Taxi-Geschichten

Die Tücken mit der beruflichen Leidenschaft

Wohnen & Verkehr
16.01.2022 11:00

Wir fahren mit und hören zu. „Krone“-Reporter Robert Fröwein setzt sich auf die Taxi- oder Uber-Rückbank und spricht mit den Fahrern über ihre Erlebnisse, ihre Sorgen, ihre Ängste. Menschliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.

„Soll ich denn die ganze Woche bei meiner Frau daheimbleiben? Das geht ja auch nicht“. Milans Gesicht ziert ein schelmisches Grinsen, als er seine soeben gestellte Suggestivfrage sofort selbst beantwortet. Milan hat es vielleicht nicht so mit der Political Correctness, aber er hat trotz allem ein großes Herz. Das merkt man sofort. Während er mich vom Flughafen in den Westen Wiens bringt, erzählt er mir ohne Punkt und Komma davon, wie er beruflich vom Regen in die Traufe kam. Das Taxiwesen sei freilich ein unstetes, in pandemisch aufgeladenen Tagen wie diesen, aber eigentlich hatte er den Job erwählt, weil er von seiner alten Arbeitswelt die Nase voll hatte.

Cevapcici-Highlights
Als Milan Anfang der 90er-Jahre nach Wien kam, hieß seine alte Heimat noch Jugoslawien. Die Unruhen verstärkten sich und dem sympathischen Fahrer mit den grau melierten Haaren gelang der Absprung noch vor den ersten Gewaltexzessen. „Ich habe in Wien in der Gastro angefangen. Von dort komme ich und da fasste ich gleich Fuß.“ Nur wenige Jahre braucht Milan, um sich selbstständig zu machen und ein serbisches Restaurant im Vierten Wiener Gemeindebezirk zu eröffnen. „Von meinen Cevapcici schwärmen meine Freunde heute noch“, lacht er, „das Lokal lief auch ganz gut, aber es war so stressig.“

Als Wirt, der gerne auch zum letzten Gast mutierte, war Freizeit ein Fremdwort für Milan. Sieben Tage die Woche im Lokal am Schmähführen, Kochen und Kellnern. Abseits davon Bestellungen machen, Waren auffüllen, putzen, die grobe Buchhaltung an den Steuerberater weitergeben. „Es hat Riesenspaß gemacht, aber das hält man nicht ewig aus.“ Das Restaurant gab er auf und seine zweite Leidenschaft Auto wurde zum Beruf. Vor vier Jahren wandelte sich Milan zum Taxler und hat den Schritt nicht bereut - bis Corona kam. „Die Arbeitszeiten sind hier auch hart, aber jetzt würde ich lieber öfter fahren“, sagt er nun etwas nachdenklicher, „wer hätte gedacht, dass uns dieses Problem so lang verfolgt?“

Wir müssen da durch
Milan hat sich wenige Tage vor unserer Fahrt die dritte Booster-Impfung geholt. „Ich sage es dir ganz ehrlich, ich bin kein Fan davon. Aber was soll ich sonst machen? Ich könnte meinen Beruf nicht ausüben, wenn nicht geimpft wäre.“ Sorgt ihn das auf einem dünnen Faden hängende Damoklesschwert der Intensivstation aber nicht mindestens genauso viel? „Ich schütze ja auch andere damit, das stimmt“, macht er sich weiter Gedanken, „am Ende wollen wir doch alle nur in Ruhe leben, arbeiten und sicher sein können. Wir müssen da ohnehin alle durch und sollten uns nicht schaden.“ Nur eines weiß Milan genau: „Mit der Gastro bin ich durch. Ich koche nur mehr für meine Frau. Aber hoffentlich nicht jeden Tag, da fahre ich doch lieber wieder öfter.“

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