Turbulente Szenen

Aktionismus-Show bei letzter Sitzung des Nationalrats

Österreich
11.12.2009 22:38
Ein umfangreiches Programm hatte der Nationalrat am Freitag in seiner letzten regulären Sitzung des heurigen Jahres zu bewältigen. Zahlreiche wichtige Beschlüsse standen auf der Tagesordnung. Doch zu Beginn regierte der Aktionismus: Das BZÖ schmähte den U-Ausschuss-Vorsitzenden Martin Bartenstein bei dessen Abschlussbericht zum Spitzel-U-Ausschuss mit "Abgedreht"-Taferln. Den Sicherheitsdienst beschäftigten dann protestierende Studenten, die von der Besuchergalerie Flugblätter ins Plenum warfen.

Die Sitzung begann um 9 Uhr und wurde wenige Minuten nach Beginn fast unterbrochen. Die BZÖ-Abgeordneten hatten sich mit Tafeln mit der Aufschrift "Abgedreht" ausgerüstet und hielten sie der Regierungsbank entgegen. Groß darauf gedruckt: Ein Foto des Ausschussvorsitzenden Martin Bartenstein in kasachischer Tracht, das im Jahr 2007 bei einem Staatsbesuch (Bartenstein war damals Wirtschaftsminister) aufgenommen wurde.

Gegen 10.30 Uhr entwickelten sich auf der Besuchergalerie tumultartige Zustände, als eine Gruppe junger Leute lautstark Protestrufe skandierte und Flugblätter ins Plenum warf. Mit der etwas kopflastigen Parole ("Die Demokratie setzt die Bildung des Volkes voraus, die sie erst hervorbringen soll") forderte das Dutzend Studenten die Abgeordneten auf, ihre Anliegen ernst zu nehmen. "Reden wir endlich miteinander, nicht nur übereinander", verlangten sie, bevor sie die Sicherheitskräfte von der Galerie drängten.

Bartenstein legt trockene, selbstkritische Bilanz vor
Bartensteins mündlicher Bericht offenbarte sich als trockene, sachliche aber auch selbstkritische Bilanz des U-Ausschusses. Der ehemalige ÖVP-Minister listete zunächst die Untersuchungsgegenstände auf: Aufklärung, ob politische Mandatare gesetzwidrig überwacht wurden, Verdacht der Anstiftung zur Bespitzelung von Personen im politischen Umfeld des Parlaments, Aufklärung über versuchte Einflussnahme ausländischer Geheimdienste auf Politiker.

"Das war kein Renommierstück des Parlamentarismus", begann Bartenstein mit Blick auf den seit Wochen andauernden Konflikt zwischen Koalition und Opposition. Der Abgeordnete, der zuletzt selbst für die Ladung von Ministern plädiert hatte, musste sich dafür - wie er nun sagte - auch parteiinterne Kritik anhören.

Nicht abgeschlossen wurde laut Bartenstein die Untersuchung der Geheimdienstaffäre rund um den kasachischen Ex-Botschafter in Österreich, Rakhat Alijew. Hier hätte er sich die Ladung zusätzlicher Auskunftspersonen gewünscht. In der vom Ausschuss ebenfalls untersuchten "Causa Westenthaler" attestierte Bartenstein der Staatsanwaltschaft eine "überschießende" Vorgangsweise. Die Staatsanwaltschaft hätte den Abgeordneten zumindest als Zeugen befragen müssen ("gelinderes Mittel"), bevor sie seine Handykontakte zurückverfolgte. Nicht festlegen wollte sich Bartenstein im blau-grünen Konflikt um die "Causa Öllinger". Hier wirft die FPÖ dem Grünen Sozialsprecher Karl Öllinger vor, mit Hilfe eines Polizisten auf interne Behörden-Informationen über rechtsextreme Kontakte der Blauen zugegriffen zu haben. Die Schlüsselfrage werde hier sein, "ob es dem Abgeordneten Öllinger bekannt war, ob der Polizist ein Polizist war". Das müsse nun das Gericht klären.

Insgesamt hätte sich Bartenstein im Ausschuss "den Verzicht auf persönliche Beleidigungen" und "etwas mehr Respekt" auch gegenüber den Auskunftspersonen gewünscht. Als Problem sieht Bartenstein das "überschießende Zitieren" aus vertraulichen Akten in öffentlicher Sitzung. Bartenstein appellierte an alle Parteien, sich bis Ende März auf die Reform der U-Ausschüsse zu einigen, die der Opposition im Alleingang die Einsetzung eines solchen Kontrollgremiums ermöglichen soll. Als Dauer der U-Ausschüsse hält Bartenstein künftig drei bis sechs Monate für "angemessen".

Antrag auf Ausschuss-Verlängerung abgelehnt
Die nachfolgenden Redner (FPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss Martin Graf, BZÖ-Fraktionsführer Ewald Stadler, Grünen-Fraktionsführer Peter Pilz) brachten dann erneut ihre schon aus der "Pröll-Sondersitzung" bekannten Vorwürfe dar. Ein BZÖ-Antrag auf Verlängerung des U-Ausschusses bis 23. März 2010 wurde dann in einer namentlichen Abstimmung abgelehnt: Dafür stimmten nur 75 Abgeordnete, das entspricht den Mandataren von FPÖ, BZÖ, Grünen inklusive des "wilden" Abgeordneten Gerhard Huber.

Gemeinsam von der Koalition verabschiedet wurde hingegen ein Entschließungsantrag, welcher Lehren man aus dem Ausschuss ziehen sollte. Darin enthalten ist unter anderem die Forderung, dass Verfolgungshandlungen gegen Abgeordnete, sofern der politische Zusammenhang nicht offensichtlich verneint werden muss, ausschließlich nach erfolgter Zustimmung (des Parlaments) zur behördlichen Verfolgung erfolgen dürfen. Die FPÖ und die Grünen legten im Plenum Minderheitenberichte vor. Das BZÖ verzichtete auf einen eigenen Report.

Misstrauensantrag gegen Berlakovich ohne Erfolg
Ein Misstrauensantrag der Grünen gegen Umweltminister Niki Berlakovich wurde nur vom BZÖ unterstützt und blieb daher klar in der Minderheit. Die Grünen hatten dem ÖVP-Minister einen "Antiklimaschutz-Kurs" vorgeworfen. Zur Last gelegt wurde Berlakovich unter anderem, dass Österreich in der EU Schlusslicht bei der Erfüllung der Kyoto-Klimaschutzvorgaben sei und daher bis zu einer Milliarde Euro an "Strafzahlungen" drohten.

Banken-Hilfspaket verlängert
Der "Schutzschirm" über die Banken bleibt ein weiteres Jahr aufgespannt. Der Nationalrat hat das Stützungspaket für die österreichischen Finanzinstitute mit Koalitionsmehrheit bis Ende 2010 verlängert. Banken, die früher und in Schritten damit beginnen wollen, das über Partizipationskapital eingeschossene Geld vom Staat zu tilgen, können dies bereits ab kommendem Jahr angehen.

Immunität von Öllinger aufgehoben
Zum Abschluss der letzten Plenarsitzung des Jahres wurde einstimmig die Immunität des Grünen-Abgeordneten Karl Öllinger aufgehoben. Die FPÖ hatte ihn wegen angeblicher falscher Zeugenaussage im Spionage-Untersuchungsausschuss angezeigt. Vertagt wurde die geplante Reform der Geschäftsordnung des Nationalrats, mittels derer die wenig erfolgreichen Europatage durch jährlich vier "Aktuelle Europastunden" und zwei spezielle Debatten auf Basis von Erklärungen der Regierung ersetzt werden.

Die erste Sitzung des Jahres 2010 ist für den 29. Jänner angesetzt.

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