Unabhängigkeitskampf

Separatisten-Wahlsieg: Weiter Chaos in Katalonien

Ausland
22.12.2017 06:30

Die Neuwahl in Katalonien hat keine politische Entspannung in der spanischen Krisenregion gebracht: Die drei separatistischen Kräfte konnten am Donnerstag erneut eine absolute Mehrheit von 70 der insgesamt 135 Sitze des Parlaments in Barcelona erringen. Die Wahlbeteiligung erreichte mit fast 82 Prozent einen Rekordwert. Wie es nun weitergeht, ist völlig unklar. Wegen der Uneinigkeit der separatistischen Parteien untereinander sowie juristischer Unabwägbarkeiten könnte es noch lange dauern, bis eine neue Regionalregierung steht. Auch erneute Neuwahlen sind nicht ausgeschlossen. Ein Ende des Chaos ist damit nicht in Sicht.

Die Neuwahl fand knapp zwei Monate nach der Absetzung der katalanischen Separatisten-Regierung durch die Zentralregierung des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy statt. Seither kontrolliert Madrid die autonome Gemeinschaft.

Puigdemont: "Der spanische Staat wurde bezwungen"
Die nun von den Separatisten verteidigte absolute Mehrheit feierte Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont in der Nacht auf Freitag in Brüssel. "Der spanische Staat wurde bezwungen", sagte er vor Journalisten und Anhängern in der belgischen Hauptstadt, in die er sich abgesetzt hatte, um in Spanien einer Inhaftierung zu entgehen.

Puigdemonts Allianz JuntsxCat (Gemeinsam für Katalonien) schnitt entgegen aller vorherigen Umfrageergebnisse überraschend gut ab und kam alleine auf 34 Sitze. Sollte Puigdemont nach Spanien zurückkehren, droht ihm allerdings die sofortige Festnahme. Dennoch will er heimkehren, falls er vom Parlament zum Präsidenten gewählt wird. "Rajoy und seine Alliierten haben verloren und von den Katalanen eine Ohrfeige bekommen. Madrid hat die Wahl verloren, mit der es den Putsch legalisieren wollte", sagte er nach der Wahl.

Separatistische Parteien untereinander zerstritten
Auf der Seite der Separatisten schnitt auch die linksnationalistische Partei ERC des in Untersuchungshaft sitzenden Spitzenkandidaten Oriol Junqueras gut ab und holte 32 Sitze. Ihm werden ebenso wie Puigdemont Rebellion und Aufruhr vorgeworfen, es drohen lange Haftstrafen. Die dritte Unabhängigkeitspartei, CUP, verlor sechs Sitze und hat nur noch vier. Die drei separatistischen Parteien verfügen damit formal über die Parlamentsmehrheit. Da sich aber eine Reihe ihrer Politiker in U-Haft befindet, könnten einige Sitze unbesetzt bleiben. Auch sind die Anhänger der ERC und der JuntsxCat nach der Flucht Puidgdemonts ins Ausland zerstritten.

Unionistische Ciutadans erhielt die meisten Stimmen
Die Gegner der Unabhängigkeit verpassten die absolute Mehrheit überraschend deutlich. Umfragen hatten zuvor lange ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Separatisten prognostiziert. Aber auch wenn die Unabhängigkeitsbefürworter die Mehrheit der Parlamentssitze ergattern konnten, die meisten Wählerstimmen bekam eine andere Kraft: Die unionistische Bürgerpartei Ciutadans der Spitzenkandidatin Ines Arrimadas ging als eigentliche Gewinnerin der Wahlen hervor. Ciutadans ist strikt gegen eine Loslösung der Region von Spanien und erzielte 37 Sitze - jedoch gab es wegen des schlechten Abschneidens der möglichen Koalitionspartner keine Chance auf eine Regierungsbildung.

"Der historische Triumph von Arrimadas kann die Unabhängigkeitsbestrebungen nicht aufhalten", schrieb die Zeitung "El Mundo". Die Anhänger der 36-Jährigen feierten in der Nacht dennoch den Sieg der Partei und riefen immer wieder: "Wir sind Spanier!" Die Parteichefin jubelte: "Zum ersten Mal hat eine verfassungstreue Partei die Wahl gewonnen!"

Schwerer Rückschlag für Rajoys Volkspartei
Der spanische Regierungschef Rajoy fuhr hingegen eine schwere Schlappe ein. Er hatte gehofft, dass die Separatisten aus der Neuwahl geschwächt hervorgehen und der Konflikt mit der wohlhabenden Region entschärft wird. Stattdessen musste seine Volkspartei (PP) eine vernichtende Niederlage in Katalonien hinnehmen: Sie kam nur auf drei Sitze, acht weniger als zuvor. Die Sozialisten (PSC) konnten hingegen leicht zulegen und verfügen jetzt über 17 Mandate. Die Partei CatComu von Barcelonas progressiver Bürgermeisterin Ada Colau, die sich eine Regierung aus Befürwortern und Gegnern der Unabhängigkeit vorstellen kann, büßte drei Mandate ein und kann mit acht Sitzen rechnen.

Obwohl die prospanischen Parteien mit rund 52 Prozent mehr Stimmen als die Separatisten mit knapp 48 Prozent gewannen, ziehen sie im Parlament in Barcelona den Kürzeren. Das liegt am Wahlrecht, das Stimmen aus ländlichen Regionen stärker gewichtet. Denn im ruralen Raum haben die Unabhängigkeitsbefürworter ihre Hochburg, während in Kataloniens großen Städten die prospanischen Parteien siegten.

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