Bologna-Proteste

Ring-Blockade der Studenten endet im Chaos

Österreich
12.03.2010 07:41
Die geplante Totalblockade der Wiener Innenstadt durch die Studenten-Proteste ist am Donnerstagabend gescheitert: Schon bei der Großdemo am Nachmittag war die Teilnehmerzahl mit 3.200 weit unter den Erwartungen der Protestführer geblieben. Der Bologna-Festakt in der Hofburg mit Wissenschaftsministern aus ganz Europa konnte dann mangels Unterstützung und Koordination nicht wie geplant verhindert werden. "Immerhin" schafften es die Studenten, einige Shuttle-Busse aufzuhalten, sodass sich der Beginn um rund eine Stunde verzögerte.

Das Ziel, den Festakt in der Hofburg, der die Konferenz-Teilnehmer nach dem Auftakt in Budapest nach Wien führte, komplett zu verhindern, dürfte vor allem an Abstimmungsproblemen unter den Studenten gescheitert sein. So irrten etwa jene rund 150 Menschen, die das Hotel der Teilnehmer der Jubiläumskonferenz blockieren sollten, ziellos durch die Wiener Innenstadt. "Die Organisatoren haben versagt", meinte dazu eine an der Planung beteiligte Studentin.

Andere Blockade-Pläne wurden zuvor von den Delegationen selbst durchkreuzt. Sie stiegen die Minister bei ihrer Fahrt von Ungarn nach Österreich aus dem extra für sie gecharterten historischen Speisewagen aus und in Bruck/Leitha in Busse um, um eventuellen Störaktionen auf den Schienen auszuweichen.

Bei der Staatsoper kam es immerhin zu einer zwischenzeitigen Blockade des Rings, die auch zu Wortgefechten mit Autofahrern führte (im Bild oben). Die Demonstranten blockierten dabei tanzend und trommelnd die Straße. Die Polizei erst griff ein, als ein Einsatzfahrzeug blockiert wurde, einige Demonstranten wurden weggetragen, der Rest beendete kurz danach die Blockade freiwillig.

Studenten schummelten sich in die Hofburg
Zu einem kleinen Zwischenfall ist es später noch am Rande der Feierlichkeiten in der Wiener Hofburg gekommen: Trotz Zutrittskontrolle kamen drei Studenten bis ins Foyer des Großen Redoutensaals, wo Wissenschaftsministerin Beatrix Karl gerade Interviews gab. Sie gesellten sich zu den Journalisten und wollten während eines TV-Interviews selbst Fragen stellen. "Frau Karl!", setzte ein Student an, wurde aber gleich von Mitarbeitern der Ministerin zurückgedrängt. Nachdem die Studenten der Aufforderung der Sicherheitskräfte, ihre Zutrittsberechtigung vorzuweisen, nicht Folge leisteten, wurden sie zum Ausgang begleitet. Karl setzte inzwischen ihre Statements unbeeindruckt fort.

Die Studenten waren am Vormittag von der seit rund einem Monat im Amt befindlichen Ministerin aufgefordert worden, mitzudiskutieren statt zu demonstrieren. Ihr Wort blieb allerdings ungehört. 

Friedliche Demonstration am Nachmittag
Am Nachmittag hatten mehrere tausend Studenten - europäische Unterstützer inklusive - gegen den Bologna-Prozess demonstriert. Die Polizei sprach von rund 3.200 Personen, die Organisatoren gingen hingegen recht selbstbewusst von 10.000 bis 12.000 Teilnehmern aus, die vom Westbahnhof über die Mariahilfer Straße, die ehemalige Zweierlinie und die Ringstraße gezogen sind. Die Demo verlief ohne Zwischenfälle.

Beim Parlament veranstalteten mehrere hundert Personen einen mehrminütigen Flashmob, rannten die Rampe hinauf und enthüllten ein Transparent mit der Aufschrift "Quo Vadis?".

"Fick die Uni, fick den Staat"
Unterstützt wurden die Demonstranten u.a. vom Grünen Bildungssprecher Harald Walser und dem Grünen Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald, die sich in den Demozug mischten. In diesem waren Transparente wie "Morbus Bologna. Widerstand schützt", "Burning University. Make Bologna History", "Fick die Uni, fick den Staat, fick Kapitalismus" oder einfach "Bologna stinkt" zu lesen. Die Sprachen bei der Auftaktkundgebung waren bunt gemischt. Zu hören waren Teilnehmer u.a. aus Italien, Spanien, Deutschland, Serbien, Griechenland, Frankreich und der Türkei.

Laut der Österreichischen HochschülerInnenschaft der Uni Graz sind auch rund 120 Personen per Bus aus der Steiermark angereist. "Wir stehen vor einem Studiensystem, das sich nur mehr nach der Verwertbarkeit von Studium und Forschung orientiert und Menschen zu Produkten, die mit Wissen angereichert werden, degradiert. Was fehlt, ist der Freiraum für Studierende", begründet der Grazer ÖH-Vorsitzende Cengiz Kulac die Teilnahme.

Jubiläumskonferenz in Wien und Budapest
Der "Bologna-Prozess" hat die Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums bis 2010 zum Ziel, sorgt in der derzeitigen Phase aber für viel Unmut unter Studenten. Kritikpunkt ist unter anderem, dass der für Österreich noch relativ neue Grad "Bachelor" in der Realwirtschaft kaum Anerkennung findet und dass die alten Lehrpläne für das achtsemestrige Magisterstudium in das nur sechssemestrige Bachelor-Studium einfach übergewälzt worden seien. Das danach vorgesehenen viersemestrigen Master-Studium verlängere nur unnöttig die Studiendauer, heißt es.

Der Grundstein für Bologna wurde im Jahr 1999 gelegt, als die Bildungsminister von 29 europäischen Ländern die Bologna-Erklärung unterzeichneten, darunter auch Österreich. Zum Zehn-Jahr-Jubiläum wird die Konferenz in Budapest und Wien veranstaltet. Zum Auftakt der Veranstaltung wurde Kasachstan als 47. Mitgliedsland im Bologna-Prozess aufgenommen.

Zu Ende geht die Konferenz heute mit Arbeitssitzungen, über die zum Abschluss in einer Pressekonferenz berichtet wird. Parallel debattiert wird auch von Studenten bei einem Alternativ-Gipfel am Uni-Campus.

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