„Krone“-Kritik

Riesenbrüste und Astronauten bei „Lulu“-Premiere

Oberösterreich
18.09.2022 17:00

„Heiße Wollust und kaltes Grauen“: Frank Wedekinds „Lulu“ beschreibt den Aufstieg und Fall einer Verführerin und war Ende des 19. Jahrhunderts ein Skandal. Regisseurin Fanny Brunner zieht das Stück in den Linzer Kammerspielen als absurde Komödie auf, in der Lulus Männer zu Witzfiguren degradiert werden. Ob das funktioniert, lesen Sie in unserer „Krone“-Kritik.

Sie geht mit unzähligen Männern ins Bett und lässt auf ihrem Weg gleich mehrere tote Ehemänner zurück: „Lulu“ von Frank Wedekind war beim Erscheinen ein Skandalstück, weil es den braven Bürgern ihre scheinheilige Sexualmoral vorwarf. Bis heute regt die Figur auf, und das wird die neue Linzer Inszenierung wohl nicht ändern, denn sie ist alles andere als verstaubt.

Mit riesigen Clownsfüßen, in lächerlichen Bademänteln oder brusthaarfreien Ganzkörperanzügen, immer ein aberwitzig offensichtliches Phallussymbol zur Hand: Hechelnd, winselnd, flehend warfen sich die Männer bei der Premiere in den Linzer Kammerspielen der Lulu zu Füßen. Cecilia Pérez legte die blutjunge Verführerin spöttisch-herablassend an und schaute gerne ins Publikum, während wieder ein Verehrer ihr zu Füßen lag: „Könnt ihr glauben, wie peinlich sich der aufführt?“, scheinte sie zu fragen.

Wer hat im Spiel um Liebe und Macht die Oberhand?
Regisseurin Fanny Brunner wollte Lulu im Spiel von Liebe und Macht die Oberhand geben, die sie eh immer hatte, und zeigt zu dem Zweck alle Männer als Witzfiguren statt als die Monster, zu denen Wedekind sie machte. In der ersten Hälfte der Produktion gelingt der Versuch, eine Komödie aus dem Klassiker zu machen, recht gut. Christian Taubenheim als Dr. Schön gab wirklich alles, Alexander Hetterle zeigte schon öfter mit komödiantischem Talent auf und brachte es auch als Maler Schwarz ein, Jakob Kajetan Hofbauer überzeugte als desillusionierter Alwa Schön.

Luftballon-Brüste und Astronauten
Doch in der zweiten Hälfte des fast drei Stunden dauernden Stücks wollte Brunner zu viel. Pérez trat in einer Barbie-Version der Lulu auf, mit Luftballon-Brüsten und kalter Schulter. Um sie herum ein absurdes Treiben mit Astronauten und Zirkusdirektoren (Ausstattung: Daniel Angermayr). Kein Lacher mehr im Publikum. Am Ende saß eine abgehalfterte Lulu in ihrem Zimmer und fertigte Freier für ein paar Groschen ab - aus diesem Teil der Geschichte war keine Komödie zu basteln. Da ist die heiße Wollust längst zum kalten Grauen geworden. Höflicher Applaus.

Nächste Termine: 20., 24., 30. 9.; Tickets: www.landestheater-linz.at 

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