Live im Gasometer

In Extremo: „Wir sind immer unseren Weg gegangen“

Wien
08.05.2022 06:00

Mittelalterrock ohne Grenzen, mit viel guter Laune und einer bombastischen Bühnenshow - da ist man seit einem guten Vierteljahrhundert bei den Berlinern von In Extremo goldrichtig. Nach mehrmaliger Verschiebung präsentiert die Kultband ihr neues Album „Kompass zur Sonne“ bald im Wiener Gasometer. Wir haben bei Frontmann Michael Rhein aka Das Letzte Einhorn genauer nachgefragt.

Mehr als zwei Jahre nach der Veröffentlichung ihres letzten Studioalbums „Kompass zur Sonne“ schaffen es die deutschen Mittelalter-Rocker In Extremo nun doch endlich auf die Bühnen. Ob das geplante Wien-Konzert mittlerweile drei- oder viermal verschoben wurde, ist dabei fast schon egal. Dass man trotz der Pandemie-Wirren und des ersten Lockdowns wieder auf Platz eins in den deutschen Charts ging, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die österreichischen Dauergäste überzeugen seit mittlerweile 25 Jahren mit einer beliebten Gemengelage aus flotten Songs, eingängigen Rhythmen, Stil-Ausritten und sehr viel Humor samt Selbstironie. Frontmann Michael Rhein aka Das Letzte Einhorn ist in Deutschland eine ähnliche Kultfigur wie Campino und für gewöhnlich um keinen Schmäh verlegen. Vor allem begeistern In Extremo mit ihrer schieren Live-Wucht und der Tatsache, dass man sie in so gut wie jedes Billing packen kann.

Zwischen Heavy Metal und Popfest
„Es gibt sicher Bands, die können nur im Heavy-Metal-Bereich oder der schwarzen Szene spielen, aber uns kannst du auch locker auf ein Popfest buchen“, erklärt Rhein im „Krone“-Gespräch, „früher gab es Schubladisierungen viel klarer, heute hat sich alles vermischt. Meines Wissens haben die Schweizer damit vor vielen Jahren begonnen. Da spielten bei einem Festival vor uns Uriah Heep und nach uns die Sugarbabes. Ich konnte das damals auch nicht fassen, aber so hast du die Chance, dir ein neues Publikum zu erspielen.“ Berührungsängste waren In Extremo per se fremd. Auch wenn der Grundstock des Sounds von In Extremo früh feststand, war man sich nie zu schade, sich mit unterschiedlichsten Gastsängern zu umgeben. Die Range reicht von der Kelly Family und Rea Garvey über Kreator und Blind Guardian bis hin zu Johan Hegg von Amon Amarth oder Thomas D von den Fantastischen Vier.

„Wir hatten als Gäste auch schon Eisbrecher, Alligatoah, Ben Zucker oder Wincent Weiss. Weiss und Zucker haben mir erzählt, dass sie mit unserem Sound großgeworden sind und da hat man schnell die Chance, Menschen einmal anders kennenzulernen. Ich habe selbst noch viel zu oft das sogenannte ,Bretterdenken‘ und bin oft engstirnig, aber mit solchen Begegnungen legst du das schnell ab.“ Vor etwa 30 Jahren begannen In Extremo bei Mittelalterfesten zu spielen. Dass man von dort weg zu den erfolgreichsten Bands im deutschsprachigen Raum mutieren würde, war in den späten 90er-Jahren noch nicht erkennbar. „Bei diesen Festen verkleiden sich gleichermaßen Doktoren, Banker und LKW-Fahrer, um dem Alltag entfliehen zu können. Manchmal wird das von außen beschmunzelt, aber so etwas macht die Welt doch viel bunter. Die Realität ist schwarz genug, da ist es doch schön, wenn man ein paar Farbkleckse hinzufügen kann.“

Kein Platz für den „dicken Hermann“
In Extremo haben eine besondere Nähe zu den Fans, gerierten sich niemals als ungreifbare Außerirdische, die man nur von außen bewundern darf und denen man das Geld in das Säckel steckt. „Wir sind schon oft mit anderen deutschen Bands auf Tour gewesen“, lacht Rhein, „die machen manchmal den dicken Hermann, obwohl wir teilweise mehr Platten verkauft haben als die. So etwas interessiert mich überhaupt nicht. Wir fahren immer noch mit derselben Crew wie früher herum und teilen uns alles. Jeder soll möglichst viel Spaß haben.“ Die Bodenhaftung hat das Arbeitergespann aus Berlin niemals verloren, dazu fährt man live eine Show auf, die nur mehr von Rammstein überboten wird. „Bei diesen Mittelaltershows gab es früher nur Trommeln und Dudelsäcke. Wenn wir einen auf Pyromanen machen, freuen wir uns wie kleine Kinder. Wir würden gerne noch mehr verballern, aber das lässt das Budget nicht zu.“

Vier der letzten fünf Studioalben erreichten Platz eins der deutschen Charts, auch in Österreich ist man konstant ganz vorne zu finden. Eine Belohnung für Fleiß und Beharrlichkeit. „In Extremo ist gesund gewachsen. Am Anfang spielten wir auf der Straße und bei jeder Steckdose. Wir wurden immer unterschätzt, haben aber allein in Deutschland mehr als 1,6 Millionen Platten verkauft. Wir werden weder im Radio, noch im Fernsehen gespielt und insofern bin ich schon sehr stolz auf das Erreichte. Die Presse hat nie verstanden, was wir sind und was wir wollen, aber wir sind unseren Weg einfach beharrlich weitergegangen. Die Brechstange zum Erfolg war nie ein Thema. Ich kenne so viele Leute, egal ob in der Kultur oder im Sport, die alles erzwingen wollen, aber am Wichtigsten sind Geduld und Zeit. Ob ich das vor 20 Jahren auch so gesehen habe, oder doch mit mehr Drang nach oben wollte, das weiß ich heute aber nicht mehr so genau.“

Es geht um Unterhaltung
Natürlich ging es für In Extremo nicht ausschließlich nur nach oben. Im Frühling 2021 trennte man sich von Marktsackpfeifer Boris Pfeiffer, der Anfang dieses Jahres während einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen an einem Herzinfarkt verstarb. Für eine nach außen hin dezidiert unpolitische Band also nicht nur eine rein menschlich, sondern auch gesellschaftspolitisch harte Sache. „Wer das Recht hat, hat die Macht und wer die Macht hat, hat das Recht. Meiner Meinung nach belügen uns ohnehin alle Politiker nach Strich und Faden. Ich sage gerne, was ich mir denke, aber das gehört nicht auf die Bühne von In Extremo“, so Rhein, „wir haben uns nie vor einen Karren spannen lassen. Wir hatten immer Songs, die gewisse Themen streiften, aber im Endeffekt sind wir Unterhalter und wollen dementsprechend unterhalten. Ich finde es natürlich gut, wenn man etwas tut, aber man muss seine Fresse nicht jede Minute in eine Kamera halten, um Publicity zu bekommen.“

Live in Wien
Am 14. Mai spielen In Extremo mit mehrjähriger Verspätung nun endlich im Wiener Gasometer. Unter www.oeticket.com gibt es noch Karten und alle weiteren Infos. Viel ist aber nicht mehr übrig, man sollte lieber schnell sein.

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