HIMARS in Ukraine

Der „Finger Gottes“ ist am Schlachtfeld angekommen

Ausland
13.07.2022 17:00

Eine neue Waffe beeinflusst seit zwei Wochen aufseiten der Ukraine das Kriegsgeschehen: HIMARS. Ein US-Raketensystem, das die Russen erneut vor große Logistikprobleme stellt.

In den zermürbenden Abnutzungskrieg im Osten der Ukraine kommt Bewegung: Seit zwei Wochen haben die ukrainischen Verteidiger einen neuen Trumpf in der Hand, der sich hinter den Kürzeln HIMARS und M270 verbirgt. Schnelle, mit Saphirglas gepanzerte Startplattformen aus den USA (siehe Grafik unten), die 100 Kilogramm Sprengstoff mittels Raketen bis zu 80 Kilometer tief in den Rücken der russischen Angreifer bringen können - wo Munitionsdepots und Kommandostände liegen.

Ähnliches Problem wie zu Beginn des Krieges
Die Geschosse werden dabei von einem GPS-Sensor geleitet und treffen punktgenau vorher programmierte Koordinaten, die US-Armee nennt die Waffen daher den „Finger Gottes“. Doch warum werden plötzlich eine Handvoll Raketenwerfer - egal, wie modern - zum Problem für die zahlenmäßig weit überlegenen Russen?

„Weil sich die Russen wie zu Beginn des Krieges wieder um ihre Logistik kümmern müssen“, erklärt Oberst Markus Reisner von der Militärakademie in Wiener Neustadt. Reisner zählt in Europa mittlerweile zu den bekanntesten Militärexperten, seine YouTube-Videos erscheinen auf Deutsch und Englisch und erreichen regelmäßig mehr als eine halbe Million Menschen. 

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Plötzlich müssen sich die Russen wie zu Beginn des Krieges wieder um ihre Logistik kümmern. HIMARS zwingt sie dazu, ihre Munitionslager stärker zu verteilen, auch Kommandostände sind bedroht.

Oberst Markus Reisner, Theresianische Militärakademie

HIMARS in Zahlen

Besatzung: 3 (Kommandant, Fahrer, Schütze)
Länge: 7,0 m
Breite: 2,4 m
Höchstgeschwindigkeit: 95 km/h
Reichweite: Rund 500 km mit einem Tank
Bewaffnung: 6 × GPS-gelenkte oder ungelenkte Artillerieraketen oder 1 × ATACMS mit 300 km Reichweite
Munition: Kommt aus der Fabrik vorgeladen in 6er-Magazinen

Auch psychologische Effekte
„Mit HIMARS treffen die Ukrainer etwa große Waffenlager, die fernab der Front zum Nachschub angelegt wurden. Und zwingen dadurch die Russen, ihre Munitionslager und ihre Gefechtsstände stärker zu verteilen. Gerade bei Kommandoständen ist das ein Problem, weil Russland traditionell sehr zentralistische Befehlsstrukturen hat“, so Reisner.

Auch ein psychologischer Effekt sei bemerkbar. „Zum einen lösen die US-Raketen Schock unter den russischen Soldaten aus. Zum anderen verstärkt es auch deren Zusammengehörigkeitsgefühl: Wir kämpfen nicht nur gegen die Ukraine, wir kämpfen gegen den ganzen Westen.“

Waffen und Aufklärung kommt aus dem Westen
Tatsächlich funktioniert die GPS-gesteuerte Munition nur mit guter Aufklärung. Können etwa die Funksignale russischer Generäle in einem Gefechtsstand geortet werden, dauert es oft nur Minuten, bis eine Rakete auf dem Weg ist. Findet ein Satellit eine größere Ansammlung an Lastwägen an einer Eisenbahnstation, steht diese kurz darauf in Flammen. In beiden Fällen steckt meist massive Hilfe des Westens hinter den Schlägen gegen die russische Versorgung.

Anzahl an Waffen noch zu gering
Hat die Ukraine endlich ein wirksames Gegenmittel gegen den Abnutzungsfeldzug der Russen? „Die Effekte sind beachtlich, doch die Ukraine hat erst sehr wenige dieser Waffen geliefert bekommen“, sagt Reisner und spricht von einem „Tropfen auf den heißen Stein“. Doch die Ukrainer formen damit das Schlachtfeld nach ihren Vorstellungen. Die Artillerie, der „Gott des Krieges“, steht jetzt auch auf ihrer Seite im Mittelpunkt. 

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