Landesweite Proteste

Kann die Wut der Armen Irans Führung stürzen?

Ausland
03.01.2018 18:05

Als Reaktion auf die andauernden Proteste gegen die iranische Führung sind nun landesweit auch Zehntausende Menschen zur Unterstützung der Regierung auf die Straße gegangen. Dies berichtete das Staatsfernsehen am Mittwoch. Auf Fernsehbildern waren Menschenmengen zu sehen, die "Führer, wir sind bereit!" skandierten. Zudem wurden die üblichen Feindbilder mit Hasstiraden bedacht: "Nieder mit den USA, nieder mit Saudi-Arabien, nieder mit Israel!" Mit diesen Bildern versuchen die Mullahs offenbar, den Unmut gewaltlos abzumildern. Tatsächlich ist die Führung des Landes stark in Bedrängnis, die Proteste haben nämlich im Unterschied zu den blutig niedergeschlagenen Unruhen im Jahr 2009 eine ganz andere Dimension.

Anders als 2009, als die Demonstranten eine Reihe konkreter Reformen forderten, wirken die aktuellen Proteste spontaner. Sie scheinen nicht zentral von einigen Anführern organisiert zu sein, die die Behörden identifizieren und festnehmen könnten. Die Demonstranten kommen aus unterschiedlichen Schichten und haben unterschiedliche Forderungen. Der Großteil scheint jedoch jung zu sein und aus der Arbeiterschicht zu stammen. Diese Menschen sind es, die an der hohen Arbeitslosigkeit, hohen Inflation und grassierenden Korruption am meisten leiden. Bisher galten die ärmeren Schichten in ländlichen Regionen als loyale Anhänger der Islamischen Republik. Doch die Kürzung der staatlichen Förderung für zahlreiche Menschen bei gleichzeitiger Erhöhung wichtiger Lebensmittelpreise hat nun auch diese Sympathisanten auf die Barrikaden gebracht.

Die Kritik an der Versorgungslage birgt im Iran besondere Sprengkraft, weil die islamische Revolution 1979 als Aufstand der Armen gegen Ausbeutung und Unterdrückung dargestellt wird. Der gemäßigte Präsident Hassan Rouhani gewann seine Wahlen mit dem Versprechen, die wirtschaftliche Lage der Menschen zu verbessern. Das Ende der Sanktionen nach dem Atomabkommen 2015 hat der Bevölkerung bisher aber keine Vorteile gebracht.

Forderung nach höheren Löhnen und Ende der Stellvertreterkriege
Bürger im ganzen Land verlangen höhere Löhne und ein Ende der Korruption. Unmut richtet sich jedoch auch gegen das religiöse Establishment und gegen die interventionistische Außenpolitik des Landes. Der Iran hat militärisch in Syrien und dem Irak eingegriffen und ringt mit der zweiten Regionalmacht Saudi-Arabien um die Vorherrschaft im Nahen Osten. Für Ärger sorgt auch die finanzielle Unterstützung der Palästinenser sowie der Hisbollah-Miliz im Libanon. Die Demonstranten verlangen von der Regierung, sich stattdessen auf die innenpolitischen Probleme zu konzentrieren.

Diese allgemeine Unzufriedenheit mit der Regierung stellt für diese ein großes Risiko dar. 2009 ging vor allem die Mittelschicht auf die Straße, um gegen die Wiederwahl des umstrittenen Hardliner-Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad zu demonstrieren. Damals reichte es, die Spitzen der Opposition unter Hausarrest zu stellen. Danach gingen die Proteste zwar noch weiter, doch bis zum Ende des Jahres war das Rückgrat der Reformbewegung gebrochen. Heute gibt es keine konkreten Führungspersonen, die man verhaften könnte. Wohl aus diesem Grund nannte Ayatollah Ali Khamenei in seiner Ansprache an das Volk die üblichen Verdächtigen im Ausland als Drahtzieher für die jüngsten Ausschreitungen. Ob die die Drohungen eines Revolutionsrichters mit der Todesstrafe für Demonstranten die Wut der Armen in Angst verwandeln wird, ist eher unwahrscheinlich.

Präsident Rouhani optimistisch: "Proteste in wenigen Tagen zu Ende"
Präsident Rouhani zeigte sich in einem Telefongespräch mit seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan am Mittwoch optimistisch, dass die Proteste "in wenigen Tagen" zu Ende sein werden. In dem Gespräch habe sich Erdogan einig mit Rouhani gezeigt, dass das Demonstrationsrecht der Bürger nicht zu "Verstößen gegen die Gesetze" führen dürfe, erklärte die türkische Präsidentschaft nach dem Telefonat.

Trump kündigt "große Unterstützung" der Demonstranten an
Das Ausland beobachtet die Proteste weiter aufmerksam. In der Nacht auf Mittwoch forderten die USA eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. "Die UNO muss ihre Meinung sagen", sagte die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley in New York. US-Präsident Donald Trump zollte den regierungskritischen Demonstranten Respekt. "Ihr werdet zu gegebener Zeit große Unterstützung der Vereinigten Staaten erhalten", twitterte er. Unterdessen verlautbarte die iranische Nachrichtenagentur Tasnim, dass in der Stadt Borujerd ein europäischer Staatsbürger festgenommen worden sei. Die Person sei von "europäischen Geheimdiensten" ausgebildet worden, und habe die Proteste angeführt, hieß es.

 

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