Vor allem wegen MFG

Polizei übt „Selbstzensur“ im Landessicherheitsrat

Weit haben wir es gebracht: Im OÖ Landessicherheitsrat am Montag übte Landespolizeidirektor Andreas Pilsl offenbar „Selbstzensur“, weil - statutengemäß - auch erstmals ein Vertreter der MFG-Fraktion anwesend war. Sitzungsteilnehmer berichten: Pilsl habe gesagt, er könne nicht alles zu den polizeilichen Erkenntnissen und Taktiken im Zusammenhang mit Kundgebungen von Corona-Skeptikern offenlegen, weil Leute im Raum sitzen, die selber solche Veranstaltungen durchführen… Manche glauben aber, dass dieses Sich-nicht-in-die-Karten-schauen-lassen-wollen nicht nur auf die MFG, sondern auch auf die FPÖ gemünzt sei, die ja speziell in Wien mit ihrem Bundesparteiobmann Herbert Kickl auch sehr zugespitzte Anti-Coronamaßnahmen-Demos veranstaltet.

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Im Vorfeld (in der Sonntag-Ausgabe der „Krone“, siehe Onlinebericht hier) hat LH Thomas Stelzer den Landessicherheitsrat so angekündigt: „Unser Ziel ist, Schutz und Sicherheit für unsere Landsleute zu garantieren. Das bedeutet gerade jetzt, Skeptikern und Zweiflern die Hand zu reichen, den Dialog zu suchen und wieder aufeinander zuzugehen. Das bedeutet aber auch, Radikalen entschieden entgegenzutreten.“ Denn, die Lage sei so: „Bei all den Meinungsverschiedenheiten und unterschiedlichen Zugängen gibt es auch radikale Strömungen, die unser Miteinander gefährden.“

Beruhigung der Lage bei Demos ist hilfreich
LH Stelzer meint im „Krone“-Gespräch nach der Sitzung trotzdem, Landespolizeidirektor Pilsl habe einem umfassenden Bericht über die Sicherheitslage in Oberösterreich im Zusammenhang mit der Pandemie vorgelegt. Alleine in der aktuellen Lockdown-Phase habe es bisher 57 Versammlungen im Zusammenhang mit Corona in Oberösterreich gegeben. Die Polizei gehe bei all dem eher deeskalierend (also ruhig und beruhigend) vor, was Stelzer, wie er sagt, auch sehr schätze. Stelzer: „Man könnte viel mehr strafen, was man da sieht an Maskenverweigerung, aber das könnte dann eskalierend wirken.“

Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist stark geschützt
Ein Sitzungsteilnehmer hatte die Frage: „Ja muss man denn das alles zulassen an Protest? Warum werden die Versammlungen nicht untersagt, die zum Beispiel ständig vor dem Landhaus in Linz sind?“ Die Antwort kurz zusammengefasst: Das ist auch vom Verfassungsgerichtshof mehrfach ausjudiziert worden, dass das Versammlungsrecht ein so breites Grundrecht ist; da müsste es im Vorfeld so starke Hinweise auf mögliche Gewalttaten geben, dass nur durch eine Untersagung solche Ausschreitungen verhindert werden könnten. Stelzer dazu: „Das Recht auf Versammlungsfreiheit ist offensichtlich ein sehr gut geschütztes und wird auch dementsprechend in Anspruch genommen.“ Eine Bannmeile rund ums Landhaus gibt es nur bei Plenarsitzungen so wie beim dreitägigen Budgetlandtag, der diese Woche am Dienstag beginnt. An normalen Tagen kann keine Bannmeile gezogen werden - aber die Tore des Landhauses werden verschlossen.

Stelzer selbst hat beim Landessicherheitsrat auch über die Schutzkonzepte für Landeseinrichtungen und Spitäler berichtet: „Es gibt die Schleusen, es gibt Security und auch die Polizei ist in Kontakt mit den Spitälern, auch um da immer wieder Schulungen anzubieten.

Politiker sollen sich in Sprache mäßigen
Und das Fazit des Landeshauptmanns: “Ich kann nur sagen, das Ergebnis aus dem Ganzen ist für mich, dass man sagen muss, wir leben jetzt schon so lange in einer Ausnahmesituation und die Pandemie wird uns leider noch länger begleiten. Da ist es so, dass wir Politiker einfach auch mit unserer Art des Auftretens und mit unserer Wortwahl, wie wir miteinander umgehen, vieles dazu beitragen können, dass wir nicht nur deeskalierend wirken, sondern auch wieder mehr auf eine Stimmung des Miteinanders hinwirken.“ Das sei auch als Appell zu verstehen.
„Krone“-Frage daher: „Also Blut an den Händen und Mist im Kopf sind eher kontraproduktiv?“ Stelzer: „Das kann man so sagen, genau.“

Extremismuskonzept ist für SPÖ veraltet
SPÖ-Chefin Birgit Gerstorfer sagte nach der Sitzung des Landessicherheitsrates, die sie beantragt hatte: „Die Erfahrung aus den vergangenen Wochen zeigt, dass die Demonstrationen der Impfgegner*innen vermehrt von extremistischen Gruppierungen vereinnahmt werden. Extremismus und Gewalt haben in Oberösterreich keinen Platz. Es muss das gemeinsame Ziel sein, extremistischen Gruppen keinen Raum zu geben.“ Es brauche aber nicht nur kurzfristige Maßnahmen sondern einen längerfristigen Plan, um Extremismus entgegenzuwirken. „Zum Beispiel durch Anlauf- und Beratungsstellen sowie Aufklärungsarbeit an den Schulen“, sagt Gerstorfer. Das Handlungskonzept gegen Extremismus wurde letztmalig im Sommer 2019 evaluiert und überarbeitet. Die derzeitigen Entwicklungen waren damals noch nicht absehbar. „Ich fordere daher eine neuerliche Evaluierung und Anpassung des Konzepts besonders im Hinblick auf Beratungs- und Informationsangebote. Den Mitgliedern der radikalisierten Gruppen muss ein Ausstieg, und den Angehörigen und nahestehenden Personen eine Beratung angeboten werden“, so Gerstorfer abschließend.

Wo Protest aufhört und Straftat anfängt
Für die Grünen Landesrat Stefan Kaineder und Klubobmann Severin Mayr geht es bei all dem besonders um „jene, die den Corona-Protest als Plattform der Handgreiflichkeit und Bühne der Agitation missbrauchen“. Kaineder erläutert das so: „Die eigene Meinung kundzutun, ist verankertes Recht. Gewalt und Aggressivität sind es nicht. Wo MedizinerInnen, Medien und PolitikerInnen bedroht, PolizistInnen attackiert werden, hört der Protest auf und fängt die Straftat an. Hier werden Grenzen überschritten. In dieser Situation ist es ganz klar, dass wir gegen Auswüchse abseits des legitimen Protests auftreten müssen.“

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