krone.at: Erinnern Sie sich an den 23. Juni 1998, Herr Prohaska?
Herbert Prohaska: Ich nehme an, da haben wir in Frankreich gegen Italien gespielt und 1:2 verloren.
krone.at: Richtig. Das war das bislang letzte Spiel einer österreichischen Fußball-Nationalmannschaft bei einer WM-Endrunde. Ihre Erinnerungen daran?
Prohaska: Gegen Italien haben wir recht gut gespielt, das war spielerisch sicher unsere beste Leistung im Turnier. Wir wussten im Vorfeld, dass die Italiener nicht in der besten Verfassung waren. Deswegen war es sehr schade, dass wir verloren haben, weil es eine gute Gelegenheit war, eine große Nation zu eliminieren. Letztlich hat sich aber doch die Klasse der Italiener durchgesetzt - und deswegen war bei uns allen die Enttäuschung über das Ausscheiden groß.
krone.at: Nach der überragenden Qualifikation, die das Team gespielt hat, waren die Erwartungen für die WM sehr hoch. Hat sich das Team dann bei der Endrunde nicht unter dem Wert verkauft?
Prohaska: Ich glaube, dass Medien und Fans die Gruppe, in die wir gelost wurden (Gruppengegner waren Kamerun, Chile und Italien, Anm.), unterschätzt haben. Man darf ja nicht vergessen, dass Kamerun nach dieser WM Olympia- und Afrika-Cup-Sieger geworden ist - das war damals eine Top-Mannschaft. Auch Chile hat mit Zamorano und Salas zwei Stürmer im Aufgebot gehabt, die zusammen doppelt so viel wie unsere komplette Mannschaft gekostet haben. So gesehen muss man schon am Boden bleiben und der Mannschaft zugestehen, dass man gegen solche Gegner ausscheiden kann. Trotzdem waren wir natürlich sehr enttäuscht.
krone.at: Einige Leistungsträger, vor allem Andi Herzog, haben bei der Endrunde, auch verletzungsbedingt, nicht an die Überform aus der Qualifikation anschließen können. Sie haben Herzog im ersten Spiel gegen Kamerun trotzdem von Beginn an gebracht. Würden Sie heute anders aufstellen?
Prohaska: Wahrscheinlich würde ich heute genauso handeln. Man muss sich ja schon vor Augen halten, dass uns der Andi damals fast im Alleingang überhaupt erst zur WM geschossen hat. Er war das Um und Auf der Mannschaft. Leider hat ihn dann die Operation an der Zehe etwas zurückgeworfen. Fakt ist, dass er letztlich nicht ehrlich genug zu sich selbst war. Und ich wollte nicht auf ihn verzichten.
krone.at: Obwohl Sie in den Trainings gesehen haben, dass Reinmayr besser in Form war?
Prohaska: Ja, aber Hannes Reinmayr hat halt in der Qualifikation kaum gespielt. Und außerdem war ich schon viel zu lange im Geschäft, um nicht zu wissen, was passiert wäre, wenn ich Herzog nicht gebracht hätte. Stellen Sie sich vor, der Andi sitzt auf der Bank und erzählt nach dem Match der Presse, er hätte mit einer Spritze doch spielen können. Abgesehen davon wissen wir ja alle nicht, ob es mit einem anderen Spieler anstelle Herzogs besser gegangen wäre. Im Endeffekt war es aber meine Entscheidung und ich habe auch die Verantwortung dafür getragen.
krone.at: Wie auch immer. Heute wären wir schon heilfroh, wenn wir uns überhaupt qualifizierten. Was haben Sie als Teamchef der 98er-Generation besser gemacht als all Ihre bisherigen Nachfolger?
Prohaska: Man darf die Generationen nicht miteinander vergleichen. Nach meiner Ära ist diese Mannschaft, zum Großteil aus Altersgründen, auseinandergefallen. Das heißt, meine Nachfolger mussten erst wieder ein Team aufbauen. Das ist aber gerade bei einer Nationalmannschaft schwierig, weil zwischen zwei Qualifikationen kaum Zeit bleibt. Aber es ist schon klar, dass ich damals eine sehr gute Mannschaft mit drei bis vier Weltklasse-Torhütern zur Verfügung gehabt habe. Der Kader war riesengroß. Legionäre wie Polster, Herzog oder Feiersinger haben bei ihren Klubs ständig gespielt, deswegen war die Mannschaft auch sehr erfahren. Auf diese Nationalmannschaft konnten wir schon stolz sein. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass alle Teamchefs nach mir nicht mehr eine derartige Qualität zur Verfügung hatten.
krone.at: Als Spieler waren Sie zweimal bei einer WM dabei. Ist es reizvoller, als Aktiver oder als Trainer bei einer Weltmeisterschafts-Endrunde mitzuwirken?
Prohaska: Einfacher ist es natürlich, als Aktiver dabei zu sein. Als Spieler hast du ja keine Verantwortung zu tragen. Trainer zu sein, ist wesentlich aufwendiger. Da hast du bei einer WM keine ruhige Minute.
krone.at: 1978 hat das österreichische Nationalteam mit Ihnen als Primgeiger gegen Spanien noch gewonnen - das ist heute unvorstellbar. Ist Spanien Ihr Top-Favorit auf dem WM-Titel 2010?
Prohaska: Ja. Spanien ist sicher der Favorit auf den Titel. Die Spanier sind amtierender Europameister, haben eine überragende Qualifikation gespielt.
krone.at: Wen haben Sie sonst noch auf der Rechnung?
Prohaska: Die Spanier werden speziell mit Brasilien, Argentinien, eventuell noch mit Italien, England und Deutschland starke Konkurrenten haben. Wichtig ist bei so einem Turnier, vor allem in der K.-o.-Phase top in Schuss zu sein. Es ist also alles möglich, aber als großer Favorit geht sicherlich Spanien ins Rennen.
von Michael Fally, krone.at
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