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Was die US-Wahl heuer so außergewöhnlich macht

Ausland
03.11.2020 13:15

Die US-Präsidentschaftswahl verspricht heuer ganz besonders spannend zu werden. Der demokratische Herausforderer Joe Biden liegt in Umfragen deutlich vor dem amtierenden US-Präsidenten Donald Trump - doch dieser konnte zuletzt in mehreren entscheidenden Bundesstaaten aufholen. Was die Wahl heuer außergewöhnlich macht und wie das System genau funktioniert, lesen Sie hier.

Das US-amerikanische Wahlsystem unterscheidet sich deutlich von unserem: Denn der US-Präsident wird nicht von den Bürgern direkt gewählt, sondern durch Wahlfrauen und -männer. Es gibt 538 dieser Elektoren, die einzig und allein für das Votum ausgewählt werden, für einen Sieg braucht es 270 dieser Stimmen. Erreicht ein Kandidat die einfache Mehrheit in einem Bundesstaat, darf dessen Partei sämtliche Wahlfrauen und -männer, die dort zugeteilt sind, entsenden. Ganz unter dem Prinzip: „The Winner takes it all“ (Der Gewinner bekommt alles). Die Elektoren sind an den Volkswillen gebunden, daher ist es nur eine Formalität, wenn sich die Wahlfrauen und -männer nach der Wahl treffen, um formell abzustimmen. Die Stimmen, die der unterlegene Kandidat erzielte, bleiben ohne Gewicht. Es kann aber durchaus vorkommen, dass einzelne Elektoren einen anderen Namen auf ihren Stimmzettel schreiben, als sie sollten. Bislang hatten diese „Rebellen“ allerdings noch nie eine Auswirkung auf das Wahlergebnis.

Kandidaten kämpfen vor allem in Swing States um Stimmen
Die Präsidentschaftskandidaten buhlen vor der Wahl besonders um die Gunst der Bürger in den sogenannten Swing States - so werden jene Bundesstaaten bezeichnet, die weder traditionell demokratisch noch republikanisch wählen. In den anderen Bundesstaaten ist der Wahlausgang vorhersehbar. Untenstehende Karte zeigt, wo sich die Wähler eher für Biden (blau) oder eher für Trump (rot) entscheiden. Je dunkler die Farbe, desto wahrscheinlicher ist die Entscheidung für den jeweiligen Kandidaten. Als Wechselwählerstaaten (graubraun) gelten beispielsweise Florida, Ohio oder Georgia.

Wegen seines Bevölkerungsreichtums kommt Florida eine besondere Bedeutung zu. 2016 konnte Trump hier einen Sieg verbuchen. In einer aktuellen Umfrage von Reuters/Ipsos hat allerdings Biden in diesem wichtigen Staat die Nase vorn.

Anzahl der Briefwahlstimmen verdoppelte sich
Außergewöhnlich ist heuer auch der Anteil an Briefwahlstimmen, der aufgrund der Corona-Pandemie einen Rekordwert erreicht hatte. Waren es bei der letzten Wahl noch knapp ein Viertel der Wähler, die so ihre Stimme abgegeben hatten, soll es dieses Jahr rund die Hälfte sein. Viele Bürger wollen vermeiden, vor den Wahllokalen in der Schlange zu stehen und so eine Infektion mit dem Coronavirus zu riskieren. Dieses Wahlverhalten hat jedoch auch Nachteile: Viele Staaten akzeptieren auch Stimmen, die nach dem Wahltag eintreffen, wenn der Poststempel dieses Datum zeigt, was das Ergebnis verzögert. Außerdem müssen auch Unterschriften verglichen werden, was zusätzlich Zeit kostet.

Der amtierende Präsident wettert seit Monaten gegen die Briefwahl - er witterte Möglichkeiten zu Wahlbetrug und teilte seine Bedenken auf seinem Lieblingssprachrohr Twitter. Die Plattform unterzog einen dementsprechenden Tweet einem Faktencheck und stellte dem Posting ein schlechtes Zeugnis aus. Die Republikaner wehrten sich gegen eine Ausweitung der Briefwahl, weil sie befürchteten, dass davon die gegnerische Partei profitieren könnte. Trump prophezeite außerdem, dass „schlimme Dinge“ passieren könnten, wenn am Wahltag kein Sieger bekannt gegeben werden könne. Er sieht ein „Chaos“ auf die USA zukommen. In Washington traf man bereits Vorkehrungen. Aus Angst vor Ausschreitungen und Plünderungen verbarrikadierten zahlreiche Geschäfte, Banken und Lokale ihre Schaufenster.

Frauen wenden sich von Trump ab
Die Wählerinnen scheinen vom amtierenden Präsidenten, der in der Vergangenheit durch sexistische und frauenverachtende Kommentare und dementsprechendes Verhalten auffiel, die Nase voll zu haben. Umfragen zeigen, dass Frauen mit mehr als 20 Prozentpunkten Unterschied Biden bevorzugen. Es zeichnet sich damit der größte Geschlechterunterschied in der Geschichte bei einer Präsidentschaftswahl in den USA ab. Die #MeToo-Kampagne, die Bewusstsein für sexuelle Übergriffe gegen Frauen in Beruf und Alltag schaffte, könnte entscheidend zu dieser Entwicklung beigetragen haben.

Verschwörungstheoretiker verehren den amtierenden Präsidenten
Während Trump die Gunst weiblicher Wähler verliert, bekam er Unterstützung von einer anderen Gruppe, von der er sich - obwohl sie höchst umstrittenen ist - nie distanzierte. Die rechten Verschwörungstheoretiker der Bewegung QAnon sehen in Trump einen Ritter, der imstande ist, die USA vor einer abstrusen Gefahr zu schützen. Die vom FBI als terroristische Bedrohung eingestufte Gruppierung glaubt, dass mächtige Linke und Reiche Kinderschänder sind, die aus dem Blut von Buben und Mädchen eine Verjüngungsdroge gewinne. Trotz dieser abenteuerlichen Theorien konnte die Bewegung in den vergangenen Monaten zahlreiche Anhänger gewinnen.

Rächt sich der „Rust Belt“ wegen leerer Versprechungen an Trump?
Mit großem Interesse wird auch verfolgt, wie sich die Wähler im sogenannten Rust Belt im Nordosten des Landes bei der Abstimmung verhalten. Im Jahr 2016 hatte Trump im „Rostgürtel“, der ältesten und größten Industrieregion der USA, noch große Erfolge verzeichnen können. Er versprach kurz nach Amtsübernahme einen Aufschwung und dass es viele neue, gut bezahlte Jobs in der Region geben werde. Doch viele seiner enthusiastischen Zusagen erwiesen sich als unhaltbar, was eine Gegenbewegung in Gang setzte. Von den Staaten im „Rust Belt“ wird vor allem die Entwicklung in Ohio verfolgt - denn noch nie in der Geschichte des Landes konnte sich ein Republikaner bei der Präsidentenwahl durchsetzen, ohne in diesem Bundesstaat zu gewinnen. Dieser spiegelte stets zuverlässig die Meinung im ganzen Land wider.

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