Dandy-Pop aus Wien

Toby Whyle: „Traurige Songs geben mir Hoffnung“

Wien
23.05.2022 15:00

Gelöst von den Fesseln der heimischen Indie-Band The Beth Edges zeigt sich Tobias Grünzweil aka Toby Whyle nun reifer, mutiger, persönlicher. Auf seinem Solodebüt „Call It A Night“ vermischt er Gitarren mit Elektronik und lädt zum tanzbaren Seelenstriptease. Eine musikalische Reise mit internationalem Flair. Im Gespräch mit der „Krone“ gab er nähere Einblicke in sein Tun und Werken.

Stilsicher, New-Wave-romantisch, dem britischen Trend entsprechend - die in Linz gegründeten und wenig später von Wien aus operierenden The Beth Edges gehörten von ihrer Gründung 2007 weg zu einer der spannendsten und motiviertesten Indie-Pop-Bands Österreichs. Angeführt von Gitarrist und Sänger Tobias Grünzweil spielte die Truppe im Vorprogramm der Wombats und Razorlight, war für den Amadeus nominiert, wurde auf FM4 rauf- und runtergespielt und hatte mit Andreas Födinger sogar einen ehemaligen Bilderbuch-Schlagzeuger an Bord. Die Beth Edges zogen sich über die Jahre immer mehr zurück und Tobias entdeckte andere Interessen und Vorlieben. Die Musik rückte erst einmal in den Hintergrund. „Im kreativen Bereich bin ich sehr umtriebig und irgendwie haben sich die Tage zunehmend mit anderen Dingen gefüllt“, erzählt er uns im „Krone“-Gespräch.

Offizielle Vorstellungsrunde
Wir sitzen in den schalldichten Primitive Studios im Achten Wiener Gemeindebezirk. Draußen reflektiert die Sonne an einem brennheißen Mai-Tag erstmals brutal von den Betonwänden, drinnen herrscht freundschaftliche Wärme. Aus Tobias Grünzweil wurde Toby Whyle, aus den Beth Edges wurde ein Soloprojekt, aus gemeinschaftlichem Songwriting eine Reise im engen Teamwork, die am Ende aber trotzdem den neuen Visionen des Komponisten und Musikers folgte. Selbst in der „musiklosen Zeit“, hat Whyle die Musik niemals ganz verlassen. „Ich schreibe immer alle Ideen in Notizbücher oder speichere sie ins Handy. Plötzlich war ganz viel Material da und es stieg der Drang, dieses Rohmaterial in Musik umzuwandeln.“ Die EP „A Mood Of It’s Own“ war im letzten Jahr die offizielle Vorstellungsrunde, das brandneue Studioalbum „Call It A Night“ perfektioniert den neuen Weg des Künstlers. Intimer, mutiger, elektronischer, aber immer noch dandyhaft, kokett und verspielt.

„Wenn ich einen Song schreibe, dann kann ich die Zeit anhalten“, gerät Whyle bei der Rückschau ins Schwärmen, „das Schreiben und Aufnehmen haben mich nie losgelassen. Seitdem ich mich wieder auf die Musik fokussiere, bin ich ausgeglichener.“ Bei den ersten paar Demos war noch völlig unklar, wohin die Reise geht. Das heimische Nischenlabel Matches Music wurde hellhörig und erkannte das Potenzial der Whyle’schen Kompositionen. Der wiederum brauchte die Bestätigung von außen, um endgültig und vollends in seine neue Soundwelt eintauchen zu können. Der aus der Brit-Pop-Gitarrenwelt stammende Musiker tauchte mithilfe von Freunden und Studiokollegen immer tiefer in die Elektronik und fand neue Welten und Ästhetiken. „Ich kann mich auf der Gitarre noch immer am Besten ausdrücken, aber manchmal hat mich ein Synthesizer mehr angesprochen. Die Herangehensweise an die Songs ist eine andere als früher.“

Berufsmelancholiker
Das verstärkte Spiel mit Instrumenten, Stilen und Klängen macht „Call It A Night“ trotz der sehr persönlichen Note der einzelnen Songs zugänglich. In den wärmeren Momenten des Albums fühlt man sich an die sommerliche Leichtigkeit von Roosevelt erinnert, wenn die Gitarren - selten aber doch - in den Vordergrund grätschen, lässt sich die alte Liebe zu den Kooks oder Arctic Monkeys auch nicht immer verbergen. Das Auf und Ab der Songs spiegelt im Endeffekt Whyles Seelenzustand wider. „Manchmal geht es einem gut, manchmal schlecht. Man kann auch tanzbare Nummern machen, die inhaltlich traurig sind.“ Die oberste Prämisse für Toby Whyles Song ist besagte Tanzbarkeit. „Stillsitzen geht gar nicht“, lacht er, weiß aber gleichzeitig, dass er eine gewisse Melancholie nicht verbergen kann, „wenn ich bei Partys Songs auflege, werde ich eher als Stimmungskiller wahrgenommen. Traurige Songs geben mir aber eine gewisse Art von Hoffnung.“

Was vielleicht nicht ideal für die Hochzeits-Playlist des besten Freundes ist, kann in anderen Kontexten noch immer einwandfrei funktionieren. Etwa, wenn Songs wie „What A Ride“, das in einem Rutsch geschriebene „Pity“ oder „Quiet The Silence“ ein bisschen Herbst in den Frühsommer holen. Wer schnell hitzegeplagt ist, weiß, dass das nicht unbedingt schaden muss. „Ich bin kein guter Geschichtenerzähler und schreibe nur über Dinge, die mir selbst widerfahren sind. Manchmal steht der Stamm eines Songs schon seit zwei Jahren und wird erst danach fertig. Manchmal verarbeite ich Erlebnisse unmittelbar. Per se kann ich aber nur über Dinge schreiben, die ich selbst erlebt habe.“ Diese Offenheit ging mit einer jahrelang irrigen Erkenntnis seiner selbst einher. „Ich neige zum Perfektionismus und dachte früher immer, das wäre toll. Es hat lange gedauert bis ich gemerkt habe, dass man sich damit eher selbst im Weg steht. Die Leute in meinem direkten Umfeld haben mir geholfen, mich nicht immer im Kreis zu drehen.“

Bereit für die Reise
„Call It A Night“ ist eine kurzweilige Platte für Melancholiker mit Wünschen und Sehnsüchten, deren Glas am Ende des Tages doch eher halb voll denn halb leer ist. Zwischen Synthie-ummantelter Düster-Disco und schnittigen Riffs aus der Vergangenheit Whyles liegt weniger Abstand, als man anfangs erwarten würde. „Das Album soll auch andere dazu inspirieren, ihren Wünschen und Träumen zu folgen. Der Weg ist vielleicht nicht immer der richtige, aber man muss ihn ausprobieren, um das zu wissen. Auch wenn man dreimal auf die Schnauze fällt, sollte man dabeibleiben, denn die meiste Zeit im Leben geht es um den Weg und nicht um das Ziel.“ Bei seiner Releaseshow im Club Praterstraße zeigte Toby Whyle unlängst schon, welches Potenzial in seiner Kreativität schlummert. „Es wird sicher rauf und runter gehen, aber ich freue mich auf diese Reise. Jetzt will ich mich weiter voll darauf einlassen.“

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