Eine alte Kulturlandschaft mit besonderem Flair sind „die Böden“ in Innerbraz. Wer auf dem Lehrpfad wandelt, kann viel Interessantes erfahren und fantastische Ausblicke genießen.
Der Klostertaler Gletscher füllte im Eiszeitalter sein Tal fast zur Gänze aus. Im Zuge der Abschmelzung sind an den Talflanken mancherorts sanfte Geländeformen an eingesunkenen Gletscherrändern entstanden. Diese Gebiete wurden später zu begehrten Rodungsflächen, auf denen infolge der landwirtschaftlichen Nutzung einmähdige Wiesen entstanden. Heute stellen diese ein ökologisches Kleinod dar und stehen seit 1991 unter Schutz. Auf „den Böden“, wie die Flächen in Innerbraz genannt werden, gedeiht ab dem Frühsommer eine Vielfalt an Alpblumen. Die Bergwiesen werden ohne Düngung und Beweidung erhalten und dürfen nur einmal jährlich gemäht werden. Noch liegen Flecken festgefrorenen Schnees auf den sanften Wiesenhängen. Doch Sonne und Föhnwind nagen unaufhaltsam am Eis. Hie und da recken auch schon die ersten Blumen ihre farbenfrohen Köpfe dem Himmel entgegen.
Die ersten blühenden „Futterstellen“
Dazu gehört unter anderem der Huflattich, der lange bevor er Blätter entfaltet, seine gelben Blüten öffnet und so eine der ersten Anlaufstellen für hungrige Insekten ist. Das ausdauernde Pflänzchen treibt aus einem Wurzelstock mit kriechenden, bis zu zwei Meter langen unterirdischen Wurzelausläufern. Die Blütezeit erstreckt sich von Februar bis April. Der Huflattich dient gleich mehreren gefährdeten Schmetterlingsarten als Futterpflanze und ist eine wichtige Heilpflanze in der Naturmedizin, wo er zu den Hustenmitteln zählt. Schon die berühmte Heilige und Universalgelehrte Hildegard von Bingen (1098- 1179) weist in ihren Werken auf die Heilkraft des Huflattichs bei Erkrankungen der Atmungsorgane hin.
Entlang des Brazer Lehrwanderweges kann man bis zum Masonwasserfall wandern und erfährt unterwegs viel Interessantes zu Natur und Geologie des Klostertals. Vom Gasthaus Traube in Braz (ca. 708 m) geht es ein kurzes Stück taleinwärts, bevor man auf den Kreuzweg abbiegt. Diesem folgt der Wanderer, nimmt die Unterführung unter der Bahnlinie hindurch und gelangt so auf den Mühlekreisweg. Hier wird die Brücke über den Mühlebach gequert und man marschiert auf dem Lötscherweg an Wohnhäusern und Höfen vorbei bergan bis auf die Böden (980 m).
In großzügigen Serpentinen windet sich in diesem Gebiet die Forststraße bis zum Masonwasserfall (1180 m), der derzeit nicht gequert werden kann: Die Brücke muss erst erneuert werden, im Winter ist der Bereich ums Bachtobel lawinengefährdet. Einen beeindruckenden Ausblick erhält der Wanderer dennoch. Das Wasser stürzt über 80 Meter eine steile Felswand hinab.
Schwerer Zugunfall nach Murenabgang
Der Wasserfall wird von der Masonbachquelle gespeist, die auf der Masonalpe entspringt. Am 11. August 1995 gelangten die Ortschaft Innerbraz und der Masonbach in die überregionalen Schlagzeilen. Heftige Gewitter hatten im Bereich des Baches einen Murenabgang ausgelöst. Von diesem wurde die Eisenbahnbrücke mitgerissen. Trotz Schnellbremsung entgleiste der von Wien Westbahnhof kommende IC 566. Die Lokomotive und drei Personenwagen stürzten ins Bett des Masonbaches. Drei Menschen verloren bei dem Unglück ihr Leben, die Bahnstrecke blieb drei Wochen lang gesperrt. Mit der Eröffnung der Arlbergbahn 1884 setzte eine intensive Schutzbautätigkeit im Klostertal ein, die bis heute anhält. Dennoch sind die Naturgewalten nicht immer aufzuhalten.
Das Naturschauspiel Masonwasserfall
In früheren Jahrhunderten waren die Menschen diesen Gefahren allerdings in wesentlich stärkerem Ausmaß ausgeliefert. Zuflucht suchten sie in der Frömmigkeit, wovon die rund 30 Kirchen und Kapellen des Tales Zeugnis ablegen.
Nach einem Blick auf das Naturschauspiel Masonwasserfall geht es für den Ausflügler denselben Weg wieder retour. Bänke an sonnigen Plätzchen laden zu einer kurzen Rast ein. Dabei lässt sich ein herrlicher Ausblick auf die Lechtaler Alpen, das Massiv des Davenna-Stockes und das Verwallgebirge genießen.
Den Zauber der sanften Landschaft auf den Böden versuchte auch der Brazer Dichters Lothar F. Friedetzky einzufangen: „Hinter meinem Rücken sind die Bergwiesen. Hie und da hört man von dort einen feinen, singenden Ton, wenn ein einsamer Mäher seine Sense wetzt. Onkel Martin sagte immer, dass auf seiner Wiese Gott schläft. Da er doch müde ist vom Regieren“ (aus „Fische können nicht weinen“, 1969). Selbst der Name „Braz“ dürfte ursprünglich vom Lateinischen „prates“ für Wiese abstammen.
Interessant ist, dass Außerbraz ein Ortsteil von Bludenz ist, während Innerbraz eine eigene Gemeinde ist. Gemeinsam bilden beide Ortschaften die vereins- und kirchenkulturelle Einheit Braz.
Typ: moderate Wanderung
Dauer: rund 4 - 4.5 Stunden
Höhenmeter: ca. 450 m
Startpunkt: Hotel Traube, Innerbraz
Ausrüstung: Schuhe mit guter Profilsohle, eventuell Stöcke, Sonnenschutz, Getränk
Öffentl. Verkehrsmittel: Buslinie 90 von Bludenz hält direkt beim Hotel Traube (www.vmobil.at)
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