpsychiatrie geben sie sich so wie viele andere Politiker aus fast allen Parteien seit Jahren wortkarg. Rein gar nichts ist von „schützenswerten Individuen“ zu hören. So gut wie keine Bemühungen gibt es, diesen Kindern und Jugendlichen das Leben zu retten. Benötigt es tatsächlich auch hier erst ein prominentes Opfer oder ein betroffenes Kind eines Politikers, bis etwas passiert?

 Tiroler Krone
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