Die Zeit der Hochrechnungen und Auszählung am Sonntagnachmittag im Burgenland war von einem ständigen Hin und Her geprägt. Bei den ersten Prognosen von 16 und 17 Uhr wurde der SPÖ zunächst klar ein Verlust des Mehrheitsmandates vorausgesagt, der FPÖ ein Zugewinn von zwei Mandaten, den Grünen der Verlust eines Landtagssitzes. Um 18 Uhr hieß es dann überraschend, die SPÖ werde das entscheidende 19. der 36 verfügbaren Mandate im Landtag behalten. Mit der 19-Uhr-Prognose flogen dann plötzlich die Grünen aus dem Landtag, und die SPÖ verlor das Mandat wieder an die FPÖ. Das vorläufige Endergebnis wurde um 19.15 Uhr präsentiert und hält folgende Konstellation bereit:
SPÖ: 48,55 Prozent (2005: 52,18) -3,63 Prozentpunkte
ÖVP: 34,17 Prozent (2005: 36,38) -2,21
FPÖ: 9,30 Prozent (2005: 5,75) +3,55
Grüne: 3,96 Prozent (2005: 5,21) -1,25
LBL: 4,03 Prozent (2005: n.a.) n.a.
SPÖ: 18 Mandate (-1)
ÖVP: 13 Mandate (+-0)
FPÖ: 4 Mandate (+2)
Grüne: 0 Mandate (-2)
LBL: 1 Mandat (n.a.)
Endgültige Entscheidung erst mit Wahlkarten
Angesichts der knappen Verhältnisse wird eine definitive Entscheidung erst mit den Wahlkarten- bzw. Briefwahlstimmen, die damit zum "Zünglein an der Wage" werden, vorliegen. Das Interesse war groß: Knapp 20.400 Wahlkarten wurden ausgegeben, das entspricht rund acht Prozent der Wahlberechtigten. Das Briefwahl-Resultat wird laut Wahlbehörde erst am Mittwoch feststehen, am Montag wäre ein Zwischenergebnis geplant.
Laut Wahlexperten von SORA könnten die Briefwähler vor allem bei den Grünen eine Wendung herbeiführen und die Partei wieder in den Landtag hieven. Das Mandat würde dann von der FPÖ kommen, heißt es. Die Liste Burgenland könnte dabei theoretisch wieder aus dem Landtag fliegen und ihr Mandat an die FPÖ abgeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass die SPÖ ihre Absolute mit den Briefwahlstimmen wieder erreicht, sei gegeben, aber geringer als zum Beispiel die Chance auf den Wiedereinzug der Grünen.
ARGE Wahlen sieht Grüne im Landtag, SPÖ ohne Absolute
Eine ARGE-Wahlen-Hochrechnung für das Endergebnis mit Wahlkarten geht von 48,0 Prozent für die SPÖ, 34,6 Prozent für die ÖVP, 9,1 Prozent für die FPÖ und 4,3 Prozent für die Grünen aus. Bei der Liste Burgenland sei es derart knapp, dass der Einzug in den Landtag von wenigen Stimmen abhänge. Bei den Mandaten sieht die ARGE nur eine Wanderung des vierten FP-Mandats.
Bleibt die SPÖ bei 18 Mandaten, hält sie aber immer noch die Hälfte der Landtagssitze und könnte von den übrigen Parteien bei Beschlüssen nicht überstimmt werden. Die ÖVP wird ihre 13 Mandate fix halten können. In der Landesregierung, wo die SPÖ derzeit vier, die ÖVP drei Landesräte stellt, wird sich nichts ändern.
"Gemischte Gefühle" bei SPÖ - Niessl hoffnungsvoll
Der burgenländische SPÖ-Landesgeschäftsführer Robert Hergovich hatte den Wahlsonntag in einer ersten Reaktion als einen "Tag der gemischten Gefühle" bezeichnet, merkte aber als Erfolgsmeldung an: "Das vorläufige Ergebnis zeigt, dass wir klare Verhältnisse in der Landesregierung haben. Das ist das Angenehme", so Hergovich.
"Fast 50 Prozent haben der Sozialdemokratie ihre Stimme gegeben. Das ist ein sehr gutes Wahlergebnis", meinte Niessl (im Bild mit den Burgenländern Norbert Darabos und Staatssekretär Josef Ostermayer). Der Landeshauptmann hofft nach wie vor auf die Absolute. "Das 19. Mandat ist durchaus realistisch", verwies Niessl auf die Wahlkarten. Zumindest in der Landesregierung, wo die SPÖ vier der sieben Landesräte stellt, bleibe die Mehrheit bestehen, so der Landeshauptmann. Der SPÖ-Landeschef betonte, nach wie vor für die Proporzabschaffung (der Streit mit der ÖVP darüber war der Grund für die vorgezogene Landtagswahl, Anm.) zu sein: "Wenn es einen Partner gibt, der konstruktiv mitarbeiten will, soll mir das recht sein."
Bundeskanzler Werner Faymann streute Niessl Rosen: "49 Prozent der Stimmen für die SPÖ zu erreichen, das ist schon etwas, wo man 'Dankeschön' sagt", so der SPÖ-Vorsitzende. Jetzt "klopfe ich alle Hölzer bis zum Endergebnis", das der SPÖ noch die absolute Mandatsmehrheit bringen könnte. Positiv vermerkte Faymann zudem, dass die FPÖ ihr Wahlziel, zweistellig zu werden, nicht erreicht habe. Obwohl die Burgenlandwahl das zehnte SP-Minus bei einer Landes- oder Bundeswahl seit 2006 markiert, meinte Faymann stolz, Niessl habe das "zweitbeste Ergebnis in den letzten 28 Jahren" eingefahren.
ÖVP freut sich trotz historischem Tief
ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger sah im Verlust von rund zwei Prozentpunkten - das historisch schlechteste Ergebnis der ÖVP Burgenland - trotzdem ein "respektables Ergebnis" und zollte dafür seinem Landesparteichef Franz Steindl Anerkennung. Der SPÖ attestierte Kaltenegger, mit "hemmungslosem Populismus und unglaublichem Ausgrenzen" wahlgekämpft zu haben. "Dieser Stil wurde eindrucksvoll abgewählt", sagte er.
Zu den Zahlen der ersten Hochrechnung am Nachmittag meinte Spitzenkandidat Steindl: "Würd's so bleiben, wäre ich zufrieden." Auf das Angebot Niessls, über die Abschaffung des Proporzsystems diskutieren zu wollen, sagte der VP-Landeschef: "Wenn das Gesamtpaket stimmt, können wir über alles reden. Wir sind bereit Verantwortung zu übernehmen."
ÖVP-Chef und Vizekanzler Josef Pröll sah im vorläufigen Wahlergebnis ein "absolut respektable Ergebnis". Wenn die SPÖ die Absolute verliert, wäre dies der Beginn eines guten Wahljahres für die Schwarzen, so ein zuversichtlicher Finanzminister am Sonntag. Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich, ein Burgenländer, erklärte: "Ich freue mich riesig, weil die ÖVP totgeschrieben wurde."
FPÖ sieht sich als Sieger - aber ohne "Lüftsprünge"
Das vorläufige Endergebnis zeigt für die FPÖ deutliche Zugewinne. "Luftsprünge" wollte Spitzenkandidat Johann Tschürtz dennoch keine wagen, weil es der Liste Burgenland - sie wurde vom ehemaligen FPÖ-Landesparteichef Wolfgang Rauter gegründet - gelungen sei, der "FPÖ zu schaden". Tschürtz hoffte für seine Partei, das vierte Mandat zu halten und für die SPÖ, dass sie das 19. verliert.
Seine Partei sieht Tschürtz insgesamt aber als Sieger der Wahl, "denn wir haben als Einziger dazugewonnen". Er kündigte an, die Kontrolle der Regierungsarbeit weiter ausbauen zu wollen.
Grüne "gar nicht zufrieden"
Mit Kritik an der SPÖ reagierten die Grünen auf die Wahl: "Es zeigt sich, dass der Rechtspopulismus von Hans Niessl ihm selbst geschadet, aber vor allem der FPÖ genützt hat", meinte Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner. Dass die Grünen enttäuschend abgeschnitten haben, sieht er darin begründet, dass Themen wie Eberau (dort gewann die SPÖ am Sonntag übrigens nur 2,9 Prozentpunkte dazu, die FPÖ legte um 10,2 Prozentpunkte zu, die Grünen kamen auf eine Plus von 1,3 Prozentpunkten, während die ÖVP 15 verlor, Anm.), Assistenzeinsatz und "sehr viele Angstparolen" für die Grünen "ein Auswärtsspiel" gewesen seien.
Parteichefin Eva Glawischnig, die sich am Sonntag "gar nicht zufrieden" zeigte, sah die Ursache ebenfalls in der Themenlage. Spitzenkandidat Michel Reimon, der bis zum Wahlkampf Pressesprecher der Burgenland-Grünen und relativ unbekannt war, habe seine Sache "sehr gut gemacht". Reimon selbst meinte: "Populismus scheint sich positiv auf das Wahlergebnis auszuwirken. Wir werden nachdenken, was man neu macht." Er bezeichnete es weiters als "Handicap", dass er selbst erst vor vier Monaten als Spitzenmann präsentiert worden sei.
LBL ist bei Landtags-Einzug zuversichtlich
Manfred Kölly, Spitzenkandidat der Liste Burgenland und ehemaliger FPÖ-Landtagsabgeordneter, hat sich am Sonntagabend optimistisch gezeigt, was den Einzug in den Landtag betrifft. "Es wäre ein toller Erfolg, das vom Stand weg zu schaffen", erklärte er auf dem Weg zur Wahlfeier. Mit dem Fmistisch. Wenn der Trend Deutschkreutz ist, denke ich, dass wir das noch erreichen", stellte Kölly fest. Demnach seien in der mittelburgenländischen Gemeinde, wo der LBL-Spitzenkandidat Bürgermeister ist und am Sonntag mit 32,4 Prozent nur 0,7 Prozentpunkte hinter der SPÖ lag, rund 500 der insgesamt 20.400 Wahlkarten ausgegeben worden.
Geringere Wahlbeteiligung als 2005
Die Wahlbeteiligung im Burgenland betrug - noch ohne Wahlkarten - 70,8 Prozent, das sind um knapp zehn Prozentpunkte weniger als 2005.
Erstmals galt bei dem Urnengang übrigens das Prinzip "Vorzugsstimme schlägt Parteistimme". Das heißt: Wer die Partei X ankreuzte, seine Vorzugsstimmen aber an die Vertreter der Fraktion Y vergab, wählte damit auch automatisch deren Partei. Im Vorfeld hatte es um diese Neuregelung einige Aufregung gegeben habe, nachdem die SPÖ in Wahlwerbungen erklärte, dass die Bürger mit ihrer Vorzugsstimme den Landeshauptmann "direkt wählen" könnten. Kritik und der Vorwurf der Wählertäuschung kam darauf aus allen Oppositionsparteien. Bei der Landeswahlbehörde gingen am Sonntag aber nur relativ wenige Anfragen diesbezüglich ein.
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