Die Nachricht wurde zwar Ende März kolportiert, aber man könnte sie trotzdem für einen verfrühten Aprilscherz halten. Professoren der Universität Oxford haben vorgeschlagen, klassische Musik, wie Kompositionen von Haydn, Mozart oder Beethoven, im Lehrplan zu reduzieren, weil sie „kolonialistisch“ aus der „Ära der Sklaverei“ sei und die „weiße Vorherrschaft“ repräsentiere. Abgesehen davon, dass Österreich weder bei der Kolonisierung noch bei der Sklaverei aktiv mitgewirkt hat, ist dieses Ansinnen gerade bei Beethoven lächerlich, der ein sehr politischer Mensch war, für den Freiheitsrechte entscheidend waren, der äußerst liberal und gegen jede Form der Unterdrückung war. Man denke nur an den vertonten Schillertext im Schlusschor seiner 9. Symphonie, auch Europahymne genannt. Da Musik als Kunstform weder ideologisch noch politisch ist und zusätzlich völkerverbindend wirkt, wäre es vielleicht sinnvoller, relevante Teile der englischen Literatur des 19. Jahrhunderts auf den Index zu setzen, die fragwürdige Inhalte transportieren. Das war nämlich genau jenes Jahrhundert, in dem London sein Kolonialgebiet massiv ausgeweitet und militärisch unterlegene Regionen überfallen, besetzt, unterdrückt und Ressourcen wie Menschen gleichermaßen ausgebeutet hat, um am Höhepunkt der kolonialen Expansion noch stolz darauf hinzuweisen, mehr als ¼ der globalen Fläche unter Kontrolle zu haben. Aus England wirkt diese Kritik besonders originell und ist fast ein Akt der Heuchelei. Aber die Wissenschaft zu missbrauchen und international anerkanntes Kulturgut abzuwerten, mit dem Ziel kleinlicher Animositäten gegen andere Nationen, ist überhaupt letztklassig, denn „wer die anderen neben sich klein macht“, war laut Dichter Gottfried Seume „selbst nie groß“. Eine Universität, die auf einen solchen Unsinn einsteigt, sollte nicht mehr unter den globalen Spitzenhochschulen rangieren und sich in Zukunft mehr dem Ruderwettbewerb mit Cambridge widmen.
Mag. Martin Behrens, Wien
Erschienen am So, 4.4.2021
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