Gastro-Boss Pansi:

„Wir sind ein Teil der Lösung, nicht das Problem!“

Vorarlberg
24.10.2020 10:30

Sperrstunde, Abstandsregeln, abgesagte Weihnachtsfeiern und kein Rückhalt durch die Politik: In der Gastronomie geht es ums nackte Überleben. WKV-Spartenobmann und Koch Mike Pansi berichtet über die Situation.

Herr Pansi, wie ist die Stimmung in den Betrieben?

Nicht gut. In den unzähligen Gesprächen, die ich momentan führe, ist sehr viel Verzweiflung herauszuhören. Das sind Betriebe, die über Jahre und Generationen aufgebaut wurden und jetzt vor dem Aus stehen. Genauso geht es bei den Junggastronomen um Alles. Und zwar nicht nur um den Betrieb an sich, sondern auch um die Mitarbeiter - mit Familien wohlgemerkt. Ich weiß, wie es ihnen geht, denn bei mir schaut die Situation nicht anders aus. Wir arbeiten Tag und Nacht und sind doch nur mehr Gäste im eigenen Haus. Wir müssen uns an Restriktionen halten, die sich mitunter täglich ändern, sodass wir nur noch reagieren, aber nicht mehr langfristig planen können. Und das, obwohl wir eigentlich Teil der Lösung wären und nicht das Problem.

Wie meinen Sie das?

Restriktionen wie die Sperrstunde um 22 Uhr fördern den Missmut und führen dazu, dass die Menschen, unsere Gäste, dagegen aufbegehren und die Feiern in den privaten Bereich verlagern. Die Gastronomie kann jedoch durch Abstandsregelungen, Mund-Nasen-Schutz, Hygienemaßnahmen und von mir aus auch durch eine vernünftige, datenschutzkonforme Registrierung für einen geordneten Ablauf sorgen und tut das auch. Doch anstatt uns zu Partnern im Kampf gegen die Verbreitung des Virus zu machen, entzieht uns die Politik mit der Sperrstunde die Geschäftsgrundlage.

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Wir müssen uns an Restriktionen halten, die sich mitunter täglich ändern, sodass wir nur noch reagieren, aber nicht mehr langfristig planen können. Dabei wären wir eigentlich Teil der Lösung.

Mike Pansi

Manch einer wird nun argumentieren, dass man um 22 Uhr vielerorts ohnehin nichts mehr zu essen bekommt...

Und das mag auch sein. Allerdings geht es hier um Betriebsabläufe. Durch die Abstandsregeln haben wir sowieso schon weniger Tische als zuvor. Das heißt: Bereits ohne die Sperrstunde haben wir nicht mehr die Durchläufe, die wir brauchen, um auf einen rentablen Schnitt zu kommen. Durch die Vorverlegung der Sperrstunde können die wenigen Tische an einem Abend nicht mehr zwei Mal belegt werden. Müssen wir um 22 Uhr zusperren, kommt um 19.30 Uhr niemand mehr - gerade unter der Woche können viele Menschen früher gar nicht kommen. Und ein 5-gängiges Menü bekomme ich in der Zeit gar nicht durch. Oder sagen wir so: Man kann’s durchdrücken, dann geht aber jegliche Atmosphäre verloren. Und das ist der zweite und in meinen Augen wesentliche Punkt: Wir verkaufen nicht nur Essen. Wir verkaufen Lebensfreude, Stimmung, Ambiente. Jede Stunde würde uns etwas bringen. Leider aber wurden unsere Argumente vom Land nicht gehört.

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Wir verkaufen nicht nur Essen. Wir verkaufen Lebensfreude, Stimmung, Ambiente. Jede Stunde würde uns etwas bringen. Leider aber wurden unsere Argumente vom Land nicht gehört.

Mike Pansi

Und das, obwohl die Fachgruppen Gastronomie und Hotellerie Anfang Oktober Tourismuslandesrat Christian Gantner ein Forderungspapier übergeben haben, in dem unter anderem verlangt wurde, dass man sich mit den beiden Branchen berät...

Stimmt. Und ich muss zugeben, dass wir daraufhin auch miteinbezogen wurden. Beim Sperrstundenthema hat sich allerdings einmal mehr gezeigt, dass unsere Expertise eben doch nicht berücksichtigt wird. Fakt ist: Wir haben seit Ende September die Sperrstunde, und trotzdem steigen die Infektionszahlen. Hier wird eine ganze Branche für Zahlen bestraft, für die wir nicht verantwortlich sind - mal abgesehen von den bekannten Hotspots. Manchmal frage ich mich, warum man uns nicht einfach gleich den Todesstoß versetzt, statt uns auf Raten sterben zu lassen.

Sie können nicht wirklich wollen, dass die Betriebe komplett zusperren?

Natürlich nicht. Kein Gastronom möchte das. Aber es geht mittlerweile bei fast allen ums nackte Überleben. Seit dem Frühjahr wurden Unsummen in Hygienemaßnahmen gesteckt. Dabei waren wir vorher schon eine hygienische Branche - ein paar wenige schwarze Schafe ausgenommen. Wir wollen unsere Gäste nicht nur kulinarisch verwöhnen, sondern ihnen auch eine gute und sichere Zeit bereiten.

Apropos Sicherheit: Seit September können Gastronomiebetriebe ihre Mitarbeiter auf Kosten des Bundes einmal pro Woche testen lassen. Wird dieses Angebot angenommen? Und ist das sinnvoll? Immerhin fordert Sie ja auch, die Strategie des intensiven Testens zu überdenken...

Die Sinnhaftigkeit der Massentestungen gehört sicherlich neu evaluiert. Tatsache aber ist: Das Testen der Mitarbeiter ist ein Angebot, mit dem wir ein Zeichen setzen wollen. Wobei mir viele Gastronomen erzählen, dass sie nicht schlafen können, bis sie die Ergebnisse haben. Im schlimmsten Fall müssten sie den gesamten Betrieb schließen. Das ist eine zusätzliche psychische Belastung - neben all dem Druck, dem wir derzeit ohnehin schon ausgesetzt sind. Übrigens: Seit September gab es über 25.000 Testungen in rund 480 Betrieben. Mitte Oktober waren neun davon positiv. Auf eine Anfrage diese Woche hat man mir hinsichtlich der positiv Getesteten keine Auskunft mehr erteilt. Mehr muss dazu wohl nicht mehr gesagt werden.

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Es bräuchte eine eigenständige Vorarlberger Positionierung. Warum orientieren wir uns an Tirol und Salzburg, statt in die Schweiz, nach Liechtenstein oder Bayern zu schauen?

Mike Pansi

Stellt sich die Frage: Wie wird der Winter? Sollen wir am bestens gleich die Fastenzeit einläuten?

Wirtschaftlich betrachtet, müssten wir jede Feier annehmen - so denn überhaupt Anfragen hereinkommen sollten. Weihnachtsfeiern werden durch die Bank abgesagt - und sollte die Politik ihrer Linie treu bleiben, fällt auch der Fasching flach.

Was wünschen Sie sich denn von der Politik?

Wir brauchen Politiker mit Weitblick, die der Gastronomie und Hotellerie den Rücken stärken und Zuversicht streuen, statt Ängste zu schüren. Außerdem bräuchte es eine eigenständige Vorarlberger Positionierung. Warum orientieren wir uns an Tirol und Salzburg, statt in die Schweiz, nach Liechtenstein oder Bayern zu schauen? Diese Länder sind uns wesentlich näher. Wir sind ein Tourismusland und wissen aus unzähligen Befragungen, dass die Gäste nicht nur wegen der Natur kommen, sondern auch wegen der Kulinarik und Gastfreundschaft. Das alles wird derzeit massiv beschnitten. Und wenn es so weitergeht, wird es bald keine Wirtshäuser und Restaurants mehr geben. Dann wird es sehr dunkel in unseren Gemeinden.

Zur Person:

Mike P. Pansi (1979) ist Eigentümer und Küchenchef der Kochmeisterei & Streetcuisine Foodtruck in Hohenems. Der Global Master Chef (staatlich dipl. Küchenmeister), Bachelor Professional of Cookery and Kitchen Management (CCI) und Biersommelier war 2014 Koch der Köche, ist Präsident des Verbandes der Köche Österreichs und seit knapp zwei Monaten Obmann der Fachgruppe Gastronomie der Wirtschaftskammer Vorarlberg.

Christiane Mähr

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