Metallica kommen!

Metallica im Interview

Musik
30.05.2007 11:30
Am fünften Juli spielt sich für Heavy-Metal-Jünger das Konzerthighlight des Jahres vor den Toren des Wiener Praters ab. Metallica machen während ihrer "Sick Of The Studio Tour '07" Halt auf dem Wiener Rotundenplatz. Krone.at hat mit Gitarrist Kirk Hammett gesprochen. Über Entzugserscheinungen, seine Liebe zu Wiener Museen, das kommende Album, an dem Metallica gerade arbeiten - und über Ärger, Wut, die Essenzen des Heavy Metal, verrückte Europäer und warum Kirk (Stichwort: "Mausi Lugner des Rock'n'Roll") sich nicht die Haare schneiden lassen wird und mit sechzig noch immer "Seek And Destroy" spielen will...
(Bild: kmm)

Krone.at: Metallicas “Sick Of The Studio ‘07”-Tour führt euch bald nach Wien. Juckt es schon in den Fingern?

Kirk Hammett: Oh ja, Sommer ist immer eine gute Zeit für ein paar Shows zwischendurch. Es ist die Zeit der Festivals, das Wetter ist meistens toll und alle sind gut drauf. Es macht wirklich Spaß und die Abwechslung kommt gelegen. Es ist nicht so, dass uns die Zeit im Studio krank macht – wir wollen einfach raus und einen drauf machen.

Schon allein, um nicht zu vergessen, wer wir sind – eine Live-Band. Es fühlt sich an, als ob wir die vergangenen Jahre nur im Studio verbracht hätten. Wir haben schon ein paar Shows gespielt, aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass wir ewig aufgenommen haben.

Krone.at: Es stellen sich Entzugserscheinungen ein...

Kirk Hammett: Ja, genau. Und die müssen behandelt werden!

Krone.at: Ich hatte letztes Jahr das Vergnügen, eure Show beim Novarock Festival in Österreich zu erleben. Die, wo ihr Lemmy Kilmister und den anderen Typen von Alice in Chains auf der Bühne hattet…

Kirk Hammett: Ja, ich erinnere mich. Das hat Spaß gemacht…

Krone.at: Du wirst es nicht glauben, aber die Leute sprechen immer noch von dieser Show. War es aus deiner Sicht auch so stark?

Kirk Hammett: Ja, schon. Immer wenn wir mit Lemmy auf die Bühne gehen und er ein paar Songs mitsingt, ist das eine starke Sache. Lemmy ist DER Typ, einer der Urväter des Heavy Metal!

Krone.at: Kannst du dich noch an Details erinnern?

Kirk Hammett: Mmmh, mal sehen. Wir haben viele Songs gespielt, fast das komplette Masters Of Puppets Album, wir holten Lemmy auf die Bühne und dann sind wir wieder abgehauen. (lacht) Nein, ich scherze. Österreich ist ein tolles Land und wir spielen gern bei euch. Wien ist eine wunderschöne, historische Stadt und ich liebe eure Museen…

Krone.at: Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie Metallica an alten Gemälden vorbeischlendern - irgendwie komisch…

Kirk Hammett: Glaub es oder nicht, ich bin ein echter Museums-Typ!

Krone.at: Warum überhaupt “Sick Of The Studio”? Seid ihr so süchtig nach jubelnden Zuschauern?

Kirk Hammett: Absolut! Wenn ich Gitarre spiele und mal aufschaue, was will ich dann sehen? Die Hintern meiner Bandkollegen oder 30.000 jubelnde Leute? (lacht) Im Ernst: Es kommt darauf an, in welcher Stimmung ich mich befinde. Wenn ich kreativ drauf bin, Songs schreiben will und an einem Album arbeiten möchte, schaue ich lieber in die Gesichter der restlichen Band. Wenn mir aber der Sinn danach steht, nur abzurocken und unsere besten Songs zu spielen, dann bevorzuge ich 30.000 zufriedene Gesichter im Publikum.

Krone.at: Ihr nehmt eine ganze Kolonne an Support-Bands mit auf eure Tour, die meisten davon stammen aus Amerika – die Konzerte finden aber ausnahmslos in Europa statt. Ist unser Kontinent der bessere Platz, um richtig die Sau rauszulassen?

Kirk Hammett: Ja, schon. Europa ist generell aufgeschlossener gegenüber Heavy Metal als andere Regionen. Heavy Metal ist in Europa nie ganz von der Bildfläche verschwunden, obwohl es einen Schritt zur Seite getan hat. In Amerika war Heavy Metal vor fünfzehn Jahren populär, dann kam es aus der Mode und jetzt kehrt es in allen möglichen abgeänderten Formen wieder zurück. Die logische Folge: Du gehst dorthin, wo die Leute deine Musik zu würdigen wissen. Ich will damit nicht sagen, dass man uns in Amerika nicht dementsprechend ernst nimmt – es ist nur, in Europa gibt es viel mehr Menschen, die uns und Heavy Metal generell mögen.

Krone.at: Gibt es auch Unterschiede beim Temperament der Fans?

Kirk Hammett: Wann auch immer wir nach Europa kommen, du kannst darauf wetten, dass die Leute einfach durchdrehen. Sie ticken aus! Außerdem sind die Menschen hier informierter, wissen mehr über die Band und ihre Geschichte. Dabei geht es nicht um Bekanntheit, die Leute wollen die Band wirklich kennenlernen.

Krone.at: Kannst du mir etwas über das Album erzählen, an dem ihr gerade arbeitet?

Kirk Hammett: Ich denke, es wir das beste Album seit... sagen wir fünfzehn Jahren!

Krone.at: Das relativiert jetzt aber eine Menge Arbeit, die ihr euch in der Vergangenheit angetan habt.

Kirk Hammett: Ja, ich weiß. Es ist unser elftes Studioalbum, aber ich zähle es als Nummer sechs, wenn du verstehst was ich meine. Es ist eine Reihe von spektakulären Songs drauf. Wir hatten diesmal keine Angst, in unsere Vergangenheit abzutauchen, um zukünftige Musik zu erschaffen. Die Leute werden es hören, dass wir unser altes Vokabular wieder ausgegraben haben, um damit neue Dinge auszudrücken.

Ich bin super aufgeregt, dieses Album fertig zu bekommen, damit wir endlich raus können, um die Songs live zu speilen. Wir haben in der Vergangenheit doch ein paar Mal über die Stränge geschlagen und unsere Fans ganz schön strapaziert. Mit diesem Album, denke ich, bewegen wir uns wieder zurück zu unseren Wurzeln.

Krone.at: Willst du damit sagen, dass ihr euch ausgehend von Saint Anger wieder mehr des rohen Fleisches annehmt?

Kirk Hammett: Yeah, es ist super-roh! Auf dem neuen Album sind Songs, die sind so schnell, dass James und ich uns manchmal ansehen und sagen: “Ouch, unsere Handgelenke werden gleich abfallen!” Es kommen verdammt schnelle Songs und verdammt hartes Material auf euch zu. Wir haben auch unsere Schreibgewohnheiten geändert und alle vier gemeinsam an dem neuen Material gearbeitet.

Dazu kommt noch, dass wir die Gitarren anders stimmen. Bei Saint Anger hatten wir das Tuning ziemlich low gehalten. Dieses Mal stimmten wir die Gitarren wieder hoch, so wie wir es bei den ersten vier, fünf Alben getan hatten. Dadurch klingt James’ Stimme wieder mehr nach den Metallica der Achtziger. Es sind wieder viele Veränderungen, die wir gemacht haben – aber allesamt zum Besseren wie ich glaube.

Krone.at: Ist es momentan eine Notwendigkeit, sich auf die härteren Sachen und weniger Melodien zu besinnen, um sich von aufstrebenden Bands wie 30 Seconds To Mars zum Beispiel, anderem Nu Metal, Emo oder wie immer man es nennen möchte, abzuheben?

Kirk Hammett: Ja, doch irgendwie. Obwohl ich nie ganz kapiert habe, was die mit “Emo” eigentlich meinen…

Krone.at: Naja… ähem…

Kirk Hammett: Genau! Jedesmal, wenn ich Freunde frage, was dieses ganze Zeug zu bedeutet hat, bekomme ich irgendeine Antwort, die genau nichts erklärt. (lacht) Wir haben für das neue Album auch ein paar Songs geschrieben, die genug Melodie hätten. Ich für mich selbst würde dieses Material nur zu gerne auf der neuen Platte haben. Ob das passiert, wird man sehen. Wir haben dieses Mal sehr viele Songs, bekommen aber nur neun oder zehn auf dem Album unterbringen. Aber es gibt ein gewisses Kontingent an Songs, die langsamer und melodischer sind – was aber nicht heißt, dass es nicht an irgendeiner Stelle im Lied laut und schnell werden könnte…

Krone.at: Metallica beschäftigt sich oft mit Wut, Ärger und Emotionen. Vor allem auf der emotionalen Seite bieten eure Songs oft mehr als eine klassische Oper. Findest du, dass Heavy Metal und speziell Metallica dafür geschaffen sind, mit diesen Gefühlen klar Schiff zu machen?

Kirk Hammett: Ja, da stimme ich dir voll und ganz zu. Ich weiß, wenn ich in Rage bin, mich irgendetwas wieder angepisst hat und ich es an irgendetwas auslassen muss, Musik genau der richtige Kanal dafür ist. Wenn ich unsere Songs spiele, fühle ich mich besser, weil ich alles rauschreien und Dampf ablassen kann. Es fühlt sich vernünftiger an, als sich bei Wal Mart ein Gewehr zu holen und dreißig Leute in einer Highschool abzuknallen, wenn du weißt was ich meine.

Die therapeutische Seite der Musik ist so wertvoll, sie hält Menschen davon ab, verrückte Aktionen zu setzen und drastische Maßnahmen zu ergreifen. Wenn jeder von Zeit zu Zeit auf ein Heavy-Metal-Konzert gehen würde, dann hätgieren müssen, wird auch Heavy Metal immer leben.

Krone.at: Lass es mich noch einmal zusammenfassen: Euer elftes Studioalbum kommt bald raus, Metallica wird dieses Jahr 26; was bringt euch immer wieder dazu, sich erneut mit einer neuen Platte, einer neuen Tour ins Rennen zu bringen? Worin liegt die Herausforderung?

Kirk Hammett: Ich finde, die Herausforderung besteht darin, sich seinen Taten aus der Vergangenheit zu stellen, sich an dich selbst zu messen. Wir machen das schon so lange, wie du sagtest, fünfundzwanzig, sechsundzwanzig Jahre – ich habe aufgehört zu zählen; aber ich kann keine verstopfte Toilette reparieren, Lars kann keine Auto auf Vordermann bringen – na gut, vielleicht kann das James… (lacht) Wir machen Musik und wir wollen die beste Musik machen. Für mich stellt sich die Aufgabe darin, immer wieder neue Dinge zu schaffen und kreativ zu sein.

Wir wollen Songs machen, die für sich alleine stehem und die nebenbei noch kreativ-stimulierend wirkem. Die Herauforderung ist, es besser zu machen, als du es beim letzten Mal gemacht hast. In der Vergangenheit – und da bin ich der Erste, der das zugibt – haben wir das ein paar Mal versäumt, wir haben uns nicht so gut angestellt, wie das früher vielleicht der Fall war. Zumindest, haben wir es ein paar Mal nicht geschafft uns mit einem neuen Album zu verbessern. Aber die Tatsache, dass wir immer noch dran sind, ist bedeutend. Wir wollen auf Tour gehen und wir wollen Alben machen, und das am besten so gut wie möglich.

Krone.at: Von dieser Warte aus, ist das aber eine unendliche Geschichte. Kannst du dir vorstellen, jemals einen Strich unter die Rechnung zu ziehen?

Kirk Hammett: Mmh, das ist eine gute Frage und ich weiß nicht, ob ich sie beantworten kann. Die Rolling Stones – Keith Richards ist sechzig und tut es immer noch, und ich kann mit Gewissheit sagen, dass er es immer noch liebt. Mick Jagger, Ron Wood – diese Typen haben immer noch eine Menge Spaß an der Sache. Solange sie weitermachen, pushen sie für uns das Alterslimit. Wenn Keith Richards das mit 60 schafft, warum wir nicht auch? Es wäre etwas skurril mit sechzig “Seek And Destroy” zu spielen. Aber wenn uns die Menschen dabei sehen wollen, wie wir mit sechzig “Seek And Destroy” spielen – ich würde keine Sekunde zögern! (lacht)

Krone.at: Wann hattest du zum letzten Mal einen Tag lang keine Gitarre in der Hand?

Kirk Hammett: Mmh… das war letzte Woche. Der Grund war – dazu musst du wissen, dass ich einen kleinen Sohn habe – dass ich den ganzen Tag alle Hände voll mit Baby-Angelegenheiten zu tun hatte.

Krone.at: Naja, zumindest hast du eine gute Ausrede…

Kirk Hammett: Yeah! (lacht) Ich versuche aber immer noch jede freie Minute eine Gitarre unter die Finger zu bekommen. Speziell gerade jetzt, wo wir im Studio sind.

Krone.at: Ich stand bei eurem Konzert am Novarock-Festival letztes Jahr ziemlich in der Mitte unter all den Fans. Was mir auffiel war, dass die Leute die Fäuste ballten, sobald Metallica auf die Bühne kamen. Davor, bei den anderen Bands, war dieser Yeah-Gruß mit den zwei abgespreizten Fingern, die übliche Geste. Hast du eine Erklärung für die Fäuste bei Metallica?

Kirk Hammett: Sie glauben an uns. Das ist die einzige Erklärung, die ich dir geben kann. Sie glauben an uns und die Power unserer Songs. Sie glauben an das, was wir zu sagen haben – musikalisch wie inhaltlich. Das ist es, denke ich. Entweder das, oder die Leute waren wirklich sauer auf uns! (lacht) Es ist gut, zu spüren, wenn jemand an dich glaubt. Wir arbeiten sehr hart und es ist verdammt befreiend, mit ansehen zu können, wie jemand erkennt woran du glaubst und es im selben Moment übernimmt. Es ist einfach schön – nicht nur schön, es hat auch etwas integeres. Es macht mich jedesmal glücklich, an einem Ort zu sein, wo dir fremde Leute zeigen, dass sie an dich glauben.

Krone.at: Heavy Metal tritt immer in Kombination mit einem ganz bestimmen Kleidungsstil, Benimmustern und Erscheinungsbild auf.  Leder, Stiefel, Tattoos, Band-T-Shirts, Kinnbärte und so weiter; was denkst du, ist das Faszinierende am Genre, an der Musik und an den Menschen im Heavy Metal?

Kirk Hammett: Noch einmal, die Leute glauben daran. Viele von ihnen sind Außenseiter, ausgegrenzte Menschen, Leute, die nicht wirklich anpassungsfähig sind oder nicht hineinpassen - aus welchen Gründen auch immer. Wenn du Teil einer Bewegung oder einer musikalischen Zusammengehörigkeit wirst, wie Heavy Metal das ist, passt du plötzlich zu denen, die ebenfalls nirgendwo so Recht hinpassen. Heavy Metal bedeutet einen bestimmen Look, eine Lebenseinstellung, eine bestimmte Form des Denkens, auch eine bestimmte Form des Trinkens (lacht), für Menschen, die keine Lust auf normalen Alltag haben. Das ist der Grund, warum Heavy Metal so viele Leute anzieht.

Das ist auch der Grund, warum Heavy Metal auf der ganzen Welt verstanden wird. Nimm Latin-Music, die du schwer verstehen kannst, wenn du nicht aus der lateinamerikanischen Kultur stammst, oder diese Art zu Leben zumindest sehr gut kennst. Heavy Metal ist an keine Tradition gebunden – es ist zwar eine Tradition in sich selbst, aber nicht traditionell. Du kannst von überall her kommen, Afrika, Australien oder Argentinien, dir Heavy Metal anhören und es verstehen. Das ist das Stärkste am Metal. Für mich ist es eine unglaubliche Erfahrung, das auf der ganzen Welt beobachten zu können. All die unterschiedlichen Leute zu sehen, wie sie sich alle in dieselbe Musik, mit genau der selben Einstellung werfen. Es ist manchmal unfassbar. Heavy Metal ist eine sehr menschliche Form von Musik. Menschlich! Und dafür liebe ich es.

Krone.at: Wenn wir schon über Looks und Feel reden. Letzte Frage: Seit wie vielen Jahren trägst du eigentlich schon diese Frisur? Fünfzehn, zwanzig?

Kirk Hammett: Willst du jetzt wissen, wann ich mir die Haare schneiden lassen werde? Nein, du meinst, ob ich diesen Look beibehalten werde, meinst du das?

Krone.at: Ja, genau…

Kirk Hammett: Mann, seit dem ersten Tag, an den ich mich erinnern kann, habe ich lange Haare. Nein, ich werde sie nicht schneiden! Aber allmählich gehen sie mir aus…

Krone.at: Also wirst du mit sechzig wohl mit Glatze spielen…

Kirk Hammet: (lacht) Ja, glatzköpig und laut, laut und mit Glatze…

Krone.at: Vielen Dank für das Interview.

Kirk Hamett: Yeah, see you in Austria!

Interview: Christoph Andert

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