Motive und Analysen

Gräueltaten: Wenn Kinder ihre Eltern töten

Österreich
25.03.2017 16:50

Eine Wienerin wurde von ihrem nur 16 Jahre alten Sohn erstochen. Lesen Sie hier: Die Hintergründe der Tat. Plus: Das Psycho-Gutachten über einen Niederösterreicher, der seine Eltern erschlagen hat - und das Interview mit der Mutter eines jungen Mannes, der im Wahn den Vater tötete.

FALL 1: "Ich habe meine Mama gehasst"
Mal wirkt er fahrig, mal ruhig. Mal ist er völlig schweigsam, mal redet er, so berichtet ein Fahnder, "wie ein Wasserfall". Über sich selbst, über sein grauenhaftes Verbrechen. Am vergangenen Dienstag hat der 16-jährige Fabian N. seine Mutter Sabine (42) getötet, mit mehr als einem Dutzend Messerstichen. In einem Gründerzeithaus in Wien-Penzing, wo die zwei auf 80 Quadratmetern zur Miete gewohnt hatten.

Das Tatmotiv? "Ich habe meine Mama gehasst", sagt der Bursch in Verhören. Fabian N. weiter: "Schon seit Jahren überlegte ich, sie umzubringen, ihr mit einer Bratpfanne ganz fest auf den Kopf zu schlagen." Die Beziehung von Mutter und Sohn - problematisch. Geprägt von Streitereien und gleichzeitig von Sprachlosigkeit.

"Sie galten als Traumfamilie"
"Obwohl", berichten Verwandte, "am Anfang alles so wunderbar geschienen hatte." Damals, als Fabian noch ein Baby war. Der Vater stammt aus einer wohlhabenden Gastronomen-Dynastie. Er und seine Frau hatten keine finanziellen Probleme, lebten mit ihrem Kind in einem geräumigen Appartement in der Innenstadt: "Ja, sie galten als Traumfamilie." Aber bald begann es in der Ehe zu kriseln, es folgte die Scheidung: "Im Bösen." Der Bub, von klein auf hin und hergerissen zwischen den Elternteilen.

"Meine Mama schimpfte viel über meinen Papa. Sie wollte nie, dass ich in engem Kontakt mit ihm bin", berichtet der 16-Jährige, und dass er sich dadurch "ziemlich arg unter Druck gesetzt gefühlt" habe. Das sei seinen Angaben zufolge der Grund gewesen, warum er sich laufend mehr in sich zurückgezogen hätte.

16-Jähriger driftete in Phantasiewelt ab
Je älter Fabian wurde, desto unkontrollierbarer wurde er für Sabine N. Er schwänzte oft den Unterricht, schrieb schlechte Noten, musste schließlich vom Gymnasium in die Hauptschule wechseln. Nach dem Polytechnikum bemühte er sich nicht darum, eine Lehrstelle zu finden. Und zunehmend driftete er ab, in eine abstruse Phantasiewelt. Verbrachte die Tage alleine in seinem Zimmer, spielte Ego-Shooter-Games und sah sich am Computer japanische Comic-Gewaltserien an. So auch in den Stunden vor der Tragödie.

Als Sabine N. am späten Nachmittag von der Arbeit - sie war Behindertenbetreuerin - nach Hause kam, "machte sie mir wieder einmal Vorhaltungen. Wegen meiner Faulheit, wegen meiner Internetsucht. Und weil ich nicht, wie versprochen, Palatschinken für sie gekocht hatte." Im Laufe des Abends eskalierte die Auseinandersetzung: "Meine Mama deaktivierte das WLAN. Was mich fast verrückt machte."

"Ich verlor die Macht über mich"
"Letztlich warf sie mich, wie schon so oft davor, aus unserer Wohnung. Sie schrie, ich solle endlich zu meinem Vater ziehen. Also packte ich Kleidung aus meinem Kasten in eine Reisetasche." Und ein Survival-Messer. "Dann, ich war bereits beim Gehen, verlangte sie sogar meine Hausschlüssel. In diesem Moment ist irgendetwas mit mir passiert, ich verlor die Macht über mich - und griff wie ein Automat nach meiner Waffe." Nachdem Fabian seine Mutter getötet hatte, setzte er eine Maske auf und alarmierte die Polizei.

Der 16-Jährige sitzt mittlerweile in der Justizanstalt Josefstadt in U-Haft, wird dort rund um die Uhr überwacht. Denn er gilt als selbstmordgefährdet. "Auch wenn ich oft sehr wütend auf meine Mama war, habe ich sie ja doch geliebt", schluchzt er jetzt.

FALL 2: Die Gräueltat des braven Sohns
Es geschah am 3. Jänner 2016, in einem Einfamilienhaus in Perchtoldsdorf in Niederösterreich: Gerald B. erschlug mit einem Baseballschläger seine pflegebedürftigen Eltern. In Verhören sprach der 47-Jährige später über eine massive Überforderungssituation, in die er durch die Betreuung von Vater und Mutter geraten sei, und davon, dass er sie von ihrem Leid erlösen musste.

Die Frage nach dem Warum war damit nicht wirklich geklärt. Jetzt hat Gerichtspsychiater Karl Dantendorfer ein Gutachten über den Täter erstellt. Es ist die genaue Analyse über einen biederen Mann, der für andere immer nur das Beste wollte - und am Ende in einer Art Tunnelblick keinen anderen Weg zu sehen schien, als sich durch ein Verbrechen zu befreien. Aus seinem Drama. Das schon in der Kindheit begonnen hatte.

Aufgewachsen mit zwei Schwestern - wie die Eltern gehörlos. Alle angewiesen auf seine Hilfe. Er war deswegen ein Außenseiter, bereits in der Schule. Nie hatte er Freunde, nie Spaß. Nie fand er eine Partnerin, nie fuhr er auf Urlaub. Er erledigte pflichtbewusst seine Aufgaben als ÖBB-Bediensteter. Und daheim.

"Mir ist meine Zukunft egal"
Als Vater und Mutter zunehmend kränklicher wurden und Unterstützung von staatlichen Organisationen verweigerten, schlitterte er in ein Überlastungssyndrom. Gerald B. gilt als zurechnungsfähig, damit droht ihm eine Anklage wegen Doppelmordes. "Mir ist meine Zukunft egal, ich will nur noch sterben", sagt der 47-Jährige. Derzeit ist er in einer psychiatrischen Klinik untergebracht.

FALL 3: "Mein Sohn war plötzlich so anders"
Am 18. Jänner fuhr Florian M. (20) mit einer Hacke im Rucksack zum Wohnhaus seines Vaters im niederösterreichischen Wölbling, sprach mit ihm ein paar belanglose Worte, zog seine Waffe hervor und schlug damit mehrmals auf den 53-Jährigen ein. Ein Engel hätte ihm sein grauenhaftes Handeln befohlen, behauptet der Täter.

Mittlerweile steht laut eines gerichtspsychiatrischen Gutachtens fest: Der junge Mann leidet an paranoider Schizophrenie. Er kann damit rechtlich für sein Verbrechen nicht verantwortlich gemacht werden. Nun spricht seine verzweifelte Mutter in der "Krone". Über ihren "lieben Buben", der irgendwann "nur noch verrückt" war.

"Krone": Frau M., wie werden Sie damit fertig, dass Ihr Sohn eine schreckliche Tat begangen hat?
Silvia M.: Die Tragödie verfolgt mich Tag und Nacht. Und ständig quält mich der Gedanke, ob ich sie irgendwie hätte verhindern können. Ob ich etwas versäumt habe.

Inwiefern?
In den Monaten vor dem Drama war mein Sohn plötzlich so anders, sein Wesen hatte sich völlig verändert. Er sprach oft vom Teufel, der in den Leitungen und Wänden unserer Wohnung auf ihn lauere. Er konvertierte zum Islam und betete mehrmals täglich. Er entwarf absurde Gesetze, an die er sich penibel hielt. Etwa, genau zwanzig Minuten zu duschen.

Überlegten Sie nie, ihn zu einem Psychiater zu bringen?
Doch. Ich hatte schon einen Brief an eine Amtsärztin verfasst, mit der Bitte, Florian zu untersuchen und ihn nötigenfalls in eine Klinik einzuweisen. Aber er fing das Schreiben ab.

Und danach?
Traute ich mich nichts mehr zu unternehmen. Weil ich Angst hatte. Davor, dass mein Sohn einen Wutanfall bekommen oder sich umbringen könnte.

Für wirklich gefährlich hielten Sie ihn demnach nicht?
Nein. Weil ich in ihm ja trotz allem noch immer meinen lieben, braven Buben sah. Der er so lange gewesen ist.

Erzählen Sie über seine Lebensgeschichte.
Er war fast noch ein Baby, als sein Vater und ich uns scheiden ließen. Er hatte in der Folge nur wenig Kontakt zu meinem Ex-Man war er brav, er lernte fleißig in der Schule und später in seiner Lehre als Elektriker.

Ihr Sohn ist nun in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher untergebracht. Besuchen Sie ihn dort?
Natürlich. So oft ich darf.

Wie verhält er sich bei diesen Visiten?
Er wirkt meistens sehr verwirrt, erzählt von einem Engel, der ihn beschütze und mit dem er viel rede.

Ihre Gefühle dabei?
Es ist fürchterlich für mich, ihn in solch einem entsetzlichen Zustand zu sehen. Meine große Hoffnung ist, dass er durch eine medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung irgendwann wieder zu dem Menschen wird, der er eigentlich ist. Doch auch vor diesem Moment fürchte ich mich: Denn dann würde ihm ja die Grauenhaftigkeit seines Handelns bewusst. Und ich glaube nicht, dass er mit dem Wissen, seinen Vater getötet zu haben, leben könnte.

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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