Auftragsmord?

Wortgefechte zwischen Richtern und Ermittler

Wien
20.02.2009 09:47
Der dritte Verhandlungstag im Prozess um den mutmaßlichen russischen "Mafia-Paten" war kein gewöhnlicher. Um den Fall zu klären, ob der 40-jährige St. Petersburger Geschäftsmann einen Ex-Mitarbeiter (52) nun durch einen Auftragsmord beseitigen wollte, wurden Ermittler des Bundeskriminalamtes (BK) und der früheren Kriminaldirektion 1 (KD1) einvernommen. Dabei lieferten sich die Richter und der Beamte heftige Wortgefechte.

Allen voran Chefinspektor Johann Schaffer von der KD1: Vor allem die Ermittlungsmethoden im Rahmen der Verhaftung des Beschuldigten im Herbst 2004 stießen beim gesamten Senat (Vorsitz: Richterin Bettina Neubauer) auf reichlich Unverständnis. Obwohl damals der Verdacht bestanden hatte, dass M. den Mord an seinem 52-jährigen Ex-Mitarbeiter R. bereits in Auftrag gegeben hat, hätten es Schaffer und seine Kollegen bei einer Hausdurchsuchung zu dem Fall verabsäumt, sämtliche Geschäftsunterlagen und Korrespondenz in kyrillischen Buchstaben zu beschlagnahmen.

"Ungewöhnliche Vorgangsweise" nach Festnahme
Außerdem soll Schaffer dem Angeklagten, für den er einen Haftbefehl bei sich hatte, unmittelbar nach der Festnahme noch erlaubt haben, mit dem Staatsanwalt und dem Untersuchungsrichter zu telefonieren - laut Senat eine "überaus ungewöhnliche Vorgangsweise", zumal der Verhaftete ohnehin kurze Zeit später dem U-Richter hätte vorgeführt werden müssen. Wenig Unterstützung erhielt Schaffer von einem Ermittler des BK, der meinte: "Also ich hätte gleich alles mitgenommen."

Chefinspektor fühle sich als „Beschuldigter“
Obwohl als Zeuge einvernommen, kritisierte Schaffer mehrmals, er fühle sich als "Beschuldigter": "Wenn mir unterstellt wird, dass ich M. unterstützt habe, dann verwehre ich mich strikt dagegen." Die Stimmung im Gerichtssaal war öfters überaus gereizt, der Kriminalist mit 35 Dienstjahren zeigte Nerven: "Ich weiß eh, warum ich in diesem Ton befragt werde", warf er einmal der Richterin entgegen.

Während die Anklage davon ausgeht, M. habe einen Auftragskiller angeheuert, um seinen ehemaligen Mitarbeiter R. mit einem Kopfschuss aus dem Weg zu räumen, vertrat Schaffer aufgrund der zahlreichen Vernehmungen, die er im Herbst 2004 durchgeführt hatte, eher jene Variante, wonach M. nicht der Auftragstäter sei.

Auftragskiller auf Ex-Mitarbeiter angesetzt?
Finanziell in schweren Nöten ließ sich R. dazu hinreißen, seinem Ex-Boss ein Schreiben auf den Tisch zu knallen, in dem er ihm "nahelegte" zu zahlen, andernfalls werde er "seine Aussagen in die richtige Richtung lenken". Fakt ist, dass M.s Firma viel zu niedrige Zweitrechnungen ausgestellt hatte, um den viel zu hohen ukrainischen Zöllen ein Schnippchen zu schlagen. Als R. drohte, dies den strengen ukrainischen Behörden zu melden, soll M. einen Auftragskiller angeheuert haben, um R. zu beseitigen.

R. hat "die Welt nicht mehr verstanden"
"Man werde dafür sorgen, dass es keine Aussage gibt", gab R. am Dienstag, dem 17. Februar, im Zeugenstand zu Protokoll. Danach begann für den 52-Jährigen und seine Familie ein Versteckspiel. "Ich hab die Welt nicht mehr verstanden", zeigte er sich auch Jahre nach den Begebenheiten fassungslos. Kriminalisten hatten den gelernten Speditionskaufmann eingeweiht, dass ein Attentat auf ihn geplant sei.

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