Ein Durchbruch!

SPÖ und ÖVP einig: Steuern werden 2009 gesenkt

Österreich
07.11.2008 13:05
Die ganze bisherige Woche hatten sie nur Termine verschoben - am Donnerstag ist SPÖ und ÖVP in den Koalitionsverhandlungen endlich ein erster Durchbruch gelungen. Man hat sich darauf geeinigt, die Steuerreform auf 2009 vorzuverlegen. Das Volumen soll 2,7 Milliarden Euro betragen. Davon sollen 2,2 Milliarden Euro auf eine Tarifentlastung bei der Lohn- und Einkommensteuer entfallen, 500 Millionen Euro sollen den Familien zugute kommen. Details verkündeten die Parteichefs Josef Pröll und Werner Faymann bei einer Pressekonferenz im Anschluss an die knapp dreistündige Verhandlungsrunde, bei der etliche Stolpersteine weggeräumt wurden. Auch ein Konjunkturpaket wird es geben.

Das gesamtstaatliche Defizit soll damit im Jahr 2009 auf 2,2 Prozent ansteigen. Kann die Regierung den von SPÖ und ÖVP angepeilten Konsolidierungspfad einhalten, dann würde das Defizit gemäß den am Donnerstag vereinbarten Zahlen nicht über die Maastrichtgrenze von drei Prozent steigen.

Bereits vor der Sitzung am Donnerstagvormittag hatte sich SPÖ-Chef Werner Faymann zuversichtlich gezeigt, dass man beim Budget übereinkommen könnte. ÖVP-Obmann Josef Pröll warnte zwar, dass noch "etliche Fragen" zu klären seien und man noch nicht am Ende des Weges sei, bestätigte aber, dass es Fortschritte gegeben hat.

In Kraft treten soll die Steuerreform mit 1. Jänner 2009 - und zwar nötigenfalls auch rückwirkend, wie Faymann betonte. Sollte die Umsetzung nicht rechtzeitig zum Jahreswechsel gelingen, könnte die Steuersenkung seinen Angaben zufolge nämlich auch zum 1. März rückwirkend mit Jahresanfang in Kraft gesetzt werden. Das volle Entlastungsvolumen werde jedenfalls 2009 schlagend werden.

Konjunkturpaket mit 1,9 Milliarden Euro Volumen
Neben der vorgezogenen Steuerreform planen SPÖ und ÖVP für den nunmehr ein gutes Stück wahrscheinlicheren Fall einer gemeinsamen Regierung auch ein weiteres Konjunkturpaket. Das Volumen dafür gaben die Parteichefs Werner Faymann und Josef Pröll bei ihrer ersten gemeinsamen Pressekonferenz im Rahmen der Koalitionsverhandlungen mit gesamt 1,9 Milliarden Euro in den kommenden beiden Jahren an. Eine Gegenfinanzierung für die Entlastungsmaßnahmen soll es nicht geben.

Das Geld einbringen wollen SPÖ und ÖVP einerseits durch eine Konjunkturbelebung, andererseits durch Einsparungen, die aber ebenso wenig präzisiert wurden wie die genaue Aufteilung der Steuerreform abseits der Familien. In diesem Bereich will Pröll die vorgesehenen 500 Millionen mit Frei- und Absetzbeträgen sowie mit Direktzahlungen verteilen. Definitiv kommen wird das verpflichtende Gratis-Kindergartenjahr.

Geld für Forschung und Entwicklung, thermische Sanierungen
Beim Konjunkturpaket setzen Rot und Schwarz vor allem auf Investitionsanreize für Unternehmen in Form einer vorzeitig degressiven Abschreibung im Ausmaß von 570 Mio. Euro. Dazu sollen Projekte der Bundesimmobiliengesellschaft vorgezogen werden. Mehr Mittel soll es auch für Forschung und Entwicklung geben. Hier sind 50 Millionen Euro vorgesehen. Dazu werden 100 Millionen Euro für thermische Sanierungen zur Verfügung gestellt und regionale Beschäftigungsprogramme im Ausmaß von 75 Millionen gefördert.

Keine Vermögenszuwachssteuer, keine Studiengebühren
Bei der dreistündigen Verhandlung wurden offenbar gleich eine Reihe von Stolpersteinen auf dem Weg zur gemeinsamen Regierung weggeräumt: So rückte SP-Chef Werner Faymann von der Forderung nach einer Vermögenszuwachssteuer ab, ÖVP-Chef Josef Pröll akzeptierte - zumindest für die Budgeterstellung - die Abschaffung der Studiengebühren. Trotz der weitgehenden Annäherung zickt Josef Pröll weiterhin und beurteilte die Wahrscheinlichkeit einer Regierungsbildung vor Journalisten nur unwesentlich höher als zuletzt: "Knapp über 50 Prozent, würde ich sagen."

Man müsse beschlossene Gesetze akzeptieren, "ob die mir passen oder nicht", sagte Pröll zu den Studiengebühren. Man werde aber in der zuständigen Arbeitsgruppe weiter über die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Unis sprechen. Angesprochen auf die Vermögenszuwachssteuer meinte Faymann, man wolle mit dem "Vorurteil" aufräumen, dass die Steuern nach einer Absenkung gleich wieder erhöht würden und plane daher eine Steuersenkung ohne Gegenfinanzierung.

"Mit voller Intensität weiter" - aber erst in 14 Tagen
Auf einen konkreten Zeithorizont für die weiteren Verhandlungen wollten sich Faymann und Pröll zwar nicht festlegen, allerdings sollen die Untergruppen bereits kommende Woche ihre Detailgespräche abschließen. Die eigentlich jeden Donnerstag eingeplante große Verhandlungsrunde soll daher kommende Woche entfallen, aber im Anschluss "mit voller Intensität" tagen, wie Faymann sagte. Dass die Verhandlungen damit binnen 14 Tagen abgeschlossen sein müssten, wollte Pröll allerdings nicht sagen: "Es kann auch länger sein."

Keine Festlegung des ÖVP-Chefs gab es auch auf die Frage, ob er beim Parteitag am 28. November bereits über ein fertiges Koalitionsabkommen abstimmen lassen möchte. "Ich werde am Parteitag entweder sagen, warum es ein Ergebnis gab, oder warum es keines gab, oder wo wir in den Verhandlungen sind und was noch notwendig ist", sagte der designierte Parteichef.

Kritik der Opposition an geplanten Reformen
Wenig Begeisterung hat die Einigung von SPÖ und ÖVP in Sachen Steuerreform und Konjunkturpaket bei der Opposition ausgelöst. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sieht "höchstens ein Reförmchen" und bezeichnete das Volumen der Steuerreform als "viel zu gering". BZÖ-Chef Stefan Petzner sprach von einer "Beruhigungspille mit höchstens einem Placebo-Effekt" und empfahl ÖVP-Obmann Josef Pröll punkto Großer Koalition "noch einmal in sich zu gehen". Grünen-Chefin Eva Glawischnig sieht einen "hilf- und mutlos zusammen gezimmerten Fleckerlteppich".

"Höchstens ein Reförmchen" sind die angepeilten Maßnahmen aus Sicht der FPÖ. Das Volumen sei "viel zu gering", um eine nachhaltige Entlastung des Mittelstands und der Klein- und Mittelbetriebe zu gewährleisten, erklärte Strache in einer Aussendung am Donnerstag. Für Steuerreform und Konjunkturpaket müssten zwischen 6 und 7 Milliarden Euro veranschlagt werden, meinte er. Weiters kritisierte der FPÖ-Obmann das "fetischhafte Beharren von SPÖ und ÖVP auf den Maastricht-Kriterien", das er "in Krisenzeiten wie den jetzigen" als verantwortungslos bezeichnete. Die Einigung zwischen SPÖ und ÖVP sei "ein Paketchen", um die Neuauflage der rotschwarzen Koalition "auf Schiene bringen zu können", von einer echten Entlastung fehle aber nach wie vor jede Spur, so Strache.

Eine "Beruhigungspille mit höchstens einem Placebo-Effekt" sieht der designierte BZÖ-Chef Petzner. Er verlangte eine "echte und große Steuerentlastung". Petzner verwies darauf, dass mittels Staats- und Verwaltungsreform Einsparungen bis zu einer Größenordnung von 5 Milliarden möglich seien. Mit dieser Einigung sei die Neuauflage der Großen Koalition "leider so gut wie fix". Pröll, der sich "in allen wichtigen Punkten über den Tisch ziehen" habe lassen, legte er nahe in Sachen Koalition mit der SPÖ "noch einmal in sich zu gehen".

Ein "hilf- und mutlos zusammengezimmerter Fleckerlteppich" an Maßnahmen ist die Einigung aus Sicht der Grünen. Hauptkritikpunkte von Glawischnig: Für Kleinstverdiener, die man nur über Sozialversicherungsbeiträge entlasten könne, gebe es "gar nichts". Sie sprach von einer "Ungerechtigkeit", die "hoffentlich nicht ernst gemeint ist". In Sachen Budget kritisierte sie die mangelnde Gegenfinanzierung, etwa in Form einer Vermögenszuwachssteuer. In diesem Bereich warf sie der SPÖ vor, gegenüber der ÖVP umgefallen zu sein. Mutiges Vorgehen bei Investitionen in Bildung oder Ökologisierung bleibe dieses Programm "völlig schuldig", beklagte die designierte Bundessprecherin. Als einzig positiven Punkt erwähnte sie das verpflichtende Gratis-Kindergartenjahr, das den Grünen allerdings auch nicht weit genug geht.

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