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KW 28 - die wichtigsten Neuerscheinungen der Woche

Musik
11.07.2020 06:00

Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei!

(Bild: kmm)

Amigos - Tausend Träume
Die Krise muss erst erfunden werden, die die Amigos aufhält. Der Rezensent denkt etwa zurück an das Sonntagnachmittagskonzert im der Wiener Stadthalle F, als Bernd das erste Mal überhaupt ohne Bruderherz Karl-Heinz auftreten musste. Alles kein Problem, souveräne Show. Im Jahrestakt veröffentlichen die Schlager-Könige aus Deutschland neue Alben und würzen ihre im üblichen Genre-Bereich verhafteten Texte von Liebe, Lust und Zweisamkeit auch gerne mit Sozialkritik. Was noch immer viel zu wenige Leute wissen: die Amigos setzen sich zeitintensiv und vehement gegen Kinderpornografie ein und haben sich schon dadurch vom Gros des Mitbewerbs hervor. „Tausend Träume“ ist im Direktvergleich zum Vorgänger „Babylon“ etwas weniger Disco-lastig, aber dennoch zeitgemäß und für alle Generationen fassbar. Weiter so! 7,5/10 Kronen

Julianna Barwick - Healing Is A Miracle
Wir alle wissen: die Welt braucht Heilung. Und eine Heilung ist im aktuell fortgeschrittenen Stadion schon eine Art Wunder. Darauf spielt mehr oder weniger lose auch die US-Klangkünstlerin Julianna Barwick an, die sich für „Healing Is A Miracle“, ohne eine EP aus 2019 gerechnet, gleich vier Jahre Zeit ließ. Für ihren Einstand am Indie-Label Ninja Tune zog sie vom kühlen New York ins sonnige Los Angeles, versuchte ihr Ambient-Songs mit elektronischen Loops zugänglicher und wärmer zu machen und kooperierte auch verstärkt. Etwa mit Sigur Ros‘ Jónsi im betörenden „In The Light“ oder Mary Lattimore auf dem einnehmenden „Oh, Memory“. Ein Album, wie ein Herzschlag der Natur. Am besten alleine auf einer Almwiese genießen, und den Blättern im Wind zusehen. 7,5/10 Kronen

Mr. Ben & The Bens - Life Drawing
Mr. Ben & The Bens ist schon als Bandname ziemlich speziell, doch Frontmann Ben Hall hat vor allem ein sehr spezielles Vorstellungsvermögen. Auf dem 2019er-Album „Who Knows Jenny Jones?“ erzählte er das Konzept einer jungen Frau, die von Aliens entführt wurde und mit ganz besonderen Disco-Tanz-Skills auf die Erde zurückkehrt. Den Nachfolger „Life Drawing“ hat der Sheffielder nun noch umfassender gedeihen lassen. Die zwölf Songs erzählen jeweils ein Narrativ einer fiktiven Person aus unterschiedlichen Gebieten Englands. „Beast In The House“ etwa handelt von einer in der Gemeinschaft geächteten Person, die sich einer Hexenjagd gegenübersieht. Verpackt wird all das in warmen, sehr luftigen Indie-Folk, der wenig mit Rock, aber viel mehr mit Pop zu tun hat. Diesen verrückten Haufen muss man einfach mögen. 7/10 Kronen

The Beths - Jump Rope Grazers
Wer behauptet, Indie-Musik wäre tot oder sämtlichen Trends erlegen? Okay, zweiteres ist durchaus möglich, aber einem bestimmten Trend wollen The Beths sicher nicht folgen. Aus dem fernen Neuseeland stammt die Combo, die vor zwei Jahren mit „Future Me Hates Me“ ein mehr als amtliches Debütalbum vorgelegt haben und mit „Jump Rope Grazers“ nun endlich den fälligen Nachfolger vorlegen. Die Stärken des Quartetts liegen klar auf der Hand: einerseits die sanfte, in den richtigen Phasen aber auch eruptive Stimme von Frontfrau Elizabeth Stokes, andererseits ohrwurmträchtige Hooks und Melodien in Songs wie „Don’t Go Away“ oder „Do You Want Me Now“, für die andere Bands wohl töten würden. Stokes’s Storytelling erinnert an Courtney Barnett, nur die Instrumentierung ist lebensbejahender und fürchtet sich nicht davor, in die 90er einzutauchen. Macht wirklich Spaß und unterhält besser als anfangs gedacht. 7,5/10 Kronen

Bloody Heels - Ignite The Sky
Aus Valts Berzins wird Vicky White, aus Haralds Avotins Harry Rivers und aus Gunars Narbuts Gunn Everett. Dazu tonnenweise Kajal um die Augen, makellos glattgeschminkte Gesichter und Löwenmähnen, die den Rock-Heroen der 80er-Jahre mehr als gerecht waren. Wenn man schon dem Glam Rock verfallen ist und aus dem eher unspektakulären Lettland kommt, dann muss man eben ein bisschen cheaten, um breitenwirksam aufzufallen. Das tun Bloody Heels mittlerweile schon seit einigen Jahren und in vielen Tourneen, ihr Zweitwerk „Ignite The Sky“ ist nur der Einstieg auf dem Spartenlabel Frontiers Records und erfüllt alle Wünsche der Fan-Klientel: zuckersüße Balladen, häufiges in-den-Schritt-fassen, rollende Riffs und polterndes Drumming - dazu Rock-Hymnen, die komplett aus der Zeit gefallen scheinen. Das ergibt ein bisschen White Lion, ein bisschen Firehouse und ein bisschen Crazy Lixx. Souveräne Genre-Kost. 7/10 Kronen

Tré Burt - Caught It From The Rye
Ist das Leben eine Verkettung zufälliger Umstände oder kann man mit Leidenschaft, Talent und Liebe zum Tun gewisse Richtungen aktiv steuern? Tré Burt glaubt an die zweite Theorie und hat es nun, etwa eineinhalb Jahre nach seinem Debüt „Caught It From The Rye“, mit ebenjenem Album auf Oh Boy Records geschafft, dem Label seines kürzlich verstorbenen größten Idols John Prine. Dort passt der in Sacramento wohnhafte Vollblutmusiker aber auch hin, denn das nur etwa 30 Minuten kurze Erstwerk strotzt nur so vor Referenzen an Woody Guthrie, Prine und vor allem Bob Dylan. Auch wenn Burt familiär mit Soul sozialisiert wurde, steht ihm die Mischung aus Folk, Singer/Songwriter und Americana wesentlich besser zu Gesicht. Der Lo-Fi-Sound klingt dazu noch wie direkt aus den späten 60er-Jahren. Ein feines Stück Musik für all jene, die hemdsärmelige Handarbeit schätze. 7,5/10 Kronen

Dee Calhoun - Godless
Was hat es derzeit eigentlich damit auf sich, dass honorige Figuren der Doom-Metal-Szene plötzlich akustisch begleitete Lebensbeichten feilbieten? Wino Weinrich fing mit einem - wirklich gutklassigen - Album vor zwei Wochen an, der nicht ganz so bekannte Kopf der Bands Iron Man und Spiral Grave folgt ihm mit „Godless“ auf dem Fuß. Das Werk ist freilich Calhouns bereits drittes Soloalbum, wozu man aber eine mehr als einstündige Lebensbeichte braucht, die über Akustikgitarrengeschrammel und seine raue, für diese Art von Musik völlig unpassende Stimme braucht, erschließt sich außerhalb treuer Fankreise nicht wirklich. Sanft werden Bass und Schlagzeug in einzelne Tracks eingewoben, doch gäbe es nicht für diese Fälle ohnehin verpflichtende Ehrlichkeit und Läuterung hinsichtlich des eigenen Daseins, man würde nach den ersten Tracks wohl einschlafen. 4,5/10 Kronen

Gerald Clayton - Happening: Live At The Village Vanguard
Als Sohn des großen Bassisten John Clayton und Neffe des Saxofonisten und Flötisten Jeff Clayton wurde Gerald der Jazz in die Wiege gelegt. Der 36-Jährige entschied sich aber früh für das Piano und machte erstmals 2008 als Teil des späten Roy Hargrove’s Quintet auf dem Album „Earfood“ auf sich aufmerksam. Nun landete er auf dem kultigen Blue-Note-Label und liefert einen superben Liveeinstand. „Happening“ wurde im legendären New Yorker Jazzclub „Village Vanguard“ aufgenommen und zeigt den famosen Pianisten samt ausgezeichneter Besetzung ganz den großen Idolen Oscar Peterson, Ray Brown oder Benny Green nacheifernd. Eigenkompositionen und Interpretationen anderer Größen halten sich angenehm die Waage, was „Happening“ tatsächlich zu einem solchen gedeihen lässt. Ohne Bewertung

Dalai Lama - Inner World
Erst vergangenen Montag, am 6. Juli, hat der Dalai Lama seinen 85. Geburtstag gefeiert und zum allumfassenden Gebet aufgerufen, sodass er ein möglichst dreistelliges Lebensalter erhalten sollte. Zum quasirunden runden Geburtstag hat sich das tibetische Oberhaupt wohl selbst das größte Geschenk gemacht: nämlich in Form seines Debütalbums mit dem beruhigenden Titel „Inner World“. Musik vermittle die Botschaft, dass die wahre Quelle des Glücks Warmherzigkeit und die Sorge für die andere sei, ist die Grundbotschaft des buddhistischen Mönchs. Fünf Jahre lang wurde an den elf unterschiedlichen Mantras gefeilt, die trösten und spirituelle Kraft versenden sollen. Er hat die Mantras selbstverständlich selbst eingesprochen. Eine schöne Reise in den Kern des Selbst. Ohne Bewertung

Dawn Of Ashes - The Antinomian
Fast wie eine Zeitreise mutet der erste Blick auf die Promobilder von Dawn Of Ashes an. Gefärbte Kontaktlinsen, wilde herumfliegende Dreadlocks, in Fetzen hängende Kleidung. Doch nicht nur optisch entführt uns das Kollektiv aus Los Angeles in die 90er-Jahre, auch musikalisch hat man sich ganz dem Industrial-Metal verschrieben, wie ihn zuerst Ministry und dann auch Marilyn Manson zu Weltruhm verhalfen. „The Antinomian“ ist ein bunter Mix aus all deren Vergangenheitsgroßtaten, auch die Krupps oder Fear Factory kann man sich bei Songs wie „Sleep Paralysis“ oder „Scum Of The Earth“ gut vergegenwärtigen. Sound, Produktion und auch Songwriting sind durchaus gelungen, auch wenn sich auf Langstrecke ein paar Schleifen einstellen. Nur zeitgemäß ist all das überhaupt nicht. Das kann für den einen Fluch, für den anderen Segen sein. 7/10 Kronen

Eisenkult - …gedenken wir der Finsternis
Mavorim, Totenwache, Meuchelmord - das sind die Namen der unterschiedlichen Bands, bei denen die Mitglieder des taufrischen Black-Metal-Projekts Eisenkult sich bislang ausgetobt haben. So sympathisch und salopp wie eben angeführte Namen rutscht einem auch dieses Projekt über die Zunge, das die Band selbst nonchalant als „primitiven, deutschen Schwarzmetall“ ankündigt. Der Name ist durchwegs Programm, auch wenn es in punkto primitiver Derbheit gerade in diesem Genre noch ganz anders geht. „…gedenken wir der Finsternis“ hat aber vor allem in untrügliches Gefühl für Folk-Anklänge und melodische Passagen, die dem Großteil der polternden Konkurrenz oft fehlt. Das macht Eisenkult in gewisser Weise spannender und vielseitiger als viele andere. 6/10 Kronen

Brett Eldredge - Sunday Drive
Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass die Countrymusik das amerikanische Pendant zum Schlager ist. Natürlich nicht in seiner Umsetzung, aber im Sinne der jeweiligen Landespopularität. Fast im Minutentakt werden neue Stars an die Oberfläche gespült und mit Pop vermengt. So dominiert der smarte Sunnyboy Brett Eldredge die dortigen Country-Charts mit jedem Album und war auch schon im Vorprogramm von Weltstar Taylor Swift auf Tour. „Sunday Drive“ ist ein weiteres Beispiel für leichtfüßigen Pop-Country, der sich nicht an den Folk-Wurzeln orientiert, sondern bewusst für große Hallen konzipiert ist. Wer sich mit Eldredge auf den „Sunday Drive“ begibt, der wird in eine nostalgische Welt der Träumereien gezogen. Ecken und Kanten gibt es woanders, aber das Songmaterial zeigt eindeutig, warum Eldredge in seiner Heimat so groß ist. 7/10 Kronen

Ensiferum - Thalassic
Die fetten Jahre sind vorbei, das mussten die finnischen Folk-Sauf-Metal-Schergen von Ensiferum irgendwann auch einsehen. Gerade die Frühwerke „Ensiferum“ (2001) und „Iron“ (2004) waren eine Frischzellenkur im großen Teich des nordischen Humppa-Metal, doch nach dem Verlust von Wintersun-Mastermind Jari Mäenpää konnte man nie mehr an die Großtaten der Vergangenheit anknüpfen. „Thalassic“ ist schon das achte Studiowerk und das erste thematische - nicht konzeptionelle! Die Songs drehen sich grob um das Meer und epische Schiffsfahrten, doch der übertriebene Einsatz von kitschigen Keyboards und den Clean-Vocals von Neumitglied Pekka Montin trüben die Freude in feuchten Gewässern. Hochqualitative Songs wie „Rum, Women, Victory“ oder „For Sirens“ machen sicher Spaß, aber ob man das noch immer braucht? Am 22. Mai 2021 spielen Ensiferum übrigens am Vienna Metal Meeting in der Wiener Arena. 5,5/10 Kronen

Enuff Z’nuff - Generation Brainwashed
Es wird auch weiterhin stark darüber diskutiert werden können, was dieser Band damals in den 80er-Jahren eigentlich wirklich einfiel, sich so einen Namen zuzulegen. Enuff Z’nuff hatten Ende 80/Anfang 90 zwei große MTV-Hits und waren späte Profiteure der Musikvideo-Glanzzeit, hangeln sich seit mittlerweile knapp 30 Jahren aber mehr schlecht als recht durch die Szene. Klar, in den USA hat man sein Stammpublikum und als feiner Nostalgieact lässt es sich bekanntlich gut leben, aber seit auch Frontmann und Gesicht Donnie Vie vor sieben Jahren die Band verlassen hat, ist man wirklich in der Bedeutungslosigkeit angekommen. Zudem klingt die Überthematik „Generation Brainwashed“ ziemlich plump und unreflektiert nach „grantige alte Männer gegen die Moderne“. Die Songs sind gutklassig, Hits oder Ohrwürmer finden sich - wie gewohnt - aber nicht auf dem neuen Werk. Wirklich nur was für langjährige Fans und unverbesserliche Alt-Hard-Rocker. 5/10 Kronen

The Funeral Orchestra - Negative Evocation Rites
Es gibt auf dieser Welt Musik, die ist einfach nicht für jeden bestimmt. Drei Kapuzenmäntel-tragende, maskiert-sinistre Zeitgenossen marschieren auf den Promofotos am Friedhof entlang. Klar, The Funeral Orchestra. Was sich dann auf den gut 40 Minuten ihres Drittwerks „Negative Evocation Rites“ entlädt, ist nichts weniger als ein Freifahrtschein in die hintersten Winkel der Hölle. Der „Apocalyptic Funeral Doom“ auf den vier überlangen Songs ist von einer derartigen Bösartigkeit, dass selbst Schreckgespenstern aus der Gruft das Skelett einfriert. Doch gerade deshalb ist der Sound auch so einnehmend. Weniger hart als Sunn O))), aber trotzdem schwer herausfordernd, ist „Negative Evocation Rites“ ein vertontes Mahnmal der Pestilenz. Muss man mögen. 7/10 Kronen

Asher Gamedze - Dialectic Soul
Trommeln um des Trommelns Willen, das ist das Credo des in Kapstadt beheimateten Asher Gamedze, der mit seinem Debütalbum „Dialectic Soul“ ein famoses Wunderwerk des Free Jazz in den Orbit jagt. Das Doppelalbum ist eine Live-Session im Studio mit Band, bei der Improvisationsfähigkeit und Zusammenspiel eine gleichermaßen wichtige Rolle im Gesamtkontext einnehmen. Thematisch geht die Reise des Menschenrechtfans vom schrecklichen Kolonial-Kapitalismus über den Widerstand der Entdeckung einer Seele bis hin zur spirituellen Vereinigung mit den eigenen Vorfahren. Komplexität bis zum Quadrat wird hier in vollem Bewusstsein zelebriert und gibt dem Erstwerk damit auch langfristige Spannung. Ein Festschmaus für konzentrierte Ohren. 7/10 Kronen

Michael Grant & The Assassins - Always The Villain
Michael Grants Karriere hat im Hard-Rock-Segment einen interessanten Verlauf genommen. Mit seiner Band Endeverafter hat er ab 2004 acht Jahre lang in Sacramento für Aufsehen gesorgt. Dazwischen war man Vorband der L.A. Guns, was ihm schließlich einen temporären Bandplatz eingebracht und sogar zu einem gemeinsamen Album führte. Seit zwei Jahren befasst sich Grant mithilfe seiner Assassins lieber mit neuen Kompositionen, die er aus dem klassischen Bandkonzept herausfiltert. „Always The Villain“ klingt zwar ein bisschen angeberisch-großspurig, aber das geschickte Händchen für feines Songwriting muss man dem Kalifornier zweifellos attestieren. Der Titeltrack, „Nightmares“ oder „Death Of Me“ haben durchaus Hitpotenzial. „Always The Villain“ ist kurzweilig, macht Spaß und animiert zum Dosenbieraufreißen. Passt! 7/10 Kronen

Kacy Hill - Is It Selfish If We Talk About Me Again
Zuerst Model bei „American Apparel“, dann Background-Tänzerin beim frischgebackenen US-Präsidentschaftskandidaten Kanye West, schlussendlich der Sprung auf sein Label Good Music und eine mehr als erfolgreiche Solokarriere - das Leben der 26-jährigen Kacy Hill aus Phoenix, Arizona war bislang schon ziemlich aufregend. Von Kanyes Label ist sie mittlerweile runter, aber auf ihrem Zweitwerk mit dem etwas holprigen Titel „Is It Selfish If We Talk About Me Again“ gibt sie ein weiteres Versprechen für eine fruchtbare Indiepop-Zukunft ab. Ihre neue Selbstständigkeit feiert sie mit träumerischen, ehrlichen und ganz und gar persönlichen Songs, die sich perfekt für die untergehende Abendsonne eignen. 7,5/10 Kronen

Ray Wylie Hubbard - Co-Starring
Er ist ein gutes Beispiel für eine gescheiterte Existenz im US-Country: Ray Wylie Hubbard. „Up Against The Wall, Redneck Mother“ hieß sein Song, der Anfang der 70er in der Version von Jerry Jeff Walker zum Hit wurde, aber Hubbard selbst gelang weder in Oklahoma, noch in Austin oder Nashville der Durchbruch. Dem Country-Publikum war er zu rockig, dem Rock-Publikum zu traditionell - Drogen und Alkohol waren die Folge, in den 90er-Jahren ging es wieder bergauf. Welchen Stellenwert er aber in der US-Szene hat, zeigt nicht zuletzt sein 17. Album „Co-Starring“, auf dem er von Beatles-Drummer Ringo Star, Eagles-Kultmusiker Joe Walsh, Don Was,über Pam Tillis und The Cadillac Three bis hin zu Larkin Poe und Ashley McBryde alles versammelt hat, was früher oder heute Rang und Namen hat. Ein wunderbar entspanntes Alterswerk eines zu Unrecht Untergrabenen. 7,5/10 Kronen

Idle Hands - Don’t Waste Your Time II EP
Portland ist der Kreativstall unter den amerikanischen Städten, was gleichermaßen Indie- wie kommerzielle Musik anbelangt. Ein gutes Beispiel dafür sind die famosen Idle Hands, die vor drei Jahren quasi aus dem Nichts aufgetaucht sind und mit ihrem Debüt „Mana“ im Vorjahr gezeigt haben, wie man Joy Division, The Cure und die völlig unterbewerteten Schweden von Tribulation unter einen Hut bringt. Corona sei Dank war nun auch Zeit für brandneue Tracks, die man als Appetizer für weitere Großtaten in EP-Form vorlegt. „It Doesn’t Really Matter“ und vor allem „Puppy Love“ brennen sich derart nachhaltig ins Ohr, dass man am liebsten sofort auf die nächste Gothic-Tanzfläche möchte. Ach ja, geht ja nicht. Na dann eben hier weiterhören. Ohne Bewertung

Inter Arma - Garbers Days Revisited
Seit knapp 15 Jahren sind Inter Arma eine hochtalentierte und stilistisch kaum greifbare Band, die von Virigina aus irgendwo zwischen Sludge, Black, Death und Post-Metal ihr Unwesen treibt und vor allem nicht nach den berühmtesten Söhnen der Stadt, Lamb Of God, klingen. Zwischen zwei Touren wurden im Vorjahr zahlreiche Cover-Versionen eingespielt, quasi als Corona-Quarantäne-Zuckerl sollen sie jetzt den „Sommer daheim“ versüßen. Aufgenommen im alten Proberaum (Garbers Days) schlängelt sich das Quartett durch alle Genres. Besonders gelungen sind das unglaublich harsche Neil-Young-Cover „Southern Man“, der unkaputtbare Tom Petty mit „Runnin‘ Down A Dream“ und „March Of The Pigs“ von den Nine Inch Nails. Am Ministry-Klassiker „Scarecrow“ haben sich die Jungs etwas verhoben, der Prince-Kulthit „Purple Rain“ als sanfter Abschluss ist mutig, aber ehrlich gesagt unzureichend. Trotz allem: so geht richtiges und mutiges covern! Ohne Bewertung

The Jayhawks - XOXO
Gary Louris war nie ein einfacher Zeitgenosse. Mit dem 1992er Meisterwerk „Hollywood Town Hall“ prägte er mit den Jayhawks die US-amerikanische Alternative-Country-Szene, doch so schnell sich das Besetzungskarussell sich drehte, so stark hat er die Richtung in poppigere Gefilde verschoben. Zweimal kehrte die Band nach kurzen Auszeiten wieder zurück, seit 2014 hat eine gewisse Konstanz Einzug gehalten. Louris hat zudem den Wert der Demokratie erkannt und seinen Bandkollegen auf „XOXO“ Raum zum Songwriting und zur Selbstentfaltung. Wohl auch deshalb klingt das Werk eklektisch und verinnerlicht Country-Folk („Across My Field“), Tom-Peety-Feeling („Dogtown Days“) und 60s Pop („Living In A Bubble“) gleichermaßen. Mehr Roots-Bezogenheit würde den Jayhawks guttun, aber „XOXO“ ist ein starkes und respektables Lebenszeichen. 7,5/10 Kronen

Juice WRLD - Legends Never Die
Beim Frequency Festival im Vorjahr hat er noch alle begeistert und gezeigt, welch besonderes Talent er im überfütterten Rap-Teich ist. Am 8. Dezember 2019 erlag Juice WRLD dann tragischerweise einer Medikamenten- und Codein-Überdosis - und das im Alter von 21 Jahren. „Legends Never Die“ heißt nun der knapp einstündige Abgesang auf ein Riesentalent, auf dem noch alle Songs und Versatzstücke versammelt wurden, an denen er vor seinem Tod gearbeitet hat. Gäste wie Halsey und Marshmello sind beachtlich, hätten angesichts der Wertigkeit dieses Werkes aber gar nicht zwingend sein müssen. Thematisch ziehen sich sein Raketenaufstieg, das Gefühl der Sterblichkeit und die Erkenntnis, das Geld nicht glücklich macht durch Songs wie „Tell Me U Love Me“ oder „Fighting Demons“. Juice, du wirst hier schmerzlich vermisst! 8/10 Kronen

Elle King - In Isolation EP
Mit der Single „Ex’s & Oh’s“ hat Elle King zu Weihnachten 2015 auch die österreichischen Charts im Sturm erobert, danach ist es zumindest hierzulande aber wieder ziemlich ruhig um die Kalifornierin geworden. Mit ihrer Mischung aus Country, Soul, Rock, Folk und Blues hat sie sich in den letzten Jahren eine komplett eigene Nische erschaffen, zudem glänzt sie mit rauer Stimme und einem Händchen für handgemachte Ohrwürmer. Die erzwungene Quarantäne hat die 31-Jährige dazu genutzt, an drei Songs zu feilen und sie als „In Isolation“ in EP-Form zu veröffentlichen. In knapp zehn Minuten verzaubert sie mit minimalem Setting. Vor allem das mit einem epischen Piano getragene „The Only One“ erweist sich als Tränendrücker. Ohne Bewertung

Kristian Kostov - Mood EP
Ein Dasein zwischen Casting-Shows und dem Song Contest - so kann man das junge Leben des bulgarisch-russischen Sängers Kristian Kostov bezeichnen, der eben beim Song Contest 2017 für Bulgarien auf Platz zwei landete und damit die immer noch die Landesbestleistung in diesem Bewerb hält. Davor oder danach gab es „The Voice Kids“ oder die chinesische Casting-Show „Singer“. Mit „Mood“ legt er seine insgesamt dritte EP vor und orientiert sich darauf mit sanft-harmlosem Electro-Pop exakt auf die Schiene Kommerzradio. Nach Erfolgen in China soll nun der europäische Markt erobert werden. Die Singles „Honest“ oder „Better“ sind harmlos, glattpoliert und heben sich kaum vom Gros des Mainstreampop-Mitbewerbs hervor. Da fehlt es doch noch an eigener Identität… Ohne Bewertung

Lantern - Dimensions
Wirklich innovativ zu sein ist im Extreme-Metal-Bereich nicht mehr so einfach. Zu viel gab es schon, zu viel wurde probiert. Das Quartett von Lantern aus dem finnischen Kuopio versucht sich auf dem dritten Album „Dimensions“ dennoch an neuen Kreativitätsästen und macht das gar nicht einmal so übel. Wer den siebenminütigen Opener „Strange Nebula“ mit seinen vielschichtigen Gitarrenleads und Soundverquerungen unfallfrei übersteht, dem offenbart sich eine interessante Mischung aus Celtic Frost (Gesang), Behemoth (Songwriting) und Watain (Atmosphäre). Das Geheimnis hinter Lantern ist das untrügliche Talent, komplexe Songstrukturen so zu zerlegen, dass man als Hörer weder besonders stark in Algebra firm sein muss, noch allzu gelangweilt wird. „Dimensions“ ist ein kleiner Underground-Klassiker, der den voranschreitenden Fortschritt der Band wundervoll in Szene zu setzen vermag. 7,5/10 Kronen

Lime Cordiale - 14 Steps To A Better You
Das Leben schreibt die besten Geschichten. Auf ihrem 2017er Debüt „Permanent Vacation“ besangen die beiden Leimbach-BrüderOli und Louis den Wunsch nach Ausbruch, Eskapismus und Erfolg. Das Album war für die Band aus Sydney sogleich der Eintritt in hohe Pop-Weihen. „14 Steps To Be A Better You“ ist der langersehnte Nachfolger, der Lebensberater und Entspannungssoundtrack gleichzeitig ist. Noch leichtfüßiger changiert das australische Gespann zwischen Surf-Rock, entspanntem Hippie-Pop, einer an The 1975 angelehnten Zeitgeistigkeit und kalifornisch angehauchten Alternative-Pop. Songs wie die Hit-Single „Robbery“, „Inappropriate Behaviour“ oder „Elephent In The Room“ sind nicht nur Ohrwürmer, man kann sich auch ganz gut selbst in den dargestellten Geschichten ertappen. Eine wahre Perle, die man am 28. November hoffentlich im Wiener Fluc sehen kann. 8/10 Kronen

The Midnight - Monsters
Ach, sweet nostalgia. Je mehr wir Menschen ins digitale Zeitalter der allumfassenden Technologie vorrücken, umso mehr sehnen wir uns nach unbeschwerten Jugendtagen vor Social Networks und permanenter Erreichbarkeit zurück. Das „Stranger Things“-Phänomen ist längst auch im Pop-Business angekommen, etwa bei den - Paradoxon - Internet-Helden The Midnight, die sich mit ihrem dritten Album „Monsters“ im Synth- bzw. Chillwave-Kostüm wieder einmal in die 90er-Jahre zurückwünschen. Schon am Cover-Artwork lachen einem Pizzaschachteln, Videokonsolen und eindeutige Filmposter entgegen, Songs wie „Dance With Somebody“, „Prom Night“ oder „Deep Blue“ entführen in selige Zeiten, ohne aber moderne Sounds einzubüßen. The Midnight sind und bleiben eine Band für unverbesserliche Träumer. 7/10 Kronen

Donna Missal - Lighter
Im Vorprogramm von Lewis Capaldi begeisterte die New-Jersey-Sängerin Donna Missal letzten Herbst auch noch im Wiener Gasometer - hach, was für selige Zeiten. Mit einem Live-Comeback wird es in näherer Zukunft leider nichts, aber mit dem zweiten Studioalbum „Lighter“ kann man sich gut über diese Dürrephase hinwegtrösten. Vor allem Sheryl Crow, Shania Twain, aber auch Alanis Morissette kann man immer wieder heraushören, schließlich wurde Missal zuhause auch traditionell mit hemdärmeligem Rock und Country aufgezogen. In Songs wie „Hurt By You“ oder „Carefully“ dominiert ihre ausdrucksstarke, mitreißende Stimme, die sich über eher melancholischen Piano-Pop legt, der nur selten in fröhliche Sphären ausbricht. Damit trifft sie aber auch den Zeitgeist des aktuellen Pops. Ein starkes Album. 7,5/10 Kronen

Nick Mulvey - Begin Again EP
Beim weithin erfolgreichen Portico Quartet spielte Nick Mulvey eine Zeit lang Hang, doch von der reinen Instrumentalumsetzung seiner Ideen hatte der Brite irgendwann genug. So etablierte er ab 2011 seine Karriere als Singer/Songwriter und hat sich mittlerweile nicht nur erfolgreich von seinen einstigen Kollegen emanzipiert, sondern in punkto Popularität auch die Überholspur genommen. Mit seinem Debüt „First Mind“ hat er sich 2014 sogar eine Mercury-Prize-Nominierung abgeholt. Auf einen Album-Nachfolger muss man zwar noch warten, aber die drei Tracks auf der sehr kurzen EP „Begin Again“ lassen schon einmal vor Vorfreude jauchzen. Ziel des kurzen Vergnügens sei es für Mulvey, in einer Welt des Chaos so etwas wie Ordnung durchscheinen zu lassen. Well done! Ohne Bewertung

My Morning Jacket - The Waterfall II
Die Kreativität im kalifornischen Panoramic House Studio muss vor fünf Jahren endlos gewesen sein. Die hierzulande leidlich unterschätzten Rocker My Morning Jacket haben sich in einen derartigen Rausch geschrieben, dass Frontmann Jim James kurz überlegt, ein Triple-Album zu veröffentlichen. Von einem derart kommerziellen Freitod konnte ihm abgeraten werden, dass es aber ganze fünf Jahre bis zur Veröffentlichung des Materials dauern würde, war nicht absehbar. Keine B-Side-Platte sollte es sein, erklärt James, sondern die hochqualitative Komplettierung eines ambitionierten Projekts. Den eingeschlagenen Psych-Rock-Weg á la Pink Floyd hört man hier vor allen in längeren Stücken wie „Feel You“ oder „Wasted“ raus, doch My Morning Jacket befinden sich ohnehin in ihrer ganz eigenen Welt, die wie ein romantisches Amerika klingt. Ein Gewaltwerk! 8,5/10 Kronen

Nobodys Face - Chemical Animals
Achtung - nicht verwechseln! Marilyn Manson besang vor mehr als 20 Jahren die „Mechanical Animals“, Henrik Miko aka Nobodys Face die „Chemical Animals“. Dies ist das dritte Album des Green-Berlin-Mitbegründers und langjährigen Produzenten von Marteria und dessen Alter Ego Marsimoto. Doch als selbst im Rampenlicht stehender Alleinunterhalter gewährt sich der Norddeutsche mehr Freiheiten, als sie seine berühmteren Partner haben. Nicht nur Hip-Hop, sondern vor allem Elektronik, Lo-Fi-House und eine ganze Wagenladung an flotten Dance-Tracks. Neben Marteria finden sich auch unzählige weitere Gäste wie Chefket auf dem Album. Ein feines Sommervergnügen. 7/10 Kronen

NZCA/Lines - Pure Luxury
Michael Lovett kann man getrost als „Everybody’s Darling“ der britischen Indie-Welt bezeichnen. Er war lange Touring-Mitglied von Metronomy, ist am Debütalbum von Christine And The Queens zu hören und unter seinem eigenen Banner NZCA/Lines mit Mitgliedern von Hot Chip zusammengearbeitet. Der Name auf dem Drittwerk ist dabei Programm. Bei „Pure Luxury“ trieft Glanz und Glitter aus allen Poren, denn so fasst der langhaarige Klangtüftler seine Form von Synthie-Pop im Jahr 2020 auf. Dystopische Dancefloor-Tracks verknüpfen sich dabei mit bodenständigen Pop-Songs, vermitteln aber stets eine lockere Atmosphäre von Eskapismus und positiver Endzeitstimmung. Irgendwo zwischen Prince-Funk, Nachtclub und Dekadenz ordnet sich „Pure Luxury“ ein und überzeugt mit wirklich knackigem Songwriting. 7,5/10 Kronen

Otta - Songbook EP
Grenzen einzureißen und Barrieren zu überwinden, das sind im Großen und Ganzen die vorrangingen Ziele der finnisch-britischen Songwriterin Otta, die Anfang des Jahres mit der EP „After It All Blew Over“ das erste Mal von sich hören ließ. Ihre eklektischen Soundkaskaden, die sich nur schwer zwischen Indie, Elektronik, Ambient und Art-Pop einteilen lassen, hat sie auch für „Songbook“ vorwiegende daheim im Schlafzimmer aufgenommen. Bedroom-Pop ist längst eine Marke geworden, wenn er auch noch mit R&B und leichten Jazz-Anflügen vermischt wird, dann sperrt man die Ohren gerne auf. Die Single „Never See“ ist aber ein eher seltener Fall der Zugänglichkeit, denn Otta gibt sich auf den sieben anderen Songs gerne verträumt bis verpeilt. Die gewünschte Eigenständigkeit ist ihr hier bravourös gelungen. Warten wir auf weitere Schritte. Ohne Bewertung

Paint - Spiritual Vegas
Bei seiner in Underground-Kreisen beliebten Hauptband, den Allah-Lahs, hat der Retro-Indie-Sound Vorrang und muss im Kollektiv oft mühsam diskutiert werden. Diese Form von Kompromissen erspart sich Gitarrist Pedrum Siadatian auf seinem Soloprojekt Paint völlig. „Spiritual Vegas“ ist sein zweites Soloalbum und eine wundervoll zeitlose Liebeserklärung an die Stadt des Glücksspiels. Den Krautrock seiner 70er-Idole lebt er hier vollends aus, doch auch Psych-Pop und verschrobener Soul bahnen sich in wunderbarer Einigkeit ihren Weg durch das Song-Dickicht. Seinen iranischen Ursprung huldigt er etwa im auf Farsi gesungenen „Ta Fardah“, ansonsten versucht Siadatian möglichst weit von der seelenlos-digitalen Musik-Gegenwart davonzulaufen. Khruangbin trifft auf Neu! und Pink Floyd. Why not? 7/10 Kronen

Margo Price - That’s How Rumours Get Started
Das Album um drei Monate verschoben, die vorfreudige Tour mit dem großen Chris Stapleton auf unbestimmt verschoben - auch Nashville-Star Margo Price hat an der Corona-Krise zu kiefeln. Die 37-Jährige, wohl der untypischste aller Nashville-Star, hat nach zwei Nummer-eins-Alben in den US-Countrycharts am Drittwerk Lust auf schonungslose Ehrlichkeit. „That’s How Rumours Get Started“ ist ein Füllhorn an mehr oder weniger tragische Geschichten, die Price mal im traditionellen Country-Kleid, mal modern-poppig, mal sogar elektronisch-futuristisch vorträgt. Die Frau hat eben nicht nur schon mit Willie Nelson gesungen und den US-Markt über Nacht erobert, sondern auch ihr Kleinkind verloren, den Schmerz in Whisky ertränkt, mit dem Auto verunfallt und schlussendlich im Knast gelandet. Price hat mehr Lebensgeschichten als so mancher Wannabe-Cowboy auf Lager und zieht erstmals richtig Bilanz. Und das mit beeindruckender Qualität. 8/10 Kronen

Rebel Wizard - Magickal Mystical Indifference
„Negative Wizard Metal“ soll das angeblich sein, behauptet zumindest Frontmann und Alleinunterhalter NKSV, der sich im fernen Australien mit Rebel Wizard offenbar den großen Traum einer brettharten Zauberhut-Band erfüllen konnte. „Magickal Mystical Indifference“ ist Lo-Fi-produziert und manchmal ganz schön anstrengend, die große Liebe des Kuttenträgers zum traditionellen Heavy Metal á la Iron Maiden, Judas Priest oder Bathory garniert er aber mit harschen Thrash-Eruptionen und leichtem Black-Metal-Einschlag, sodass man auch Bands wie 3 Inches Of Blood, Arsis oder Midnight im Soundgebräu verorten kann. Sicher kein Stoff für jedermann, aber diese wirklich leidenschaftliche Vermischung der puren Inspiration macht schlichtweg Spaß. 7,5/10 Kronen

The Residents - Metal, Meat & Bone: The Songs Of Dyin‘ Dog
Wer erinnert sich nicht daran wie die Residents, zweifellos nicht nur eine der anonymsten, sondern vor allem genialsten Bands der Musikgeschichte, Helden wie Elvis Presley oder den Beatles derart artfremd oder obskur Tribut gezollt haben, dass man ohne nötiges Toleranzlevel schreiend davonlaufen wollte. Doch genau diese Zugangsweise macht die Residents im immer gleichgeschalteteren Business so unverwechselbar. „Metal, Meat & Bone“ vereint 16 Songs des längst vergessenen Bluesers Alvin „Dyin‘ Dog“ Snow, die mit Blues aber wenig zu tun haben. Auf eine zweite Seite haben die Residents tatsächlich längst verschollen geglaubte Demos von Snow gepackt, die erst so richtig zeigen, wie bizarr die musikalische Auffassung des Louisiana-Bluesers, der seit den 70ern mit Residents-Mitglied Roland Sheehan befreundet ist, ausfällt. Hier ist wieder nichts wie man glaubt oder wie es scheint. Eine große Magical Mystery Tour de Force. 7/10 Kronen

Shining Black ft. Boals & Thorsen - S/T
Ach Frontiers Rock. Hort jedweder Melodic Hard Rock- oder Melodic Metal Band und Brutstätte für Kooperationen und Zusammenarbeiten aller Art. Die neueste Ausgeburt zweier Szenegrößen nennt sich Shining Black und besteht aus Sänger Mark Boals (Yngwie Malmsteen, Royal Hunt) und dem schwedischen Top-Gitarristen Ölaf Thorson (Labyrinth, Vision Divine). Zu hören gibt es rifflastigen, teilweise mit viel zu viel Keyboardkitsch durchtränkten 80er-Metal, der sich gar nicht erst die Mühe gibt, Zeitgeistigkeit zu heucheln. Hier sind freilich Könner am Werk, die ihre Profession mit Souveränität beherrschen, auch wenn manche Stellen wie der Anfang von „Where Are Your Gods“ zu sehr von Ozzy-Gitarrenlegende Randy Rhoads abgekupfert sind. 6/10 Kronen

Mike Shinoda - Dropped Frames, Vol. 1
Linkin-Park-Aushängeschild Mike Shinoda ging schon immer voll in seiner Kreativität auf. Die Corona-Pandemie hat der Rapper nun dazu genutzt, um quasi live via Twitch und sozialer Interaktion mit seinen Fans ein elektronisches Album rauszubringen. Auf „Dropped Frames, Vol. 1“ erklingen etwa im Opener „Open Door“ die Stimme von sieben Fans, deren Spuren er über seinen Sound gelegt hat. Die Tracks hat er jeweils an einem Tag oder in wenigen Stunden komponiert, viele davon sind rein instrumental gehalten und stark an Drum & Bass orientiert. Das Projekt sprießt über vor Experimentierfreude und Spaß und zeigt eindeutig, wie kreativ, vielseitig und offen Shinoda an Musik herangeht. Vielleicht nicht unbedingt was für Fans seiner Hauptband, aber eine kurzweilige Angelegenheit. 7/10 Kronen

Static-X - Project Regeneration Volume 1
Das mit der posthumen Resteverwertung ist so eine Sache. Grey Daze haben erst unlängst eine neue Scheibe rausgebracht, um dem verstorbenen Chester Bennington zu huldigen, die einstigen Industrial-/Nu-Metal-Heroen Static-X haben vor sechs Jahren mit Sänger Wayne Static aber Kopf, Gesicht und Herz der Band verloren. Zum 20-Jahre-Jubiläum des Debüts haben sich die Originalmitglieder rund um Tony Campos unlängst wiedergefunden, „Project Regeneration“ ist eine Sammlung durchaus starker Songs, die noch mit Waynes Stimme eingespielt wurden. Hier knallt und fetzt es an allen Ecken und Enden. So, als ob die letzten 20 Jahre nicht vergangen wären. Ob das Comeback mit Xer0 als Nachfolgersänger Sinn macht, bleibt offen - diese Resteverwertung hat aber durchaus seine Daseinsberechtigung. 7,5/10 Kronen

Sunken - From Slow Sleep Like Death
Schon in den ersten Zeilen des Promozettels wird pointiert erwähnt, dass es sich hiermit nicht um die dänische Black-Metal-Kapelle Sunken handelt. Naja, dann sollte man sich beim Bandnamengeben halt doch manchmal kreativer zeigen… Sei’s drum, die finnischen Sunken lieben die langsame Lehre und zelebrieren epischen Doom Metal mit rauen Death-Metal-Versatzstücken. Ganz so brutal wie viele Landeskollegen aus dem Funeral Doom (siehe weiter oben) sind Sunken nicht, aber als gemütlichen Sommersoundtrack kann man die herbe Sause auch nicht unbedingt bezeichnen. Vor allem die melodiöse Grundausrichtung in Songs wie „Lost Caress“ oder dem Elf-Minuten-Abschlussstampfer „Unspoken Misery“ wissen zu gefallen. Zumindest partiell hätten sie aber auch ein bisschen mehr Tempo einstreuen können… 6,5/10 Kronen

Taake/Deathcult - Jaertegn EP
Auf der Split mit den famosen Whoredom Rife etwas früher im heurigen Kalendarium sind die norwegischen Schwarzwurzler Taake eher als Verlierer ausgestiegen, nun gibt es eine weitere brüderliche Teilung. Dieses Mal mit Deathcult, bei denen Taake-Frontmann und Bühnenpsychopath Hoest praktischerweise den Bass zupft. Das Hauptprojekt geht auch hier - knapp aber doch - als Zweiter über die Ziellinie. Deathcults „Der Würger“ hat eine wesentlich eindrucksvollere Stringenz als die Taake-Neukomposition „Slagmark“, wohingegen das Darkthrone-Cover „Ravnajuv“ von Taake trotz leichtem Synthie-Zusatz am Ende makellos ist, Deathcult sich bei Beherits „Black Arts“ etwas zu offensichtlich ans Original lehnen. Feinschmecker wissen aber ohnehin, dass man hier zugreifen muss. Ohne Bewertung

Tamas - Hysterie
Der ungarischstämmige Berliner Tamas ist eine ganz besonders krude künstlerische Mixtur: einerseits gilt er als Rapper, andererseits ist er Teil der Zombiez, liebt Hardcore-Punk und vergleicht sich selbst gerne mit Megadeth-Kopf Dave Mustaine, weil er sich gerne als Quertreiber und kontroversen Texter sieht. Staat, Polizei, Kirche, Kapital und obere Gesellschaftsschichten waren schon auf seinem Solodebüt vor vier Jahren gern gesehene Angriffsziele, auf dem lang erwarteten Nachfolger „Hysterie“ verschärft er diese Kritik in Songs wie „Bullen in der Schultheiß-Kneipe“, „Moshpit“ oder „Geld“. Ganz besonders interessant - mit „In deiner Nähe“ gibt es gar ein Voodoo-Jürgens-Cover zu bestaunen. Hier gibt es keine Regeln und Grenzen. Das muss man erstmal vertragen. 6,5/10 Kronen

Tokyo Motor Fist - Lions
All-Star-Projekt auf Frontiers Records, die nächste. Tokyo Motor Fist (Gott, was da Klischees drinstecken…) haben sich nach einem amtlichen Debütalbum vor ein paar Jahren tatsächlich nicht wieder in alle Winde verstreut, sondern die wohlwollenden Kritiken als Motivation zur weiteren Zusammenarbeit herangezogen. Die volle Ladung Def Leppard trifft auf Cheap Trick und Danger Danger (von denen praktischerweise Sänger Ted Poley stammt). 80er Hard-Rock im Reinformat, das sich mit hochgequetschter Stimme, Haarfön-artigen Riffentladungen und einem opulenten Rick-Allen-Drumming in beneidenswerter Selbstzufriedenheit in der Nostalgieschleife suhlt. Aber ganz ehrlich: es gibt handwerklich absolut nichts daran auszusetzen. 7/10 Kronen

Trial - 1 EP
Thrash Metal und Großbritannien ist eher eine schwierige Liebe, doch wenn mal etwas von dort über die Insel schwappt, dann ist es meist gehaltvoll und zahlt sich aus. Das verhält sich auch mit dem brandneuen Projekt Trial so, die ihren 5-Song-Bandcamp-Einstand primitiv und unmissverständlich „1“ taufen. Hinter dem Projekt verstecken sich Mitglieder der Industrial-Metaller Khost und den Dunkel-Weirdos Primitive Knot. Dementsprechend ist auch Trials Auffassung von Thrash Metal eine ganz eigene. Die Songs sind zerhackt, klingen ungemein roh und vermitteln ein feines Proberaum-Feeling der frühen Metallica- oder Exodus-Tage. So als ob diese Bands in einer ranzigen Industriehalle aufnehmen würden. Ohne Bewertung

Voivod - The End Of Dormancy EP
Frisch sieht anders aus, aber mit der 3-Track-EP „The End Of Dormancy“ gibt es endlich wieder ein Lebenszeichen von Voivod. Die kanadischen Stilsprenger, die vor knapp 40 Jahren damit begonnen haben, ihren Prog-Thrash mit allerlei andere Musikrichtungen zu verknüpfen, haben sich für den angegebenen Titeltrack eine Jazz-Farbe draufgeschafft. Er beginnt mitreißend-jazzig, verwandelt sich zu einem Todesmarsch-artigen Chaosgebündelt, geht zurück in die Thrash-Richtung und endet theatralisch dramatisch. Voivod sind die Mathematiker unter den Metallern, aber - und das beweisen sie auch hier wieder - Vorzugsschüler in ihrem Segment. Ach ja - zwei jazzmetallische Live-Tracks vom letztjährigen „Montreal Jazz Fest“ runden das Sammlerprodukt ab. Ohne Bewertung

Nikki Yanovsky - Turn Down The Sound
Nikki Yanovsky ist in der Übersee-Jazzszene beileibe keine Unbekannte. So sang das Supertalent etwa im zarten Alter von 16 Jahren die kanadische Nationalhymne bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver und wurde zu einer Art musikalischen Ziehkind von Legende Herbie Hancock. Für ihr drittes Album „Turn Down The Sound“ ließ sich die mittlerweile 26-Jährige aber ganze sechs Jahre Zeit. Dabei zeigt sich die sanfte Stimme in Songs wie „Loner“, „Black Sheep“ oder „Nerve“ so persönlich, offen und freizügig wie nie zuvor. Ehrlichkeit und Authentizität, eingepackt in sanften Soul-Klängen und produziert im Prä-Corona-New-York, machen „Turn Down The Sound“ zu einem wahren Genre-Erlebnis. 7,5/10 Kronen

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