Flüchtlinge erzählen

Ukraine: Noch lebt die Hoffnung auf Rückkehr

Steiermark
08.04.2022 06:00

Bereits 5400 Ukrainer haben in der Steiermark Zuflucht gefunden. Kinder gehen in die Krippe und in die Schule, die ersten haben Jobs. Sie bauen sich hier ein neues Leben auf. Aber ein Pensionist denkt nur an die Rückkehr. Und an Molotow-Cocktails.

Hausherr Wolfgang Seidler (52) öffnet die Haustüre für den Besuch der „Krone“. Für vier Flüchtlinge aus der Ukraine hat er sie schon wenige Tage nach Kriegsbeginn aufgemacht. Inna, ihre Schwester Viktoriia, deren 20 Monate junger Sohn Lev und Tanya wohnen seither in Gundersdorf. Auch Kater „Persing“ hat sich bereits eingelebt.

Von Zaporozhye, einer Großstadt mit knapp einer Million Einwohner, ging es ins malerische Schilcherland. Doch die Gedanken sind täglich in der Heimat. Der Mann von Viktoriia und Papa von Lev ist im Krieg. Tanya hat noch immer nicht realisiert, dass ihr Mann tot ist.

Seit Jahren ein „Gutmensch“
„Ich bin ein Gutmensch“, sagt Wolfgang Seidler, der auch schon 2015 Menschen auf der Flucht bei sich aufgenommen hat, 32 Syrer und Afghanen. Das Credo des Fleischermeisters: „Tust du was Gutes, bekommst du was Gutes zurück.“ Inna kennt er seit 17 Jahren, mit der Zeit entstand eine Freundschaft. „Ich habe sofort bei ihr angerufen und Hilfe angeboten.“

„Wir fühlen uns hier zu Hause, alle sind so nett“, betont Inna die freundliche Aufnahme. „Die gute Luft und das Wasser – alles ist bestens.“ Und: „Die Leute bringen uns Kleidung, Spielsachen – sogar ein Buggy war dabei.“ Bürgermeister Stephan Oswald hat mit Windeln unterstützt, wie Seidler hinzufügt.

Kunstverein stellte Farben zur Verfügung
In ihrer Heimat leitete Inna eine private Künstlerschule. 400 Interessierte hat sie in den letzten fünf Jahren ausgebildet. In der „Kunst Kist’n“ in Deutschlandsberg hat sie Farben bekommen, damit sie auch hier kreativ sein kann. Denn das Malen tut ihr gut. Mit Lack auf Leinen bringt sie die große Solidarität Österreichs mit der Ukraine auch farblich zum Ausdruck.

Inna glaubt nicht, dass die Normalität in der Ukraine nach Kriegsende bald wieder einkehren wird. Viktoriia und Tanya wollen zurück in ihre Heimat. Das wird wohl noch dauern. Lev soll bald einen Platz in der Kinderkrippe bekommen.

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Alle ukrainischen Kinder mussten flüchten. Ich war mit meiner Enkelin fünf Tage lang unter Bomben unterwegs.

Serhii flüchtete Anfang März aus Dnipro

Opa und Enkelin sind nun in Sicherheit
Schauplatzwechsel nach Graz: Der 69-jährige Serhii ist mit seiner achtjährigen Enkelin Anfang März aus Dnipro geflohen. „Ich habe mit Molotow-Cocktails auf die Russen gewartet. Aber ich musste meine Enkelin in Sicherheit bringen, ihre Mutter hat es nicht geschafft. In wenigen Minuten haben wir alles zusammengepackt“, erzählt der frisch pensionierte Arzt und Wissenschaftler, der nun in einer Wohnung der Caritas lebt. „Fünf Tage waren wir unter Bomben unterwegs.“

Dabei hatte Serhii ganz andere Pläne für seinen Ruhestand. „Ich wollte Angler werden“, erzählt er. Viel mehr schmerzt es aber, wenn er an die Jungen denkt. „Alle ukrainischen Kinder mussten flüchten. Ich hasse die Russen.“ Ein Hass, den Serhii schon zu sowjetischen Zeiten verspürt hat.

„Ich weiß, dass die Ukraine gewinnen wird“
Wie geht es für Serhii und seine Familie weiter? Seine andere Enkelin ist 18 und eine der erfolgreichsten jungen Tennisspielerinnen der Ukraine. Sie ist gerade in Antalya bei einem Turnier, soll dann aber nach Graz kommen. „Sobald sie da ist, gehe ich zurück in die Ukraine. Ich weiß, dass wir gewinnen werden.“ Für seine Enkelin geht nach Ostern die Schule los.

Josef Fürbass, Hannah Michaeler

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