Generation Corona

Matura im Lockdown: „Vielen ging es schlecht“

Österreich
16.04.2021 18:32

Matura und Studium während Corona: Wie geht es eigentlich den Jugendlichen, die nur noch zu Hause vor dem Computer sitzen und kaum noch Kontakt mit Klassenkameraden und Professoren haben? Hat Digital Learning auch Vorteile oder überfordert Homeschooling die Schüler? krone.tv begleitete Fabian, Melissa und Flora und sprach mit einer Studienbetreuerin sowie einem Jugendexperten.

Sein Tag beginnt meist mit einer Zoom-Konferenz, dazwischen erledigt Fabian W. seine Hausaufgaben - eine Alternative zu Schulprüfungen. „Es kann anstrengend sein, den ganzen Tag vor dem Computer zu sitzen“, meint der 18-Jährige. Nicht nur der Lehrplan erfolgt digital: „Mit den Freunden kommuniziert man ja auch nur über den Computer.“ Nicht immer funktionieren die Live-Streams, Verbindungen werden unterbrochen - verspätet sich eine Unterrichtseinheit, ist Pünktlichkeit bei der nächsten so eine Sache. „Nicht immer klappt das mit der Technik.“ Die Situation erfordert großen Einsatz von den Schülern: „Man muss sich viel mit dem Stoff selbst beschäftigen. Ich bin einer, der halt nicht viel von den Online-Kursen mitnehmen kann, deshalb sehe ich mir danach alles noch einmal an.“ Mehr als die Hälfte des Abschlussjahres war Fabian im Distance Learning. An die Maske im Klassenzimmer gewöhne man sich schnell, sagt er.

Vielen Freunden „ging es mental eine lange Zeit schlecht“
Melissa S. ist mit einer Freundin zum Spaziergehen verabredet. Ihr sind Aufgaben lieber als Schularbeiten. „Es kommt auf die Person an.“ Für ihre Klassenfreundin Flora M. ist der „soziale Faktor“ beim Lernen wichtig. „Corona hat mit März begonnen, da waren wir in der siebenten Klasse. Da dachten wir uns, sind wir halt drei Wochen im Lockdown, wir holen das Feiern nach. Jetzt, ein Jahr später, denken wir uns, mit dem Nachfeiern wird’s weniger was.“ Einigen Freunden von Melissa „ging es mental eine lange Zeit schlecht.“ Und: „Manche Lehrer sagen, „blöd gelaufen, ich brauch die Aufgaben trotzdem - damit du die Note bekommst“, was ja berechtigt ist. Aber gleichzeitig müssen so viele Jugendliche gerade mit einer mentalen Belastung fertigwerden.“

Hoffen auf Maturareise: „Maturaball können wir schon vergessen“
Auch alles, was zur Matura gehört, schwankt. „Auf die Maturareise hoffen wir, Maturaball können wir schon vergessen. Aber wir haben eine Gala!“ lacht Melissa. „Stimmt“, erwidert Flora, „wir haben eine Gala, wo wir alle sitzen dürfen, und vielleicht auch atmen - ohne Maske“, scherzt Flora. „Wir nehmen uns jede Freiheit, die gesetzlich erlaubt ist, damit wir unser Maturajahr wie jede andere Klasse vor uns auch haben.“ Im Mai wird Melissa 18. „Ich glaube, im Mai wird der Geburtstag nicht gefeiert, oder mit einer kleinen Gruppe, so es erlaubt ist. Für viele ist es schlimm, wenn sie ihren 18. Geburtstag nicht feiern können.“ Das geplante Auslandsjahr bei beiden ist ebenfalls unwahrscheinlich.

Flora wollte nach China, Melissa nach Japan. „Jetzt werde ich ein weiteres Jahr vorm Computer sitzen und einfach nur neue Gesichter haben vor der Linse.“ „Immerhin“, lacht Melissa. Auch die Wahl des Studiums ist von der Corona-Krise geprägt. Der Wunsch nach Stabilität überwiegt persönliches Interesse. „Davor dachte man sich, ich studiere das, was mich interessiert, durch Corona ist einem bewusst geworden, dass man etwas studieren sollte, mit dem man einen fixen Job bekommt, ein fixes Einkommen. Und falls es je wieder zu einer Pandemie kommt, einen Corona-sicheren Job. Da muss man sich mehr fokussieren bei der Auswahl des Studiums.“

Erstsemestrige Studierende haben es auf der Uni besonders schwer 
Dr. Renate Csellich-Russo bereitet gerade eine Videokonferenz für ihre Studierenden vor. Sie ist Lektorin und Studienbetreuerin. Für manche Studierende, die gerade begonnen haben, stellt sich die Frage: „Wie kann ich in Kontakt mit anderen treten?“ Wenn das nur durch ein technisches System passiere, wo sie sich zwar sehen, aber nicht direkt miteinander interagieren können, sei das für Studierende viel schwieriger. Auch für Lehrer und Lektoren heißen Videokonferenzen: mehr Aufmerksamkeit beim Unterrichten. „Für mich ist es essenziell, dass ich Personen sehe. Ich kann sehen, ob sie müde sind, ob sie das Thema nicht interessiert, ob ich irgendeinen Blödsinn gefragt habe, weil ich vielleicht unverständlich formuliert habe.“

Einige Studenten an Hilfestellen weitergeleitet 
Diese menschlichen Feinheiten sind über einzelne Bilder nicht immer einfach zu erfassen. „Ich als Lehrende muss schauen, dass ich in eine Zeiteinheit nur das hineinpacke, was möglich ist. Weil überziehen heißt für die Jugendlichen zum Teil von einer Vorlesung zur anderen zu hetzen und wenn wir Studenten haben, die von 8 Uhr in der Früh bis 18 Uhr am Abend vorm Computer sitzen, ist das eine Riesen-Herausforderung für sie.“ Was die Krise mit sich gebracht hat? „Ich kann jetzt viele technischen Features nützen und die Vorbereitung ist intensiver.“ Mit ihrem guten Kontakt zu den Studierenden, den sie über Chat-Gruppen hält, kann Csellich-Russo auch Hilfe anbieten, wenn Studenten depressiv oder isoliert sind. „Man muss mit ihnen ins Gespräch kommen und sie an die entsprechenden Stellen weiterleiten.“

Probleme abhängig von Quadratmetern
„Meine nüchterne Analyse wäre, dass es ihnen nicht schlecht geht, dass Jugendliche es teilweise auch genossen haben, weil sie der Schule ein bisschen entkommen sind. Und mehr Zeit für sich gehabt haben.“ So fasst Bernhard Heinzlmaier den Einfluss der Pandemie auf Jugendliche zusammen. Er ist Jugendkulturforscher und Vorstand des Instituts für Jugendkulturforschung in Wien. Aber die Abwesenheit der Freunde sei problematisch: „Freunde brauchen die für ihre psychosoziale Entwicklung, als wichtige Stütze im Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen. Wenn das wegfällt, hat das unangenehme Folgen.“

Problematisch sei auch, dass sie wieder zurück in die Familie gedrückt werden, jeden Tag mit der Familie am Tisch sitzen müssen und der Elternkontrolle wieder unterworfen sind. „Verstärkt wird das Ganze dadurch, wenn man auf sehr knappem Wohnraum lebt. Das heißt: vier Menschen auf 200 Quadratmetern - kein Problem; vier Menschen auf 65 Quadratmetern - sehr großes Problem.“ Eine Erkenntnis sei auch, dass die Onlinewelt nicht alles ist und auch nicht reicht. „Die Jugendlichen haben gesehen, dass das Digitale ein Bereich des Lebens ist und nicht fürs Ganze steht und dass der unmittelbare Kontakt wichtig ist. Ich glaube, das ist eine wichtige Lehre und kann für den weiteren Lebensverlauf durchaus positiv sein“, so der Jugendexperte.

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