Streitthema Zölibat

Liebe im Schatten der katholischen Kirche

Steiermark
27.02.2022 08:00

Jedes Jahr verlässt im Schnitt ein steirischer Pfarrer sein Amt, um zu heiraten, rund ein Drittel bricht den Zölibat. Aber wie lebt man als Frau in einer solchen Beziehung?

Was bedeutet es zu lieben, wenn die Liebe nicht sein darf? Viktoria Huber (Name geändert) ist 45, lebt an der steirisch-niederösterreichischen Grenze - und liebt einen Priester. Seit zwölf Jahren sind sie und ihr Hans zusammen, seit fünf verheiratet. „Am Anfang habe ich viel nachgedacht. Was bedeutet das für mich, was für ihn?“

Versteckspiel und Lügen
Ihre gemeinsame Geschichte beginnt in einer Pfarre in Hubers Nachbargemeinde. „Ich war damals frisch geschieden, hatte zwei kleine Kinder“, erzählt sie. „Das Bergsteigen war immer meine Leidenschaft gewesen, aber ich habe es für meinen Ex-Mann aufgegeben.“ Bis Hans sie auf eine Bergtour einlädt. „Da hat es gefunkt.“

Sechs Jahre Beziehung folgen. Sechs Jahre Versteckspiel, Lügen, ungewisse Zukunft. „Zusammenziehen, übernachten - das geht natürlich nicht. Hans hatte eine Wohnung, ein paar Orte weiter, die war unser Rückzugsort.“

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Für manche ist die Ehe besser, für manche der Zölibat – beides sind Hochrisiko-Lebensformen, die scheitern können.

Theologe Paul Zulehner

Viktoria Huber ist mit ihrer Geschichte nicht allein. Wie viele Frauen mit zölibatären Priestern zusammenleben, weiß niemand genau. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2000 bricht jeder dritte Pfarrer den Zölibat, ein weiteres Drittel hadert damit. Jedes Jahr verlässt laut der Diözese Graz-Seckau im Schnitt ein steirischer Pfarrer seinen Job, um zu heiraten.

Besuche, gemeinsame Urlaube und großer Druck
Andrea Lehner-Hartmann ist Professorin an der Uni Wien und beschäftigt sich mit Gender-Themen in der katholischen Kirche. Sie kennt viele Geschichten heimlicher Beziehungen. „Die meisten Paare leben nicht direkt in der Gemeinde zusammen, sondern an einem anderen Ort. Es gibt Besuche, gemeinsame Urlaube. Der Druck ist für die Betroffenen sehr unangenehm.“

Gerade Frauen leiden. „Sie haben nicht die nötige Unterstützung bei der Betreuung der Kinder. Sie werden alleine gelassen. Manchmal, etwa wenn die Beziehung scheitert, können sie den Kindern nicht einmal sagen, wer ihr Vater ist.“

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Der Pflichtzölibat ist heute kein in Stein gemeißeltes Gesetz mehr. Mit der Freistellung würde sich die Personaldecke ändern.

Theologin Andrea Lehner-Hartmann

Mittlerweile hat die Diözese in Sachen Kinder Richtlinien. „Der Priester muss seinen Verpflichtungen gegenüber Frau und Kind nachkommen“, erklärt Sprecher Thomas Stanzer. Unterhalt muss er also aus eigener Tasche bezahlen. Ist die Beziehung beendet, hat das keine weiteren Konsequenzen, er kann Pfarrer bleiben und Vater sein.

„Langsam wurde das in der Pfarre zum Problem“
Nach sechs Jahren konnte Viktoria Huber nicht mehr weiter. „Die Leute haben bemerkt, dass wir uns privat treffen“ - auch, weil sie sich nicht mehr bemühten, es geheim zu halten. „In der Pfarre wurde das langsam zum Problem. Ich habe zu Hans gesagt: Ich kann so nicht mehr leben.“ Für kurze Zeit trennte sich das Paar.

„Aber es hat sich nicht richtig angefühlt. Er hat gesagt: Du bist mir wichtiger.“ Mit rund 70 Jahren konnte Hans in Pension gehen und musste nicht um seine Existenz fürchten, wie viele Jüngere. „Das war unser großes Glück.“

Die Reaktionen aus der Pfarre seien positiv gewesen - nicht aber aus Hubers Familie, wie sie gefasst erzählt. „Meine Verwandten sind sehr katholisch. Schon die Scheidung war ein Problem. Dann noch der Altersunterschied und die Tatsache, dass er Priester istHans darf bis heute nicht zu meiner Mutter auf Besuch kommen.“

„Frauen oft in der schwächeren Position“
Dem Moment der Entscheidung muss sich jedes Paar stellen: Ehe oder Priestertum? „Die Frauen sind da oft in einer schwächeren Position, sie sind abhängig davon, ob er zu ihnen steht“, erzählt Theologin Lehner-Hartmann. „Je konservativer die Kreise, desto eher gibt man ihnen auch Schuld, sie hätten den Pfarrer ,verführt’. Es ist ein sexistisches System. Das verlangt den Partnerschaften viel ab - manchmal zu viel.“

Dabei hat sich in den letzten Jahrzehnten viel getan, wie der Theologe und Priester Paul Zulehner erklärt. „Umfragen zeigen, dass es eine hohe Akzeptanz für verheiratete Geistliche gibt. Die Leute verstehen den Zölibat heute nicht mehr als Zeichen des Reich Gottes, sondern als Schikane.“

Jede Lebensform birgt ihre Gefahren, sagt Zulehner. „Ehe und Ehelosigkeit - das sind zwei Hochrisiko-Lebensformen. Wichtig ist, dass die Frauen kein Schattendasein führen müssen. Das ist unwürdig.“

Und die Diözese? Solange die Beziehung beendet wird, muss ein Priester kaum Konsequenzen fürchten. „Es gibt eine Verwarnung und die Aufforderung, die Beziehung zu beenden“, sagt Sprecher Stanzer. Fällt die Wahl auf die Ehe, suchen die meisten Priester aktiv um Laisierung in Rom an.

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