Nachdem der Verfassungsgerichtshof vergangene Woche das Kopftuchverbot für Volksschülerinnen gekippt hatte, schlossen die Grünen einen neuen Anlauf für ein solches Gesetz aus. Das ist tragisch wie falsch. Denn das Hinnehmen ist ein Verrat an allen Bestrebungen der Geschlechtergleichstellung.
Natürlich kann man es sich einfach machen und sich dem gefällten Urteil vom Verfassungsgerichtshof, wonach das Kopftuchverbot eine Religion selektiv herausgreifen würde, anstandslos beugen. Man könnte aber auch kreativ werden und einen neuen Anlauf samt verbessertem Gesetzestext starten. Dazu müsste einem der Kampf gegen Frauenunterdrückung allerdings ein ernsthaftes Anliegen sein. Ist es aber den Grünen offenbar nicht.
Reaktionäre Fanatiker werden sich nicht beeindrucken lassen
Anders ist es nicht zu erklären, warum man sich mit dem Urteil zufriedengibt. Auch die Ankündigung der Klubobfrau Sigrid Maurer, das „Ziel, Mädchen in ihrer Selbstbestimmung zu bestärken“ nun „mit anderen Maßnahmen“ verfolgen zu wollen, ist mehr lieb gemeint als ein wirksames Statement. Reaktionäre Fanatiker, die glauben, ihrem Kind ein Kopftuch aufzwingen zu müssen, werden sich durch eine weitere nette Aufklärungskampagne wohl kaum beeindrucken lassen. So viel Realismus muss sein.
Religionsfreiheit steht über der Geschlechtergleichheit
Und bei allem Respekt dem Verfassungsgerichtshof gegenüber: auch das Urteil an sich ist zu kritisieren. Wenn argumentiert wird, dass die Regelung eine bestimmte Religion, nämlich den Islam, herausgreift, mag das zwar stimmen, aber die Entscheidung stellt das Gebot der Religionsfreiheit über den Gleichheitssatz der Geschlechter. Es ist zum Haare raufen, dass der Kopftuchzwang kleiner Mädchen durch die Gleichbehandlung aller Religionen legitimiert wird. Das ist eine bittere Pille.
Kinder werden durch Kopftuch sexualisiert
Besonders absurd wird es dann, wenn man bedenkt, dass das Kopftuch in seiner ursprünglichen Bedeutung ja die weiblichen Reize vor den grundlüsternen Männern verhüllen soll. Das Kopftuch bei Kindern hat damit nichts mit einer freien Religionsausübung zu tun, sondern rein mit der Sexualisierung von Kindern durch fundamentalistische Eltern. Und da muss sich eine stolze, weltoffene Demokratie wie die unsrige entschlossen entgegenstellen dürfen.
Brauchen wir überhaupt religiöse Symbole in der Schule? Wenn der Urteilsspruch lautet, dass keine Religion selektiv herausgenommen werden darf, muss man vielleicht einen Schritt weiter gehen und darüber diskutieren, ob es generell starke, religiöse Symbole in Österreichs Schulen noch braucht. Gerade in Zeiten, in denen die Welt ohnehin neu geordnet wird, wäre das vielleicht auch infrage zu stellen. Und verfassungskonform wäre es auch.
Katia Wagner, krone.at
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