Unfall auf der A22

Heer gesteht in Endbericht sämtliche Vorwürfe ein

Österreich
06.02.2009 20:53
Eine mangelhafte Benützungsordnung für den Truppenplatz, der nicht eingehaltene Sicherheitsabstand zur Autobahn und das Versagen der Verantwortlichen: Wie krone.at bereits im Vorhinein berichtete, gesteht das Bundesheer in der Causa um die tödliche Karambolage auf der A22 in seinem Endbericht jetzt sämtliche Vorwürfe ein. Er könne einen kausalen Zusammenhang zwischen den Zündungen der Nebelhandgranaten und dem Unfall auf der A22 "nicht in Abrede stellen", sagte Generalmajor Paul Kritsch am Freitag bei der Präsentation des Berichts. Klagen der Opfer bzw. ihrer Angehörigen steht somit nichts mehr im Wege.

Bei den Zündungen von insgesamt fünf Nebelhandgranaten auf dem Garnisonsübungsplatz unweit der A22 seien vorgeschriebene Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten worden, so Kritsch, Leiter der Gruppe Kontrolle im Verteidigungsministerium.

Den "kausalen Zusammenhang" festzustellen habe aber die zuständige Staatsanwaltschaft Korneuburg, so Kritsch. Dort werden laut Kritsch jetzt auch Ermittlungen gegen zwei Bundesheer-Angehörige wegen des Verdachtes der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung geführt. Ob es Einschüchterungen gegen Rekruten gegeben habe, sei noch nicht klar, so Christian Mayer, Leiter der Abteilung Disziplinar- und Beschwerdewesen im Verteidigungsministerium. Diesem Vorwurf gehe die parlamentarische Bundesheerbeschwerdekommission nach, ebenso jenem der unterlassenen Hilfeleistung.

Sicherheitsabstand weit unterschritten
Die Nachtlehrvorführung wäre unter Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen "in dieser Art" nicht durchführbar gewesen, so Kritsch. Der Abstand, der einzuhalten gewesen wäre, betrage 300 Meter, die Unfallstelle lag 260 Meter von jener Stelle entfernt, wo die Zündungen erfolgten. 110 Meter war die kürzeste Distanz zur A22 (siehe Grafik oben). Die Aussagen der 75 Soldaten, die an der Übung teilnahmen, hätten bestätigt, dass die künstlich erzeugte Nebelwand in Richtung der Tankstelle gezogen sei, die wenige Meter vom Unfallort auf der A22 entfernt liegt, erläuterte Kritsch.

"Schuldhaftes Verhalten legen nicht wir fest, sondern die Gerichte", betonte Kritsch weiter. Gegen den Übungsleiter und einen Gruppenkommandanten wurden des weiteren Disziplinarverfahren eingeleitet. Die Männer wurden zudem von Ausbildungstätigkeiten im Bundesheer abgezogen und anderen Aufgaben zugeteilt. Etwaige weitere Konsequenzen aus den Bundesheerdisziplinarverfahren können erst nach einer möglichen gerichtlichen Verurteilung ausgesprochen werden, wurde erläutert.

Nebelgranaten in Kornbeuburg auf Dauer untersagt
Das Bundesheer habe "allergrößtes Interesse, dass so etwas nie wieder passiert", sagte Kritsch. Der Truppenübungsplatz Korneuburg ist derzeit gesperrt. "Die Benützungsordnung wird überprüft und überarbeitet". Die Verwendung von Rauch erzeugenden Mitteln wurde auf Dauer untersagt. Mayer verwies darauf, dass Schadensansprüche beim Bund zu stellen seien, Voraussetzung dafür sei schuldhaftes Verhalten. Seitens des Verteidigungsministeriums wurde den Hinterbliebenen der tödlich verunglückten Frau aufrichtiges Beileid ausgesprochen. Den Verletzten wurde eine rasche Genesung gewünscht.

Fünf "HC-Nebelhandgranaten 75" wurden "zum Zwecke der Demonstration" auf dem Truppenübungsplatz gezündet. "Kurz darauf hörten die Soldaten einen Knall", so Kritsch unter Berufung auf die Befragungen der Rekruten. Der Ausbildungsleiter sei zur Unfallstelle gegangen "und hat Blaulicht von Einsatzfahrzeugen gesehen". In der Folge sei die Bundesheerübung "fortgeführt und abgeschlossen" worden, "anschließend fuhren die Soldaten in die Kaserne zurück".

Als Konsequenz aus dem Unfall werden zudem "alle Benützungsordnungen der Ausbildungsanlagen des Bundesheeres überprüft". Damit wolle man sichergehen, "dass die in den einzelnen Dienstvorschriften festgelegten Sicherheitsbestimmungen bezogen auf die Möglichkeit des Einsatzes von Wirkmittel und die Gefährdung von Dritten in vollem Umfang berücksichtigt sind", so Kritsch. Im Bedarfsfall müssten diese überarbeitet werden.

Darabos: "Es gibt nichts zu beschönigen"
Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) hielt in einer Aussendung fest: "Es gibt nichts zu beschönigen. Die heeresinternen Sicherheitsbestimmungen wurden nicht eingehalten. Ob das in einem kausalen Zusammenhang mit dem Unfall steht, werden die Behörden zu klären haben". Es seien "alle Möglichkeiten heeresinterner Prüfungen genutzt" worden, so der Minister. "Ich wollte, dass doppelt und dreifach untersucht und voll mit der Staatsanwaltschaft und der Polizei kooperiert wird. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung dieses tragischen Unfalls", betonte der Minister. Erhebungen führten das Militärkommando NÖ, die Gruppe Kontrolle im Verteidigungsministerium, die Disziplinarabteilung und Bundesheer-Beschwerde-Kommission.

Am 22. Jänner war bei einer Kollision auf der A22 in Korneuburg die Tschechin Iryna L. getötet worden, sieben Personen wurden verletzt. Sieben Pkw waren in den Unfall verwickelt. Zum Unfallzeitpunkt, gegen 18.55 Uhr, fand auf einem Gelände des Bundesheeres eine Nachtlehrvorführung statt. Kurz vor der Karambolage sind fünf Nebelhandgranaten gezündet worden.

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