"Meinungsfreiheit"

FPÖ-Kandidatin Rosenkranz gegen NS-Verbotsgesetz

Österreich
03.03.2010 11:40
Die FPÖ-Politikerin Barbara Rosenkranz sorgt bereits in ihren ersten Interviews als Hofburg-Kandidatin mit ihren Standpunkten zu rechtsextremen Themen für Aufregung. Gegenüber Ö1 meinte sie am Mittwoch, das Verbotsgesetz gehöre wegen der Wichtigkeit der Meinungsfreiheit aufgehoben. "Absurde und verwerfliche Meinungen" müsse man dann eben auch zulassen. Fragen zu ihrem Ehemann Horst wich sie ebenso aus wie einer eindeutigen Deklarierung ihres Geschichtsverständnisses.

Sie sei ganz klar eine Kandidatin aus dem bürgerlichen Umfeld, meinte Rosenkranz zu ihrer FPÖ-Nominierung (Bild) für die Präsidentschaftswahl. Den Begriff "aus dem rechten Eck" wies sie zurück. Sie sehe sich selbst als "nationalkonservativ".

Rosenkranz outete sich in dem Radiobeitrag einmal mehr als Unterstützerin der aus FPÖ-Kreisen immer wieder geforderten Aufhebung des Verbotsgesetzes.

Ihre Partei fordere das aus Gründen der Meinungsfreiheit, das Wort "Freiheit" trage man ja schließlich im Namen. Das Geschichtsrevisionisten damit Tür und Tor geöffnet wäre, sieht sie offenbar als hinzunehmende Begleiterscheinung einer Aufhebung: "Ist man für Meinungsfreiheit, dann wird es nicht anders gehen, als dass man absurde, skurrile, verwerfliche Meinungen zulässt."

Schulwissen von 1964 bis 1976
Der direkten Frage, ob sie selbst bezweifle, dass es in NS-Konzentrationslagern Gaskammern gegeben hat, folgte eine indirekte Beantwortung durch Rosenkranz: "Ich habe das Wissen, das ein Österreicher, der zwischen 1964 und 1976 in österreichischen Schulen war, hat. Das ist also mein Wissen von der Geschichte und daran habe ich überhaupt keine Änderung vorzunehmen."

Der Historiker Bertrand Perz meinte dazu am Mittwoch zur Austria Presseagentur, dass zu dieser Zeit Nationalsozialismus, Konzentrationslager und Gaskammern in den meisten Schulen "gar kein Thema" gewesenseien. Rosenkranz benutze die Defizite des damaligen Unterrichts als "Ausrede", um sich nicht festzulegen. Man könne aber von einer Präsidentschaftskandidatin verlangen, sich mit der historischen Aufarbeitung der Geschichte auch über den Schulbesuch hinaus auseinanderzusetzen.

Stichwort Verbotsgesetz und "Meinungsäußerung": Seit der Novellierung des Gesetzes 1992 ist explizit die "Leugnung, Verharmlosung, Gutheißung und Rechtfertigung des nationalsozialistischen Völkermordes oder anderer nationalsozialistischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit verboten, wenn dies in einem Druckwerk, im Rundfunk oder in einem anderen Medium oder [...] sonst öffentlich auf eine Weise, daß es vielen Menschen zugänglich wird, geschieht" verboten. Das Strafmaß dafür beträgt ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe.

Ausweichtaktik bei Fragen zu Ehemann
Auch den Fragen zu ihrem Ehemann Horst Jakob Rosenkranz, der u.a. die als rechtsextrem eingestufte Publikation "fakten" herausgibt und mit dem verurteilten Holocaust-Leugner Gerd Honsik in den Neunzigern in der wegen Wiederbetätigung von der Nationalratswahl ausgeschlossenen Partei "Nein zur Ausländerflut" aktiv war, wich die Präsidentschaftskandidatin auf Ö1 aus. "Mein Mann gibt eine Zeitung heraus, in der sehr reputierliche Leute schreiben", meinte Rosenkranz. Dass ihn das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands als "Schlüsselfigur der rechtsextremen Szene" bezeichnet, kümmere "niemanden besonders".

Vonseiten des DÖW hieß es am Mittwoch, in der FPÖ würden zunehmend Grenzen überschritten, die Jörg Haider "bei aller Kritik noch eingehalten hat". Laut DÖW-Leiterin Brigitte Bailer-Galanda sei die FPÖ früher nicht öffentlich gegen das Verbotsgesetz aufgetreten, das hätten nur einzelne Personen gemacht. Jetzt gebe es eine Präsidentschaftskandidatin, die das unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit offen fordere. Es sei der rechte Rand zu militanten Kreisen "sehr durchlässig". Die Kandidatur von Rosenkranz sei auch "international peinlich".

Immer wieder "freie Meinungsäußerung" gefordert
Schon Anfang der 1990er-Jahre hatte Barbara Rosenkranz in einem Zeitungsinterview auf die Frage, ob sie die Abschaffung des Verbotsgesetzes fordere, erklärt: "Dazu muss man sagen, und das ist ja nicht nur meine Meinung, das haben auch Beamte des Justizministeriums so gesehen, dass es keine günstige Lösung ist, Meinungen zu verbieten." Im ORF-Radio stellte sie 2006 klar, dass die Holocaust-Leugnung des früheren FP-Bundesrates John Gudenus für sie unter "freie Meinungsäußerung" falle. 2007 meinte sie gegenüber dem ORF: "Ich bin der Meinung, dass das Verbotsgesetz, so wie es ist, also wie auch Juristen darlegen, ausufernd, schwammig, dem Missbrauch Tür und Tor öffnend, nicht im Einklang mit unserer Verfassung, die ja Meinungsfreiheit gewährt, steht."

In der "ZiB 2" am Dienstagabend bekräftigte die nunmehrige Präsidentschaftskandidatin zum Verbotsgesetz, sie stelle fest, dass jener Teil, der sich mit der Meinungsäußerung befasse, ein "sehr unklares Tatbild hat, dass er unbestimmt ist" und "damit zum politischen Missbrauch guten Anlass gibt".

SPÖ mit heftiger Kritik an Rosenkranz-Äußerungen
Von der SPÖ gab es am Mittwoch empörte Aussendungen: "Wer das Verbotsgesetz in Frage stellt und dies mit der Meinungsfreiheit rechtfertigt, rüttelt bewusst an den Grundfesten unserer Demokratie", wies die Wiener-SPÖ-Stadträtin Renate Brauner die "zutiefst bedenklichen" Äußerungen "aufs Schärfste" zurück.

"Rosenkranz stellt den antifaschistischen Grundkonsens der Zweiten Republik in Frage. Das ist untragbar", meinte auch Verteidigungsminister Norbert Darabos. Ein weiteres Mal beweise Rosenkranz hiermit "wo ihre bedenkliche geistige Heimat ist". Man dürfe nicht zulassen, dass "das verquere Geschichtsbild einer Barbara Rosenkranz gesellschaftsfähig wird", betonte Darbaos. Das Verbotsgesetz ist für Darabos "in Stein gemeißelt". Es in Frage zu stellen bezeichnete er als "bedenklich".

Der Wiener FPÖ-Landesparteisekretär Hans-Jörg Jenewein warf der SPÖ im Gegenzug eine "Geisteshaltung, die nach dem Vorbild der DDR Meinungs- und Denkverbote zur Unterdrückung antisozialistischer Umtriebe einsetzt" vor. Die totalitären Denkmuster seien eine "Zumutung für Land und Menschen". Bei "dieser DDR-verdächtigen Geisteshaltung" sei es auch "kein Wunder, dass die SPÖ nur einen SPÖ-Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl wünscht und eine tiefe Sudelkampagne gegen eine starke Kanditatin [sic!] startet".

Grüne: "Chiffren, die Holocaustleugner verwenden"
Schon am Dienstagabend - nach Rosenkranz' "ZiB"-Auftritt - hatte sich der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Stefan Wallner, mit heftiger Kritik an Rosenkranz Wort gemeldet. Rosenkranz komme aus "der rechtesten Ecke" und verharmlose NS-Verbrechen. Wer "am Verbotsgesetz rüttelt" und das Leugnen von Gaskammern mit freier Meinungsäußerung gleichsetze, sei nicht für das höchste Amt im Staat geeignet. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky wies im ORF die Grüne Kritik zurück und betonte, Rosenkranz sei "heimatbewusst" und "alles andere als rechtsextrem".

Der stellvertretende Grüne Klubobmann Werner Kogler legte am Mittwoch nach: "Barbara Rosenkranz bringt es im ORF-Morgenjournal-Interview nicht über die Lippen, dass es im Dritten Reich Gaskammern gegeben hat. Sie verweigert dazu jede klare Aussage und spricht in Chiffren, die von Holocaustleugnern verwendet und in der rechtsextremen Szene klar verstanden werden. […] Als Präsidentschaftskandidatin ist sie damit völlig untragbar."

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