Sechs Angeklagte

Auftakt im Terror-Prozess um Wiener Attentat

Wien
18.10.2022 10:36

Der 2. November 2020: Vier Menschen haben in der Nacht ihr Leben verloren. 23 weitere wurden teilweise schwer verletzt. Der Schütze Kujtim F. wurde von der WEGA erschossen. Nach fast zwei Jahren sitzen nun sechs angeklagte Mittäter des Attentäters vor Gericht in Wien. 

Unter höchsten Sicherheitsbedingungen startete am Dienstag der Prozess im großen Schwurgerichtssaal. Am ersten Verhandlungstag werden die Eröffnungsplädoyers der Staatsanwaltschaft und Verteidigung gehalten. Mit jeweils einer Justizwache in voller Montur an der Seite werden die sechs jungen Männer in den Saal des Wiener Landesgerichts geführt. Ihnen werden von der Staatsanwaltschaft das Verbrechen der Beteiligung an terroristischen Straftaten in Verbindung mit Mord, terroristische Vereinigung und kriminelle Organisation vorgeworfen. Sie sollen den Attentäter Kujtim F. in seinem Vorhaben unterstützt und bestärkt haben. 

Waffen beschafft und übergeben
Die Männer sollen dem Schützen vor allem dabei geholfen haben, das Sturmgewehr und die Pistole, die er beim Attentat benutzte, zu beschaffen. Der Erstangeklagte sei mit Kujtim F. nach Slowenien gereist, um dort Munition für das Sturmgewehr zu kaufen. Der zweitangeklagte 21-Jährige soll laut Staatsanwaltschaft bei der Übergabe dieser Waffe dabei gewesen sein.

Der 28-jährige gebürtige Afghane und der 32-jährige Russe - in dem Verfahren geführt als Viert- und Fünftangeklagter - hätten bei der Munitionierung und Vorbereitung der Tatwaffen geholfen. Die Pistole und die entsprechenden Patronen hätte der Russe persönlich an den Attentäter übergeben. Den Kontakt zu ihm hatte Kujtim F. über den Sechstangeklagten geknüpft. Ein 23-Jähriger, der Drittangeklagte, habe ihn zusätzlich bestärkt.

Erinnerungen an Todesopfer
„Wenn ich mich an diese Nacht zurückerinnere, erinnere ich mich an die bangen Stunden und das Warten. An die Unsicherheit, ob sich mir liebe Personen in der Innenstadt befinden. Ich erinnere mich an die Angst und die Panik, die ich gefühlt habe. Und genau das sollen Terroranschläge bei uns auslösen“, beginnt die Staatsanwältin ihr Eröffnungsplädoyer.

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Es hat nicht nur den Verletzten und Angehörigen sondern ganz Österreich das Herz gebrochen. Fest steht, dass der Attentäter selber nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden kann.

Anklägerin im Wiener Landesgericht

Sie denkt an die vier Todesopfer zurück, nennt ihre Namen und traurige Schicksale: „Es hat nicht nur den Verletzten und Angehörigen, sondern ganz Österreich das Herz gebrochen. Fest steht, dass der Attentäter selber nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden kann.“ Sie betont, dass jetzt vor allem die, die an der Tat mitgewirkt und geholfen hätten, bestraft werden müssen. Und zwar die nun Angeklagten.

Angeklagte dem österreichischen Verfassungsschutz bekannt
Fünf der sechs Männer seien schon jahrelang dem österreichischen Verfassungsschutz als IS-Anhänger bekannt. Einige von ihnen sind sogar einschlägig vorbestraft und verbüßten bereits Haftstrafen. Für die Verhandlung hätten die Angeklagten ihr Aussehen drastisch geändert, so die Staatsanwältin. „Lediglich der Drittangeklagte sieht noch so aus, wie auf seinem Lichtbild“: schulterlange Haare und Vollbart.

Die Anklägerin beschreibt die Rollen der sechs Männer. Wie der Fünft- und Sechstangeklagte bei der Waffenbeschaffung geholfen hätten. Wie der Zweitangeklagte die Übergaben begleitet hätte. Wie der Viert- und Fünftangeklagte bei den letzten Vorbereitungen am Tag vor dem Attentat geholfen hätten. Und wie der Zweit- und Drittangeklagte mit dem Schützen das Angriffsziel ausgewählt hätten.

DNA-Spuren und Nachrichten als Beweis 
„Es ist von großem Glück zu sprechen, dass an diesem Tag in der Wiener Innenstadt nicht noch mehr Menschen ihr Leben lassen mussten“, ist sich die Staatsanwältin sicher. Für die Vorwürfe gebe es, neben DNA-Spuren an den Waffen und der Sprengstoffgürtel-Attrappe, weitere Beweise wie Nachrichtenauswertungen.

Shoppingtour statt Munitionskauf
Der Verteidiger des Erstangeklagten, David Jodlbauer, widerspricht der Anklage: „Mein Mandant war nie Mitglied des IS. Nie ein Sympathisant.“ Er zeichnet ein Bild des Lebens seines Mandanten. Er habe eine normale Kindheit geführt, leidenschaftlich gerne Fußball gespielt. Er sei bekennender Moslem gewesen, habe aber ungefähr im Jahr 2014 der Religion den Rücken gekehrt: Er sei mit dem Hass und den Ausgrenzungen durch den IS nicht einverstanden gewesen. Den Attentäter Kujtim F. habe er überhaupt nur drei Mal getroffen - in der Slowakei beim angeklagten versuchten Munitionskauf hätte man nur „shoppen gehen wollen“.

Nur Indizien, aber keine Beweise
Auch der Mandant von Manfred Arbacher-Stöger bekennt sich des psychischen Tatbeitrages nicht schuldig. „So wie es dargestellt wird, es tut mir leid, ist es einfach nicht“, so der Verteidiger des Zweitangeklagten. Der 21-Jährige sei zwar mit dem Attentäter befreundet gewesen, von den Anschlagsplänen habe er aber nichts gewusst. Auch sei er nicht am Tag des Blutbades in der Wohnung des Schützen gewesen. Sein Mandant hätte lediglich ein Buch vor der Eingangstür zurückgegeben - das würden auch Zeugen sagen. Es gebe also nur Indizien und keine echten Beweise. „Es ist ein schlimmes Verbrechen. Da stimme ich der Staatsanwältin zu“, so Arbacher-Stöger. Der 21-jährige Angeklagte sei darin aber nicht verwickelt gewesen.

Kein Angeklagter will vom Anschlag gewusst haben
Auch die Verteidiger des Dritt- und Viertangeklagten wollen von der Unschuld ihrer Mandanten überzeugen. Anwalt Rudolf Mayer sieht Widersprüche in den Zwischen- und Abschlussberichten der Ermittlungen. Es gebe „keinen Beweis für einen Abschiedsbesuch, wie es die Staatsanwältin vorwirft“. Laut Anklage habe der Drittangeklagte den Attentäter am Tag des Anschlags in seiner Wohnung aufgesucht.

Verteidiger Elmar Kresbach ist sich sicher, man habe im Nachhinein eine Version mit Hintermännern konstruiert: „Der Attentäter hat alleine gehandelt. Der eigentliche Täter steht für eine Verhandlung nicht mehr zur Verfügung.“ Die DNA-Spuren - die keine Fingerabdrucksspuren sind - seien über sekundäre Übertragung auf die Tatwaffen gekommen.

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Der Waffenhändler ist nicht der Mörder!

Anwältin Astrid Wagner

Waffenlieferant bekennt sich teilschuldig
Der 32-jährige Russe ist als fünfter Hintermann angeklagt - verteidigt von Astrid Wagner: „Er war derjenige, muss man leider sagen, der dem späteren Attentäter Waffen geliefert hat. Dazu wird er sich auch schuldig bekennen.“ An einer Patrone wurde seine DNA gefunden. Näher würde er Kujtim F. und auch alle anderen Angeklagten aber nicht kennen und sei auch nicht in der Wohnung gewesen. Sein Handy sei bei einem ganz anderen Funkmast eingeloggt gewesen. Anwältin Wagner betont aber: „Ich finde es auch unsympathisch, Waffen zu liefern, weil man Geld machen will. Der Waffenhändler ist nicht der Mörder!“

22-Jähriger stellte Kontakt zu fünftem Angeklagten her
Als Letztes kommt beim Prozessauftakt um den Wiener Terroranschlag Anwalt Wolfgang Mekis, der Verteidiger des Sechstangeklagten, zu Wort. Sein 22-jähriger Mandant hat den Kontakt zum Fünftangeklagten, dem Waffenhändler, hergestellt. „Die Annahme, dass er die Telefonnummer weitergegeben hätte, damit Monate später ein schrecklicher Anschlag durchgeführt werden kann, ist an den Haaren herbeigezogen“, so der Anwalt. Man könne ihm nur die Beteiligung an dem illegalen Waffenkauf vorwerfen, für den er sich auch schuldig bekennt, aber nicht die Beihilfe zu dem Terroranschlag.

Drei Männer bekennen sich teilschuldig
Der Dritt-, Fünft- und Sechstangeklagter bekennen sich auf Nachfrage des Richters teilweise schuldig. Die restlichen Männer antworten mit „unschuldig“. Der Prozess wird am 1. Dezember 2022 mit den Befragungen der Angeklagten fortgesetzt.

 Kronen Zeitung
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