Bis in die 70er-Jahre

Vbg: Heimkinder mussten bei Bauern Arbeiten verrichten

Österreich
17.08.2012 12:11
Kinderarbeit dürfte in der Vorarlberger Heimerziehung der 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahre an der Tagesordnung gestanden sein. Das berichteten zumindest ehemalige Zöglinge des Landesjugendheims Jagdberg in Schlins. So hätten die Betroffenen als Kinder immer wieder körperlich sehr harte Arbeit in der Landwirtschaft bei umliegenden Bauern verrichten müssen, wie der Vorarlberger Kinder- und Jugendanwalt Michael Rauch am Freitag bekannt gab.

Die acht bis 15 Jahre alten Buben seien speziell im Sommer bei Landwirten im Walgau für Erntearbeiten und Hilfsdienste herangezogen worden. "Unbezahlt und teilweise bis zur Erschöpfung und Bewusstlosigkeit bei großer Hitze", gab Rauch die Erlebnisse der damaligen Heimkinder wieder.

Einzelne hätten auch davon berichtet, dass sie von Erziehungspersonal beim privaten Hausbau eingesetzt wurden, ebenfalls ohne Bezahlung. Dazu kamen Gewalt und heiminterne Strafdienste. Man stehe hier in der Aufarbeitung erst am Anfang, betonte Rauch.

"Kinderarbeit ist ein noch relativ neues Thema"
Zu Arbeit in Vorarlberger Industriebetrieben sei es seines bisherigen Wissens nach nicht gekommen. Die Kinder wurden großteils im Alter von 15 Jahren aus dem Heim Jagdberg entlassen und begannen dann meist eine reguläre Arbeit oder Lehre. Zeitweise seien mehr Kinder aus Tirol in Vorarlberg untergebracht gewesen als umgekehrt.

"Bisher standen eher die Formen der erlebten Gewalt im Hauptfokus, die Kinderarbeit ist ein noch relativ neues Thema", sagte Rauch. Darum habe man auch auf die wichtige historische Untersuchung der Heimerziehung zwischen 1945 und 1990 gedrängt, um alle Aspekte aufarbeiten zu können. "Das wird uns sicher noch länger beschäftigen", so der Kinder- und Jugendanwalt.

Anzahl der Betroffenen in Vorarlberg noch nicht bekannt
Die zuständige Vorarlberger Landesrätin Greti Schmid befürchtet, dass auch Vorarlberger Mädchen, die in den 1960er- und 1970er-Jahren in Tiroler Heimen untergebracht waren, in Industriebetrieben arbeiten mussten, und bat diese, sich zu melden. Die Frauen sollten sich an die Opferschutzstelle des Landes wenden, die beim Kinder- und Jugendanwalt angesiedelt ist.

Bei Kinder- und Jugendanwalt Rauch gingen bis Freitagvormittag noch keine Meldungen ein. In ihrer Kindheit in Tirol untergebrachte Personen habe man gemäß der Zuständigkeit an die Anlaufstellen dort weitervermittelt. Man müsse nun zunächst die kommenden Wochen abwarten. Wie viele Betroffene es aus Vorarlberg gebe, wisse man derzeit nicht.

Landesrätin sagt Betroffenen Hilfe zu
Man wolle zudem bei der Durchsetzung von Entschädigungs- bzw. möglichen Pensionsansprüchen helfen, so Schmid: "Dass es das gab, war mir selbst auch neu. Selbstverständlich gilt auch für diese Personen das Angebot, sich bei der Opferschutzstelle zu melden", so Schmid. Man werde alle Informationen dazu sammeln, die Fälle analysieren und dann bewerten, inwieweit Ansprüche in sozialrechtlicher Hinsicht bestehen.

Erst vor wenigen Tagen waren auch in Tiroler Heimen Fälle von Kinderarbeit publik geworden. Laut einem "Kurier"-Bericht hatten ehemalige Zöglinge sogar in bekannten Industriebetrieben, wie Swarovski und Darbo, Arbeiten verrichten müssen, meist ohne dafür entlohnt zu werden.

Unternehmen helfen bei Klärung der Fälle
Swarovski und Darbo erklärten indessen ihre Mitarbeit an der Aufklärung der Fälle. So werde sich eine von Swarovski in Auftrag gegebene Untersuchung durch unabhängige Experten mit jenem Heim auseinandersetzen, in dem es zu den Missständen gekommen war.

Martin Darbo, Vorstandsvorsitzender des Marmeladenherstellers, ging sogar noch weiter und kündigte an, den Lohn noch einmal zahlen zu wollen, falls die Betroffenen bei den tatsächlich Verantwortlichen mit ihren rechtmäßigen Ansprüchen nicht durchdringen sollten.

Die Staatsanwaltschaft werde von sich aus jedoch kein Ermittlungsverfahren einleiten, erklärte Hansjörg Mayr, Sprecher der Innsbrucker Anklagebehörde, am Freitag. Denn so wie sich der Sachverhalt darstelle, seien alle infrage kommenden Delikte wie beispielsweise Untreue oder Veruntreuung verjährt.

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