krone.at-Interview

Ried-Leader Hadzic: “Ich habe eben zwei Heimaten”

Sport
29.01.2013 09:17
Training im alten Rieder Stadion, ringsum Schnee, nur der Kunstrasenplatz erstrahlt in keckem Grün, es hat minus fünf Grad - ein einziger Spieler der SV Ried macht die Übungen in kurzen Hosen und ohne Haube mit, es ist Anel Hadzic, fleischgewordene Vereinstreue. Eine halbe Stunde später lädt der 23-Jährige den halb erfrorenen krone.at-Mann ins warme Zeugwart-Kammerl, um eiskalt Klartext zu sprechen: über seinen möglichen Wechsel zu Hajduk Split, wieso er Ried seit mehr als zehn Jahren die Treue hält, warum zwei Herzen in seiner Brust schlagen und wo er sich am 30. Mai sieht.

krone.at: Anel, du bist die fleischgewordene Vereinstreue, bist im Prinzip seit 1999/2000 in Ried – wie kommt's zu dieser langen Zeit bei nur einem Verein?
Anel Hadzic: Ganz einfach: Für mich war Ried damals, als ich noch klein war, mein Lieblingsverein – und das ist er auch jetzt noch. Ich fühle mich ganz einfach wohl in Ried, das ist einfach eine wunderschöne kleine Stadt mit guter Lebensqualität, und die Leute sind einfach super. Ich habe auch immer großen Respekt mir gegenüber gespürt. Das zählt schon viel.

krone.at: Was muss dir ein Klub bieten, damit du Ried auch einmal wieder verlässt?
Hadzic: (lacht) Die Frage höre ich zurzeit sehr oft. Was muss er bieten? Ich bin nicht so einer, der aufs Geld schaut. Sicher, das Wirtschaftliche gehört einfach dazu, weil man als Fußballer nur eine gewisse Zeit lang spielen kann. Aber es muss im Verein einfach passen, es muss - wie soll ich sagen - es muss familiär zugehen. Ich bin einfach ein Familienmensch. Wichtig ist auch, dass ich einfach meine Arbeit machen kann, dass ich nicht gestört werde. Dann kann ich sagen: "Da kann ich hingehen!"

krone.at: Stichwort Wechsel. Jetzt heißt es seit zwei Wochen, dass du zur ewigen Nummer zwei Kroatiens, Hajduk Split, gehen könntest. Was läuft da mit Hajduk ab?
Hadzic: Es sind Gespräche geführt worden. Und es liegt eigentlich nur an mir, ob ich zusage oder nicht. Aber bis zum Sommer ist ja noch Zeit, ich werde da keinen Schnellschuss machen. Hajduk ist ein großer Verein, ein Traditionsklub in Kroatien, und sie haben jetzt vor, eine Mannschaft zusammenzustellen, die mit Dinamo Zagreb konkurrieren kann. Aber mehr als "interessant" ist es zurzeit nicht. Für mich wäre das zwar ein Gang in eine etwas schwächere Liga, aber zu einem größeren Klub.

krone.at: Vor ziemlich genau einem Jahr gab es da eine etwas dubiose Geschichte mit dem angeblichen Interesse an dir von Middlesbrough. Was konkret lief da denn vor einem Jahr falsch? Haben die die Engländer übel mitgespielt? Oder gar dein Manager?
Hadzic: Nein, am Manager lag's nicht. Er hatte ja tatsächlich mit Middlesbrough Kontakt, aber es war halt nicht so, dass alles fix und fertig gewesen wäre. Ich habe halt den Fehler gemacht, dass ich aufgesprungen bin auf den Zug der Medien. Ich bin in ihre Falle getappt, bevor ich mich richtig bei meinem Berater erkundigt habe. Aber aus Fehlern lernt man, und misstrauischer bin ich auch nicht geworden: Ich bin nur vorsichtiger geworden im Umgang mit den Medien.

krone.at: Der Berater ist derselbe geblieben?
Hadzic: Der Berater ist derselbe geblieben, ja. Ich bin mit ihm in sehr gutem Kontakt, er ist ja auch ein Freund der Familie. Ich habe gesagt, ich sehe meinen Fehler ein, und er hat auch Fehler eingeräumt, die nicht passieren hätten dürfen. Wir haben uns ausgesprochen und gemeinsam weitergemacht. Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient.

krone.at: Österreich und Bosnien - zu diesem Themenbereich gibt's einen interessanten Aspekt, nämlich deine Nationalteam-Zukunft. Zuletzt war offenbar Bosnien in der Pole Position, obwohl du einstmals für Österreichs U21 gespielt hattest. Wie steht's jetzt mit deiner Teamzukunft?
Hadzic: Nein, die Tendenz ist so, dass ich den bosnischen Pass in zwei, drei Wochen bekommen werde, die Zusage habe ich dieser Tage bekommen. Ich habe auch schon mit dem Teamchef telefoniert, er war sogar bei einem Match hier in Ried und bei einem in Graz im Herbst, und er rechnet mit mir. Ich habe eine große Chance, und die will ich einfach wahrnehmen und höchstwahrscheinlich für Bosnien spielen.

krone.at: Das klingt nach einer kleinen Chance für Österreich.
Hadzic: Nicht wirklich. "Höchstwahrscheinlich" war mehr bezogen auf die kommenden beiden Spiele Bosniens, natürlich abhängig davon, ob mich der Teamchef dann konkret einberuft oder nicht.

krone.at: Ist das mit dem ÖFB so weit abgeklärt, dass sie dich gar nicht in die Bredouille bringen, dich einzuberufen? Immerhin muss man der Einberufung eines Teamchefs ja Folge leisten.
Hadzic: Ich glaube, dass das so weit erledigt ist. Bitte, ich habe auch nie irgendjemanden beleidigt, das ist eine legitime Entscheidung. Als mich der bosnische Teamchef angerufen hat, habe ich die Chance einfach ergriffen. Wieso auch nicht? Und das heißt ja auch nicht, dass ich kein Österreicher bin oder sein will, ich bin seit 23 Jahren in Österreich daheim: Meine Heimat ist hier, auch wenn ich eine zweite Heimat habe. Manche wissen nicht, wie das ist, wenn man mehrere Heimaten hat. Ich habe eben zwei.

krone.at: Themenwechsel - du bist bei Ried de facto der Allrounder schlechthin. Wo siehst du dich selbst am besten aufgehoben?
Hadzic: Naja, in den letzten zwei, drei Jahren habe ich eigentlich meine Idealposition gefunden und erkämpft. Das ist die Sechser-Position, abwechselnd mit dem Achter. Da fühle ich mich wohl, weil ich von dort aus sehr gut nach vorne spielen kann. Aber grundsätzlich bin ich immer für alles offen, wo der Trainer mich braucht.

krone.at: Es heißt immer wieder, aus Österreich kommt man nur von einem Großklub zu einem anständigen Klub ins Ausland. Wie stehst du zu solchen Überlegungen?
Hadzic: Das hat für mich damals keine Rolle gespielt, da war ich erst 19 oder 20 Jahre alt. Ich habe mit dem Thema Ausland zu dem Zeitpunkt gar nichts am Hut gehabt. Aber unabhängig davon glaube ich, dass es aus Ried zurzeit sicher um nichts schwieriger ist, ins Ausland zu wechseln, als von Rapid. Ried hat inzwischen einen Namen, Ried hat sich etabliert als ein Top-Vier-, Top-Fünf-Klub in Österreich. Wenn man hier seine Leistungen bringt, dann glaube ich, kann man auch von Ried aus gut ins Ausland gehen.

krone.at: Mit Heinz Fuchsbichler seid ihr in die Saison gestartet und über den Umweg Gerhard Schweitzer nun bei Michael Angerschmid als Cheftrainer gelandet - was unterscheidet diese drei Trainer?
Hadzic: Das ist eine schwierige Frage. Vielleicht zuerst zum "Fuchsi", zum Heinz Fuchsbichler: Es ist so, dass er einfach seinen Weg gehen, seine Mentalität von Fußball rüberbringen, sein Ding umsetzen wollte. Aber das hat halt nicht so gegriffen, das gibt's immer wieder im Fußball. Der Gerhard, der Schweitzer, ist einfach ein ruhiger und konsequenter Trainer, der viel auf Disziplin hält, genauso wie der Michael Angerschmied. Ich glaube, dass die aktuelle Lösung sehr gut für den Verein ist.

krone.at: In all deinen Jahren bei Ried hast du seit deinem Debüt sieben verschiedene Trainer gehabt. Welche Coaches waren für deine Entwicklung konkret die wichtigsten, die prägendsten?
Hadzic: Die Chance bei den Profis hat mir der Helmut Kraft eröffnet. Außerdem gab es damals den Thomas Weissenböck, im Trainerstab war er der dritte Mann, der hatte mich bereits in der Akademie sehr forciert und immer gepusht. Aber trotzdem: Den größten Anteil daran, dass ich jetzt in der Bundesliga so etabliert bin, haben wohl Paul Gludovatz und Gerhard Schweitzer.

krone.at: Weißt du eigentlich ohne einen Blick aufs Smartphone, wann du dein Bundesliga-Debüt für Ried gefeiert hast?
Hadzic: (überlegt nur ganz kurz) Das war am 29. September 2007 in Ried beim 3:1 gegen Austria Kärnten, 1:0 haben wir geführt, glaube ich, und ich bin kurz vor Schluss reingekommen.

krone.at: Stimmt, 100 Punkte! Aber einen Wissenstest habe ich noch: Wie viele, die damals am Blankett standen, sind noch bei Ried?
Hadzic: Jetzt noch beim Klub? Vom damaligen Matchkader?

krone.at: Jawohl.
Hadzic: (überlegt wieder nur kurz) Zwei, Thomas Gebauer und ich.

krone.at: WieTabelle stehen?
Hadzic: Uns sehe ich im Kampf um den vierten Platz, den haben wir noch nicht aufgegeben. Die Chancen sind noch da, obwohl es derweil neun Punkte sind, die uns fehlen – aber wir haben ja noch ein Spiel aus dem Herbst ausstehen. Es kann im Fußball ganz schnell gehen, und ich glaube, dass wir den Kampf im Frühjahr sicher annehmen können. Am Ende werden wir am vierten oder fünften Platz stehen – und im Cupfinale.

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(Bild: KMM)
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