"Krone"-Interview

Häupl: "In der Flüchtlingsfrage ist kein Druck da"

Österreich
11.06.2017 08:19

Weil Österreichs Parteien schon voll in den Wahlkampfmodus gewechselt haben, hat auch Wiens Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Häupl keine Zeit für die medial immer wieder aufflammende Debatte um seine Nachfolge. Mit der "Krone" sprach Häupl aber über das Dauerthema Flüchtlinge, den neuen ÖVP-Chef Sebastian Kurz, Deutsch in der Schule, die Mindestsicherung, den SPÖ-Brutus und seinen Plan W.

"Krone": Ein Spruch besagt ja: Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Wird das wirklich drei Monate nach der Wahl sein?
Michael Häupl: Das hoffe ich doch. Wir arbeiten bis zum 15. Oktober sehr hart. Das ist eine echte Herausforderung.

Was macht Christian Kern eigentlich besser als Werner Faymann?
Das ist nicht vergleichbar, es sind unterschiedliche Persönlichkeiten. Ich erinnere mich noch daran, wie man mich gefragt hat, ob mir die Schuhe vom Helmut Zilk nicht zu groß sind. Da habe ich gesagt: Ich pflege meine eigenen Schuhe zu tragen und nicht die abgelegten von einem Vorgänger. Jeder hat seine eigene Persönlichkeit. Jeder weiß, ich war Werner Faymann gegenüber sehr loyal und ich bin auch dem jetzigen Bundesparteivorsitzenden außerordentlich loyal.

Der neue ÖVP-Chef Sebastian Kurz will den starken Zuzug in unser Sozialsystem stoppen. Ist das eine unmenschliche Aussage?
Sie ist vor allem völlig fern der Realität. Den Zuzug in das Sozialsystem kann er gar nicht stoppen. Außer er tut das, was die Freiheitlichen wollen. Nämlich die Differenzierung zwischen Menschen, die einen Aufenthaltstitel haben, und österreichischen Staatsbürgern. Das ist verfassungswidrig.

Wird es in der Flüchtlingsfrage bei der SPÖ einen Schwenk geben?
Das brauchen wir momentan überhaupt nicht. Da ist überhaupt kein Druck da. Als wir die unbegleiteten Minderjährigen aus Traiskirchen herausgeholt haben und im ehemaligen Pensionistenheim in Ottakring untergebracht haben, hatten wir dort auf dem Höhepunkt 800 Leute. Jetzt sind es nicht einmal 80.

Flüchtlinge kosten Österreich heuer 2,4 Milliarden Euro, in Wien gibt es bald mehr ausländische Mindestsicherungsbezieher als inländische. Was sagen Sie einem Wiener, der meint: Ich will das nicht mehr finanzieren?
Wir werden das finanzieren müssen. Aus dem einfachen Grund, weil es ein Bundesgesetz ist. Hätte man eine einheitliche Regelung der Sozialhilfe gewollt, dann hätte sie die ÖVP nicht zerschlagen dürfen. Mein Bestreben ist es, möglichst viele Menschen aus der Mindestsicherung in den Arbeitsmarkt zu kriegen.

Das könnte an mangelnden Deutschkenntnissen scheitern. Ist die Aussage einer Volksschullehrerin, wonach jedes dritte Kind in ihrer Klasse nicht Deutsch kann, ein Alarmsignal für Sie?
Alle, die als Kinder aus dem Kindergarten heraus in die Volksschule kommen, können im Regelfall Deutsch. Aber es ziehen dann natürlich Kinder zu, die sieben oder acht Jahre alt sind. Die können natürlich nicht Deutsch. Denen versuchen wir durch spezielle Maßnahmen Deutsch beizubringen. Es gibt ein zweites Thema: Das sind die nicht mehr schulpflichtigen Jugendlichen, die zu uns ziehen, keine Berufsausbildung haben und nicht Deutsch können. Das ist ein Problem. Das sind nicht viele, vielleicht so 400 in der Stadt.

Was tun mit ihnen?
Denen schicken wir Native-Speaker-Sozialarbeiter und bieten ihnen an: Sie kommen zu uns, lernen Deutsch, bekommen eine Ausbildung. Oder sie lehnen unser Angebot ab, werden früher oder später kriminell und dann fliegen sie raus. Wer kriminell wird, hat bei uns nichts verloren.

Anderes Thema: Karlskirche, Getreidemarkt, die Wiener haben da auf Sie gezählt, weil Sie ja auch gesagt haben, Sie schauen sich das noch einmal an. Passiert ist dann aber in beiden Fällen nichts.
Im Bereich Karlsplatz war ich der Meinung, dass man noch eine grundsätzlich andere Lösung finden könnte, habe mich dann aber eines Schlechteren belehren lassen müssen, weil das Ganze so weit fortgeschritten war. Beim Getreidemarkt habe ich gesagt, man sollte angesichts der verschiedenen Varianten noch einmal darüber reden. Das ist passiert. Es hat auch eine Variantenprüfung gegeben. Ich musste dann zur Kenntnis nehmen, dass die vorgelegten Varianten noch schlechter waren. Man wird jetzt mit dem leben.

Repräsentiert Bezirksrat Götz Schrage, der auf Facebook Frauen beleidigt hat, das Frauenbild der SPÖ?
Nicht einmal im Entferntesten. Ich halte das für reichlich spätpubertär, was er da von sich gegeben hat. Dafür habe ich null Verständnis.

Haben Sie schon für das Frauenvolksbegehren gespendet?
Die Partei schon.

Zum internen Streit: Wer ist denn der SPÖ-Brutus? Sie haben einmal gesagt, dass politische Ziehsöhne im Grenzbereich zu Brutus Sie ärgern.
Niemand konkret, es ist ein abstraktes Bild.

Ist Michael Ludwig aus Ihrer Sicht ein einender Nachfolgekandidat?
Na ja, das werden wir noch besprechen. Aber dafür haben wir jetzt keine Zeit, weil jetzt müssen wir Wahlkampf führen.

Das war aber jetzt auch kein Ja.
Diskussionen über Koalitionen und über meine Nachfolge führe ich nicht im Wahlkampf.

Die Stadträte Jürgen Czernohorszky und Sandra Frauenberger haben als Nachfolger bereits abgewinkt. Wer bleibt da noch?
Ungefähr 1,85 Millionen Wiener.

1,85 Millionen Wiener können Ihren Job machen?
(Lacht) Ja, das ist wie beim Fußball. Wir haben auch 1,8 Millionen Trainer.

Aber Ihr Nachfolge-Plan geht auf?
Das kann ich heute noch nicht sagen, das wird von vielen Entscheidungen auf dem Weg dahin noch beeinflusst werden. Aber ich habe einen Plan. Das ist nicht der Plan A, das ist der Plan W. Für Wien.

Wie wird Ihre Pension denn aussehen? Ein Michael Häupl, der im Schrebergarten sitzt und zu Bingo-Abenden geht, ist kaum vorstellbar.
Es ist ja ohnehin nicht unbekannt, dass ich ein hohes Interesse an Wissenschaftsorganisationsfragen habe. Ich bin ja auch Vorstandsvorsitzender vom Wissenschaftsförderungsfonds. Also solche Dinge werde ich machen, wenn man mich braucht.

Michael Pommer, Kronen Zeitung

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