„Krone“-Interview

Eloy de Jong: „Ich möchte ein Vorbild sein“

Musik
31.03.2019 07:00

Als Mitglied von Caught In The Act schrieb Eloy de Jong in den 90er-Jahren Boygroup-Geschichte. Seit einiger Zeit hat sich der Holländer aber auch eine sehr erfolgreiche Schlagerkarriere aufgebaut. Im Interview sprachen wir nicht nur über sein aktuelles Album „Kopf aus - Herz an“, sondern auch über seine Erlebnisse in der Castingshow-Welt, wie hart seine Kindheit war und wie ihn sein Familienleben veränderte.

(Bild: kmm)

„Krone“: Eloy, mit dem Album „Kopf aus - Herz an“ gelang dir mit deinem Debüt ein fulminanter Erfolg.
Eloy de Jong:
Für mich ist das eine Überraschung und es überstieg all meine Träume. Anfangs dachte ich daran, dass es Möglichkeiten gäbe, aber dass ich so schnell so ein Level erreiche und in Deutschland auf eins komme und in Österreich auf zwei, das ist unglaublich.

Kannst du diesen Erfolg nach einer gewissen Zeit schon anders einordnen und kategorisieren?
Wenn man nicht vernünftig mit so einer Sache umgeht, hat man ein Problem. Die Dankbarkeit muss immer da sein und es ist nicht normal, dass so viele Menschen deine Musik hören. Eine Frau kam unlängst zu mir und sagte mir, einen bestimmten Song würde sie jeden Tag einmal hören. Das ist ein Wahnsinnskompliment. In den 90er-Jahren hatte ich mit Caught In The Act auch viele Erfolge. Goldene Schallplatten, volle Hallen, Bravo-Awards - aber was ich jetzt erlebe und erfahre, ist einzigartig. Eine erfolgreiche Boyband-Zeit ist ein Traum, aber sie hat ein Ablaufdatum. Ich habe viele Jahre gebraucht, um das zu verarbeiten. Ich habe seit elf Jahren einen Partner, mit ihm eine Familie gegründet und wir haben eine gemeinsame Tochter und leben in Utrecht. Diese Menschen sind immer für mich da - ob mit oder ohne Erfolg. Das ist ein Reichtum, den ich in den 90ern nicht hatte. Ich lernte, was wirklich wichtig ist. Ich bin natürlich auch happy mit den Erfolgen, aber nur das würde meine Existenz sehr leer erscheinen lassen. Die Balance in meinem Leben ist heute da. Es hat lange gedauert, dort hinzukommen.

Als Caught In The Act formiert wurden, warst du 21 Jahre jung. Aus dem Nichts bist du zu einem europaweiten Popstar aufgestiegen. War es anfangs schwierig, damit umzugehen?
Wir haben damals den Traum gelebt. Als Kind habe ich nicht mit Autos gespielt, sondern in meinem Zimmer davon geträumt, Popstar zu werden. Wir wurden bei jedem Schritt begleitet, aber nicht dort, wo man lernen muss, als Mensch damit umzugehen. Wenn man plötzlich in so vielen Ländern ist und herumgeschoben wird, ist es hart. Ich habe mir mein Selbstvertrauen aus dem Erfolg geholt und sah ihn als Bestätigung. Dass es auch woanders herkommen kann, lernt man erst später. Die „Boyband-High-School“ nütze ich noch heute jeden Tag, weil ich viel daraus gelernt habe - etwa mir meine Grenzen zu stecken. Damals gab es Anrufe, dass man ab dem nächsten Tag für fünf Wochen nach Asien müsste. Natürlich haben wir zugesagt, aber heute würde ich das klar ablehnen. Ich weiß heute, was ich will und wie viel ich aushalte. Ich brauche mein eigenes Leben und das habe ich jetzt.

Die meisten Musiker würden gar nicht über ihre Vergangenheit reden wollen - du gehst erstaunlich offen damit um.
Ich bin sehr stolz auf meine Vergangenheit. Ich habe unlängst Interviews gelesen von Stock, Aitken & Waterman - die waren Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre in Holland total erfolgreich. Sie hatten dann eine seriöse Karriere begonnen, aber ich weiß, was das Publikum haben will. Caught In The Act hat mich hierhergebracht, das ist ganz klar. Manchmal höre ich mir selbst die alten Songs an und finde sie gut. Ich will dem Publikum geben, was es hören wollen. Mittlerweile habe ich zum Glück schon ein paar eigene Hits, aber bei den Livekonzerten werde ich auch mal ein Caught-In-The-Act-Medley einbauen, wenn es passt. Ich habe da überhaupt kein Problem damit.

Es ist auch kein Geheimnis, dass du als Kind sehr stark unter deinem dann viel zu früh verstorbenen Vater gelitten hast. Waren Caught In The Act auch eine willkommene Flucht aus der harschen Realität?
Diesen Traum hatte ich schon mit 11 oder 12. Ich wollte eines Tages berühmt sein und dadurch lieben mich die Menschen, weil ich das nicht von meinem Vater bekam. Kinder suchen immer die Bestätigung, dass sie so okay sind, wie sie eben sind. Als die Boyband so erfolgreich war, habe ich mein Dasein daraus schöpfen können. Als das weg war, habe ich wirklich gelernt, wie es ist, alleine zu sein. Ich bin weite Wege gegangen und finde es wichtig, darüber zu reden. Die Menschen brauchen Vorbilder. Hätte ich als Kind so etwas gehört wie das, was ich jetzt sage, wäre es mir vielleicht besser gegangen.

2004 hattest du mit „Angel In Disguise“ eine erfolgreiche Single. Danach hast du eine erfolgreiche TV-Produktionsfirma geleitet und dein privates Glück gefunden - die Musik aber beiseitegeschoben. Hat es damals nicht sollen sein?
Eigentlich war damals das Gefühl, dass ich ohne jemand anderen probieren wollte. Ich war als Mensch aber nicht so weit und hatte einen Manager, der große Pläne machte. Es hat mir aber nicht gepasst. Ich musste einen eigenen Weg gehen und viel dazulernen. Ich wollte beruflich hinter die Kamera und schauen, wie es mir dort geht. Viele haben immer gesagt, wir wären nur hübsche Jungs und könnten ein bisschen tanzen und das wäre es dann - damit wollte ich nicht leben. Man glaubt irgendwann selbst daran und will ausbrechen. Ich wollte meinen Kopf fördern und kreativ sein. Jetzt liebe ich es, auf der Bühne zu stehen, aber mit meinem Manager zusammen am Artwork und den Videos zu arbeiten. Diese Freiheit tut mir irrsinnig gut. Ich bin nicht nur einer, der ausschließlich auf der Bühne steht.

Wie viel von dir selbst steckt in Musik und Texten deines erfolgreichen Albums?
Sehr viel. Ich habe die Texte nicht geschrieben, aber wir haben so viel miteinander geredet, dass sie ehrlich und authentisch sind. Das Lied „Regenbogen“ dreht sich etwa um meine Familie. Ich lebe offen mit meinem Partner und habe eine Tochter - wir sind eine Regenbogenfamilie. Ganz egal was andere sagen, wir machen das so, wie wir es für richtig halten. Nimm dich so, wie du bist - das ist die wichtigste Botschaft auf dem Album. Ich habe zum Beispiel eine Textzeile, wo ein Vater seinem Sohn das Rasieren lernt. Das sind so kleine Momente, an die sich jeder erinnern kann und die einen prägen. Vorbildwirkung klingt etwas zu seriös und ist mir fast zu viel, aber ich will einfach eine richtige Anleitung fürs Leben geben. Ich zeige, wie ich lebe und das Harmonie vielseitig sein kann. „Regenbogen“ ist ein Lied für die allgemeine Liebe - nicht nur zwischen zwei Männern und zwei Frauen. Solange sich zwei Menschen lieben, ist das gut. Wenn der eine Vater oder die andere Mama dann merken, dass das okay ist, dann habe ich schon viel erreicht.

Du hast dich 1999 als schwul geoutet. Als erstes Boyband-Mitglied zu einer Zeit, wo die Öffentlichkeit noch wesentlich harscher darauf reagierte. Insofern muss man dir wirklich großen Mut attestieren, weil das für eine Person der Öffentlichkeit gewiss nicht einfach war.
Es ist immer ein Auf und Ab mit dem Thema. Viele sagen, dass es heute überall akzeptiert wäre, aber das sieht nur an der Oberfläche so aus. Ich will den Leuten einfach zeigen, dass es okay ist. Ich fühle mich frei, dass ich als Mensch offen über mein Leben reden kann, aber für mich gibt es in der Liebe nirgendwo einen Unterschied. Für manche ist das vielleicht unbekannt, aber es tut niemandem weh. Ich will damit zeigen, dass man auch den Kopf aus- und das Herz anschalten soll. Ich lade alle ein, 24 Stunden zu mir zu kommen und zu sehen, wie mein Partner und ich mit unserer Tochter leben. Danach würde keiner mehr sagen, dass das nicht geht.

Dein Album dreht sich prinzipiell darum, dass man so sein sollte wie man ist, dazu steht und sich nicht vom Weg abbringen lässt. Insofern hast du schon viele positive Signale gesendet. Hast du schon einmal einen Punkt erreicht, wo du gedacht hast, jetzt kann dich überhaupt nichts mehr verunsichern?
Das Leben ist immer eine Herausforderung und es kommen immer neue Hürden auf einen zu. Man kann Dinge nicht ändern, aber man kann damit anders umgehen. Ich sehe mein Glas immer halbvoll und nicht halbleer. Man muss als Mensch immer positiv bleiben.

Der Song „Egal was andere sagen“ ist eine Hommage an deinen verstorbenen Ex-Freund Stephen Gately, der damals Mitglied von Boyzone war. Du öffnest dich auf diesem Album wirklich sehr stark - war das immer dein Ziel?
Ich kenne meine eigenen Grenzen sehr gut und das habe ich bei Caught In The Act gelernt. Ich weiß auch, was und wie viel ich mit der Öffentlichkeit teilen will. Auch Künstler haben Gefühle und erleben schlimme Sachen, warum sollte man nicht darüber singen? Sagen wir so - ich kann es nicht anders. Wir leben in einer Welt, wo viele nur auf Instagram ihr Leben mit Glanz und Glitter zeigen, aber das echte Leben ist kein Märchen. Jeder von uns hat seinen Rucksack zu tragen und warum sollte man darum ein Geheimnis machen?

„Liebe kann so weh tun“ ist ein gutes Beispiel dafür, dass nicht immer alles rosarot ist. Auf dem Track singst du mit der legendären Marianne Rosenberg. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Als wir die Albumaufnahmen gemacht haben, haben meine Produzenten gemeint, ein Duett wäre gut. Wir wollten jemanden, der auch in Holland bekannt ist und ihr größter Hit bei uns war „Ich bin wie du“. Sie hat gleich zugesagt und das schätze ich sehr. Das Lied ist zu einer Single geworden und die Idee zum Video stammt von mir.

Den Song „An deiner Seite“ hast du für deine Tochter Indy geschrieben. Wie hat sein dein Leben privat und auch beruflich schlussendlich verändert?
Es hat mich auch mit meiner eigenen Vergangenheit konfrontiert. Ich habe die Kette durchbrochen und will, dass sie immer weiß, dass sie so gut ist, wie sie ist. Manchmal machen Kinder Ärger, aber wenn sie schlafen gehen, dann hoffentlich in der Gewissheit, dass sie auch ihre Meinung haben dürfen. Ich mag einfach ihre Ehrlichkeit, denn sie sind knallhart. Aber kann man zu ehrlich sein? Eigentlich nicht. Indy hat unser Leben wirklich extrem bereichert.

Du warst auch ein Teil der Show „Promi Big Brother“. Das ist eine Form der Unterhaltung, der viele Menschen sehr ablehnend gegenüberstehen. Hast du dir anfangs Sorgen um dein Image gemacht?
Mit so einem Format rüttelt man natürlich auf, aber das ist auch wichtig. Ich war drinnen und blieb mir selbst immer treu. Es war die erste Gelegenheit für mich, dem Publikum zu zeigen, wie ich ticke. Man kannte mich nur als Posterboy der 90er-Jahre und was wir waren, passte perfekt ins „Bravo“-Format, aber keiner kannte mich als Mensch. Bei mir hat das dann gut funktioniert. Nicht jeder muss in so einem Format immer betrunken sein oder Bullshit reden. Für mich war es einfach eine wunderbare Chance. Ich wurde Donnerstagnacht aus dem Container gewählt und am Ende Vierter. Mein Manager hat mich abgeholt und mir die Demo von „Regenbogen“ vorgespielt, weil seine Inspiration dazu aus meiner Zeit in dem Container stammte. Wir bekamen einen Auftrag, dass wir auf einer Mauer etwas zeichnen sollten. Anfangs war alles grau und wir bekamen Buntstifte. Ich habe dann meine Familie mit Regenbogen, Herzen, Sonne und einer Regenwolke gezeichnet und die Geschichte dazu erzählt. Einen Regenbogen kriegt mann schließlich nur dann, wenn man Sonne und Regen hat. Das hat meinen Manager inspiriert und eine Woche später haben wir den Song ohne Plattenfirma veröffentlicht. Er landete dann weit oben in den Download-Charts, was mir wieder zum Vertrag verhalf. Das war schon vor eineinhalb Jahren und von da an ging es steil bergauf. Ein Traum wurde war.

Du machst jetzt Schlager, warst früher Boyband-Popstar. Warst du anfangs vielleicht verunsichert, weil du jetzt eben etwas ganz anderes machst?
Ehrlich gesagt sehe ich kaum einen Unterschied. Viele Menschen bleiben immer dort kleben, wo sie musikalisch waren, aber die alten Caught In The Act-Songs sind auf Deutsch übersetzt auch fast Schlager. Mein Album ist Popmusik mit deutschsprachigem Schlager - ich finde den Schritt nicht so groß. Der Schuh passt mir wirklich gut. Vor ein paar Monaten war ich mit Jürgen Drews im Flugzeug und er hat unseren damaligen Hit „Love Is Everywhere“ auf Deutsch gesungen. Er ist der Schlagerkönig auf Mallorca und das heißt schon was. Mir ist es auch egal, wie man etwas nennt. Solange man Spaß dabei hat, ist es gut.

„Kopf aus - Herz an“ ist ja ein gutes Lebensmotto. Hast du dahingehend schon einmal die falsche Entscheidung getroffen? Zu viel Kopf und zu wenig Herz eingesetzt?
Vielleicht hatte ich Angst, so wie ich bin, öffentlich zu leben. Ich war damals so jung und manchmal braucht man Jahre, um Entscheidungen zu reflektieren. Die Freiheit, die ich jetzt genieße ist so viel besser und ich bin prinzipiell ein Herzmensch. Mein Partner ist viel rationaler und weniger emotional veranlagt und wir ergänzen uns da sehr gut. Ich habe so oft gehört, dass Dinge nicht gehen. Zwei Männer zusammen? Das geht ja nicht. Eine Tochter haben? Geht ja nicht. Ein Boyband-Mitglied, dass deutschen Schlager macht? Das geht ja nicht. Wenn ich immer auf meinen Kopf gehört hätte und nie auf mein Herz, hätte das alles nicht geklappt.

Caught In The Act wurden Ende 2015 auch wieder aktiv und sind hier und da immer noch auf den Bühnen zu sehen. Gehen sich beide Karrieren parallel zueinander aus?
Das werden wir sehen, ob das alles so geht. Wir haben mit der Band eine schöne Tour gemacht, aber nicht wirklich 100 Prozent gegeben, weil wir mittlerweile alle andere Leben und Jobs haben. Jetzt will ich zu 150 Prozent meine Solomusik machen und habe auch die Arbeit mit der TV-Produktionsfirma zurückgestellt. Ich bin stolz auf meine Vergangenheit in der Band und für mich wäre es okay, wenn wir alle paar Jahre mal ein Konzert machen. Aber der Fokus liegt aber auf der Solokarriere.

Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es weitere Alben von Caught In The Act geben wird?
Ich denke nicht, dass wir noch ein neues Album machen werden. Wir haben zwei neue Songs aufgenommen und man sieht schon, dass die Leute eigentlich nur „Love Is Everywhere“ und die anderen Klassiker hören wollen. Wir könnten neue Songs aufnehmen, aber kein Mensch will sie wirklich hören. Wir sollten lieber die Vergangenheit feiern und das mache ich mit großem Stolz. Mit meinem Soloprojekt feiere ich die Gegenwart und die Zukunft. Ich habe also alles, was ich brauche.

Live zu sehen ist Eloy de Jong am 1. April in der Wiener Stadthalle beim von Florian Silbereisen präsentierten „Großen Schlagerfest“. Ebenfalls mit an Bord sind u.a. Matthias Reim, Michelle und Klubbb 3. Weitere Infos und Karten erhalten Sie unter www.ticketkrone.at

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