20.09.2021 06:00 |

Aber kaum „Einhörner“

Heimische Start-ups sind Milliarden wert

Über 500 Millionen Euro - noch nie wurde so viel in österreichische Start-ups investiert. Das Interesse an jungen Firmen wächst. Immer mehr Gründer etablieren sich international.

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Sieht man sich nur die Zahlen an, könnte man meinen, dass die heimische Start-up-Szene nichts von Corona gemerkt hat. 518 Millionen Euro - so viel wurde in einem Halbjahr noch nie in Start-ups investiert. Allerdings tragen vor allem riesige Finanzierungsrunden zu dem Rekord bei (siehe Grafik): 416 Millionen Euro sammelten die Start-ups Go Student und Bitpanda ein, bei Bitpanda kam im Sommer noch eine Runde mit 224 Millionen Euro dazu.

Ohne die beiden Vorzeige-Start-ups hätte es keinen Rekord, sondern einen Rückgang gegeben. Wie der Report von E&Y nämlich ergab, liefen zwar weniger Finanzierungsrunden, dafür mit mehr Kapital. Neun Millionen Euro flossen im Schnitt, auch das Niedrigzinsumfeld trug dazu bei.

„Wir sehen einen positiven Trend“, so Kambis Kohansal Vajargah, Chef des WKO-Start-up-Service. Die Unternehmen werden größer, viele österreichische Firmen etablieren sich immer erfolgreicher. In der Krise habe sich zudem gezeigt, dass die Fähigkeit, sich auf neue Bedingungen einzustellen, wichtig ist. „Start-ups sollten sich stark und schnell anpassen“, so Vajargah. Dadurch, dass sie oft digitale Geschäftsmodelle haben, schlug die Coronakrise auch weniger stark ein. Am meisten gegründet wurde im Gesundheitsbereich, angesichts einer globalen Pandemie nicht verwunderlich.

Mehr wert als internationale Konzerne
Auch Bitpanda und Go Student konnten von Corona profitieren. Beide haben mittlerweile „Unicorn-Status“, sind also über eine Milliarde Dollar wert (siehe Wörterbuch) - und eine Ausnahme in Österreich. Felix Ohswald, Gründer von Online-Nachhilfe-Anbieter Go Student: „Durch die Digitalisierung ist ein Schub entstanden. Heuer konnten wir 175 Millionen Euro von Investoren einsammeln.“

Gründer-Wörterbuch

  • Accelerator: Programm, das die Entwicklung von jungen Start-ups beschleunigen und verbessern soll
  • Business Angel: vermögender Unternehmensexperte, der in Start-ups investiert
  • Crowdfunding: Methode zur Kapitalbeschaffung durch gemeinsame Anstrengungen von Freunden, Familienmitgliedern, Kunden und Einzelinvestoren, die in einen großen Pool zur Finanzierung einzahlen
  • First Mover Advantage: Vorteil, wenn ein Produkt als erstes seiner Art auf den Markt kommt
  • Launch: Einführung eines Produkts oder Beginn eines Start-ups
  • Kickstarter: amerikanische Online-Plattform für Crowdfunding
  • Pitch: kurze Präsentation einer Idee, meist vor Investoren
  • Start-up: kürzlich gegründetes Unternehmen mit einer innovativen Geschäftsidee und hohem Wachstumspotenzial
  • Unicorn: (übersetzt: Einhorn) Start-up, das über eine Milliarde Dollar wert ist
  • Venture-Capital: Gesellschaften beteiligen sich an jungen Unternehmen mit dem Ziel, mit dem investierten Kapital bei Wiederveräußerung der Beteiligung Gewinne zu erzielen (Wagniskapital)

Das Start-up ist mit rund 1,4 Milliarden Euro - ebenso wie Bitpanda - mehr als dreimal so viel wert wie Baukonzern Porr und doppelt so wertvoll wie Gummiriese Semperit. In Zukunft will man „das größte Bildungsunternehmen der Welt werden“, so Ohswald. Für Österreich wünscht er sich mehr hochklassige Bildung, um die besten Köpfe hierherzubringen, das sei auch für den Standort entscheidend.

Bei GoStudent und Bitpanda kommen Geldgeber ausschließlich aus dem Ausland, was nicht nur mit der geringen Größe Österreichs zu tun hat (siehe Interview unten). Was man dagegen tun kann? Vajargah von der WKO: „Es braucht mehr Anreize. Wir fordern eine steuerliche Absetzbarkeit von Investitionen nach Vorbild Großbritanniens oder der Schweiz“.

Was das Umfeld betrifft, hätten Österreich und seine Start-ups viel Potenzial. Das zeigt ein Vergleich mit 2019: Damals wurden im ganzen Jahr 183 Millionen Euro investiert, heuer mehr als das 2,5-Fache alleine im ersten Halbjahr. Europaweit sind wir auf Platz 16, im Musterland Großbritannien flossen 2020 bei Deals 13,9 Milliarden Euro.

„Meistes Kapital aus dem Ausland“
Bitpanda-Chef Paul Klanschek erklärt, dass viel Kapital für junge Firmen nicht aus Österreich kommt.

„Krone“: Ihr Start-up Bitpanda gehört zu den erfolgreichsten Österreichs. Doch auch bei Ihrer Finanzierung waren fast nur ausländische Investoren dabei. Warum ist das so?
Paul Klanschek: Bei großen Investmentrunden sind es nur noch ausländische Investoren, weil das in Österreich niemand macht.

Das Kapital kommt zu 90% aus dem Ausland.
Ja, Österreich ist kein sehr Kapitalmarkt-affines Land. Die Gewinne, die dann europäische oder amerikanische Investoren mit Start-ups machen, bleiben dann auch nicht direkt hier.

Unsere Start-ups sind dafür überall erfolgreich.
Ja, auch wir verdoppeln uns jährlich und sind bereits mehr als eine Milliarde wert.

Wie Gründer mit Firmen Erfolg haben
Als Mitgründerin von FlyNowAviation und erfahrene Start-up-Investorin gibt Yvonne Winter Gründern Tipps:

  • Sehr wichtig ist der „Business Case“, das Produkt muss gut sein und für Kunden interessant.
  • Alles steht und fällt mit einem starken Team, nur so kann man Erfolg haben.
  • „Auch der richtige Zeitpunkt spielt eine Rolle“, so Winter. Das Produkt sollte zur rechten Zeit kommen.
  • Wer erfolgreich sein will, muss sein Marktumfeld kennen, sonst passieren rasch Fehler.
  • Schließlich kommt man kaum ohne finanziellen Background aus. „Wer schon woanders am Tropf hängt, wird sich schwerer tun“, so Expertin Winter.
Peter Stadlmüller
Peter Stadlmüller
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