Filzmaier analysiert

"Liste Kurz": Partei und Bewegung in Personalunion

Österreich
15.05.2017 16:51

ÖVP-Chef Sebastian Kurz versucht den politischen Spagat. Einerseits übernimmt er eine klassische Partei. Diese besteht aus Mitgliedern und Funktionären sowie Gremien und Teilorganisationen. Im Wahlkampf will er sich andererseits als Chef einer neuen Bewegung präsentieren. Der Politologe Peter Filzmaier analysiert die Ausgangslage.

  • 2. Ganz kann und will Kurz aber nicht auf die ÖVP verzichten. Für den Wahlkampf und noch mehr für Dauerkampagnen braucht es eine Kriegskassa. Allein die Bundespartei der ÖVP erhielt 2016 rund 7,3 Millionen Euro Parteienförderung. Nicht alles davon darf für Wahlwerbung & Co. ausgegeben werden, doch wäre das realistische Spendenvolumen viel geringer. Hinzu kommt der Organisationsapparat. Die Parteien haben einen solchen, Bewegungen nicht.
  • 3. Insofern besteht ein Riesenunterschied zu Emmanuel Macron in Frankreich. Der ist für die Bewegung "Vorwärts" aus seiner Partei - den Sozialisten - ausgetreten. Die Parti socaliste hat in der Folge einen eigenen Präsidentschaftskandidaten gehabt. Genauso wird man bei den bevorstehenden Parlamentswahlen konkurrieren. Das muss Kurz verhindern. Sein Risiko war und ist nicht der Parteivorstand, sondern dass einzelne Abgeordnete der ÖVP ohne Chance auf einen Platz im Team Kurz selbst kandidieren. Nur drei Unterschriften von Nationalratsabgeordneten genügen, um österreichweit als Partei anzutreten.

  • 4. Was ist die Parallele von Kurz und Macron? Der Letztgenannte sucht sich 577 Kandidaten, die davor mit der Politik wenig bis gar nichts zu tun hatten. Auch Kurz will auf seinen Parteilisten nicht Hunderte Personen im Schlepptau haben, die womöglich einem ÖVP-Funktionärstyp im Stil des vorigen Jahrhunderts entsprechen. Also hat er sich ein Durchgriffsrecht für die Personalauswahl ausbedungen. Jetzt muss er liefern und wirkliche Kapazunder als Quereinsteiger präsentieren.
  • 5. Ob Kurz damit die Wahl gewinnt und Erster wird? Das weiß niemand. Doch die ÖVP folgt ihm begeistert, weil es ansonsten sowieso ein viel schlechteres Ergebnis gegeben hätte. Hätte man Kurz nicht zum Chef gemacht, wäre die Partei geradezu im Chaos versunken. Der Versuch einer Kombination von Partei und Bewegung ist jedenfalls die spannendste Variante seit Langem.

Peter Filzmaier für die Kronen Zeitung

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