38 Tote in Klinik

Feuerdrama wirft Schlaglicht auf Russlands Probleme

Ausland
28.04.2013 17:21
Nach der Feuerkatastrophe mit 38 Toten in einer psychiatrischen Klinik bei Moskau am Freitag kommen immer mehr erschreckende Details ans Licht. So waren die Patienten eingesperrt, mit Medikamenten ruhiggestellt und einige von ihnen angeblich auch ans Bett gefesselt, als der Brand ihre Holzbarracke zerstörte. Zudem kam die Feuerwehr erst nach über einer Stunde am Ort der Tragödie an. Bürgerrechtler beklagen, dass Kreml-Chef Wladimir Putin lieber auf Nichtregierungsorganisationen, die Missstände aufdecken, Jagd machen lässt, als sich um die echten Probleme des Landes zu kümmern.

Möglicherweise hatte ein Patient auf einem Sofa eine Zigarette geraucht und so den Brand ausgelöst. Die Ermittler konzentrieren sich auf diese mögliche Ursache - auch nach den Aussagen der Krankenschwester und zwei Patienten, die als Einzige überlebten. Die Alarmanlagen waren zwar intakt, aber weder die Betroffenen noch die Feuerwehr reagierten demnach angemessen auf das Signal.

Zivilschutzminister Wladimir Putschkow jedenfalls konnte vor Journalisten bei der verkohlten Ruine der Klinik Nr. 14 im Dorf Ramenski die Verspätung der Helfer nicht erklären. Die Einsatzwagen hatten umständlich fahren müssen, weil der kürzeste Weg über einen Fluss unpassierbar war. Die in einem Wald gelegene Klinik war zudem wegen schlammiger Wege für die Löschfahrzeuge nur schwer zugänglich. Schon wenige Kilometer vor den Toren der glitzernden Hauptstadt Moskau gibt es oft kaum richtige Straßen.

"Gleichgültigkeit gegenüber menschlichen Problemen"
Angesichts immer neuer Katastrophen in Russland zog der Menschenrechtsbeauftragte der Regierung, Wladimir Lukin, eine düstere Bilanz. "Die Tragödie von Ramenski passt in den Kontext der verbreiteten gesellschaftlichen Krankheit: die Gleichgültigkeit gegenüber menschlichen Problemen - außer den eigenen", sagte Lukin. Vorschläge für eine systematische und effektive Kontrolle in psychiatrischen Einrichtungen lägen seit Langem vor, aber die "berüchtigte Bürokratie kümmert sich einfach nicht darum".

Die Kritik an den Zuständen in Russland dient politischen Gegnern auch als Munition im Machtkampf gegen den Kreml. Rund ein Drittel der psychiatrischen Kliniken entspreche nicht den Normen, erklärte etwa der Präsident der unabhängigen psychiatrischen Vereinigung, Juri Sawenko, am Sonntag. Viele müssten geschlossen werden. Sawenko sah den Grund für die hohe Opferzahl in Ramenski in einer unglücklichen Verkettung von Umständen. Doch selbst wenn es Alarmanlagen gebe, würden Patienten kaum darauf vorbereitet, sich selbst zu retten. Auch das Personal werde dafür nicht geschult. Sawenko fordert eine Reform der Psychiatrie in Russland: "Es ist erwiesen, dass offene Türen in Kliniken die Zahl flüchtender Patienten verringern und nicht erhöhen." Im Moment habe nur Personal Zugang zu den verschlossenen Kammern mit den Patienten.

Russen resignieren angesichts zahlreicher Katastrophen
Einmal mehr kündigte die Politik neue Initiativen für mehr Sicherheit in den medizinischen Einrichtungen, schärfere Kontrollen und härtere Strafen an. Doch viele Russen haben angesichts der zahlreichen Katastrophen längst die Hoffnung verloren. Kurz vor dem Brand antworte Putin im Fernsehen auf die Frage eines Zuschauers, wann in Russland endlich alles gut werde: "Nie." Aber er wolle weiter danach streben, meinte der Präsident.

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