"Krone"-Interview

Taxler erschoss Räuber in Wien: “Ich bin fix und fertig”

Österreich
08.06.2013 17:03
Die Hände schweißnass, die Augen wässrig vor Tränen, der Körper vornübergebeugt - so sitzt Taxilenker Günther W. am Samstagvormittag in der Redaktion der "Krone". Es dauert auch einige Minuten, bis der Wiener erste Worte findet. Worte, die vom Albtraum seines Lebens erzählen: Der 59-Jährige hatte am Mittwoch mit seinem Revolver auf einen Taxiräuber (21) geschossen, der dann nach kurzer Flucht tot zusammenbrach.

W. (im Bild links), der unerkannt bleiben will, ist einer der alten Hasen im Geschäft, musste schon so manches erleben - so auch einen Überfall vor mehr als 20 Jahren, bei dem er mit einem Messer attackiert wurde. Doch was sich in der Nacht auf Mittwoch ereignete, geht für den als gutmütig bekannten Menschen an die Grenzen des Fassbaren. Ein junger Fahrgast war es, der sich spätnachts bei Regen nach Hause chauffieren ließ. Am Ziel angelangt, zückte der 21-Jährige aus Pakistan ein Messer. In Todesangst griff W. zur Waffe und drückte ab. Die "Krone" führte das erste Interview mit dem gebrochenen Taxilenker:

"Krone": Wie geht es Ihnen heute, wenige Tage danach?
Günther W.: Ich bin fix und fertig, psychisch am Ende, kann kaum einschlafen, wache dauernd auf. Auch meine Frau nimmt das alles furchtbar mit. Wir leben in Todesangst. Davor, dass Verwandte des Toten Blutrache üben und plötzlich vor unserer Tür stehen. Dank einer Zeitung, die ohne meine Zustimmung ein Foto von mir veröffentlicht hat, ist es mit der Anonymität vorbei.

"Krone": Haben Sie das alles schon realisiert?
W.: Nein. Als wäre ich in einem Albtraum gefangen. Ich weiß nicht, ob ich jemals damit fertig werden kann, ein Leben auf dem Gewissen zu haben.

"Krone": Was ist passiert in jener Nacht?
W.: Ich wollte meinen Dienst abbrechen, früher nach Hause fahren. Das Geschäft ist extrem schlecht gelaufen. Und dann war da dieser junge Mann, er hat mich zur Seite gewinkt.

"Krone": War er irgendwie auffällig?
W.: Gar nicht. Er hat sogar sehr freundlich gegrüßt, sich jedoch direkt hinter mich gesetzt - das lasse ich eigentlich bei Einzelgästen nicht zu. Aber es hat geschüttet und er kam von links. Was soll's, hab ich mir gedacht.

"Krone": Und als er das Fahrziel genannt hat? Jene Adresse, an der er drei Tage zuvor schon zugeschlagen hatte (siehe Bericht in der Infobox, Anm.)?
W.: Wie denn? Ich wusste ja nichts von den Überfällen auf die Kollegen. Hätte es irgendeine Information der Zentrale oder der Taxiinnung darüber, die Tatorte oder eine Personenbeschreibung gegeben - ich hätte den rausgeworfen wie nix. Von der Taxiinnung habe ich bisher auch weder psychologische noch finanzielle Hilfe bekommen.

"Krone": Was geschah dann?
W.: Wir haben kein Wort geredet. Erst am Ziel wurde es mühsam. Er wollte ursprünglich auf Nummer 25, dann aber plötzlich weiter ans Ende der Gemeindeaugasse, eine Sackgasse. Jetzt weiß ich, warum. Da gibt es keine Beleuchtung mehr.

"Krone": Dann schlug er zu?
W.: Ja - aus dem nichts. Mit dem linken Arm hat er mich von hinten gewürgt, mit der Rechten das Klappmesser an den Hals gehalten. "Geld, Geld!", hat er geschrien.

"Krone": Sie haben sich gewehrt?
W.: Ja. Mit rechts habe ich die Hand gepackt, mit links den Elektroschocker aus der Seitenablage gefischt.

"Krone": Sie wollten also gar nicht zur Schusswaffe greifen?
W.: Nein. Ich wollte den Räuber außer Gefecht setzen. Aber in der Panik hab ich den Schocker verkehrt herum gehalten. Und so hab ich ihn nicht aktivieren können. Dann hab ich ihn fallen gelassen und zum Revolver gegriffen.

"Krone": Und dann abgedrückt.
W.: Ja. Er hat ausgeholt, wollte gerade zustechen. Da hab ich in Todesangst einmal unter der Achsel nach hinten gefeuert. In der Situation und in meiner Panik konnte ich gar nicht zielen - ich bin ja nicht John Wayne.

"Krone": War Ihnen bewusst, dass Sie ihn getroffen hatten?
W.: Nein! Ich war mir recht sicher, ihn verfehlt zu haben. Er ist ja sofort aus dem Auto gesprungen und davongelaufen. Außerdem hab ich den Revolver extra mit Spezial-Munition geladen, die beim Aufprall zersplittern und nicht in den Körper eindringen sollte. Was einem heftigen Schlag gleichkommt – sagt der Hersteller. In Wirklichkeit ist das Geschoß in die Brust eingedrungen und hat eine Arterie getroffen. So ist er (laut Obduktion, Anm.) innerlich verblutet.

"Krone": Und weiter?
W.: Ich bin ihm nach, habe zweimal in die Luft geschossen und ihm nachgeschrien: 'Bleib stehen!' Und da sackt er zusammen. Ich habe erst gedacht, der ist gestolpert.

"Krone": Dann das Verhör.
W.: Die erste Einvernahme dauerte bis in der Früh. Die Ermittler haben mich sehr korrekt behandelt. Dafür will ich mich bedanken. Dabei möchte ich auch gleich etwas richtigstellen: Ich hab bisher mit keiner einzigen Zeitung über den Vorfall gesprochen. Ein Zitat, wo ich gesagt haben soll, dass mir die Polizei in Aussicht gestellt hat, die Staatsanwaltschaft würde das Verfahren einstellen, ist frei erfunden.

Günther W.s Anwalt Nikolaus Rast (Bildmitte) ergänzt, dagegen rechtlich vorgehen zu wollen.

"Krone": Und jetzt? Wie geht es weiter, Herr W.? Setzen Sie sich wieder ins Taxi?
W.: Mir bleibt ja gar nix anderes übrig – ich hab noch zwei Jahre bis zu meiner Pension. Aber jetzt gleich wieder fahren? Nein, das pack ich noch nicht. Außerdem werde ich nur mehr am Tag fahren.

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