Den Start in den Finaltag vollführte eine österreichische Band: Auf der Blue Stage peitschten „Jesus Christ Smokes Holy Gasoline“ der Gluthitze ein paar heftige Salven entgegen. Danach stieg Sebastian Bach – den Älteren als Mitglied von Skid Row bekannt, den Jüngeren wohl eher als TV-Star aus den Gilmore Girls – aufs blaue Podest. Alles was Hände und Füße hatte und noch halbwegs auf der Höhe war, pendelte zu dieser Zeit zwischen den beiden Stages. Auf der Red Stage traten am Nachmittag unter anderem „Virginia Jetzt!“ und die Österreicher „Julia“ auf.
Gegen 17 Uhr erklommen die fidelnden Finnen von „Apocalyptica“ die Blue Stage. Genauso wie am Freitag Massive Attack aus dem Programm hervorstachen, taten es hier die Cello-Klänge der fünf finnischen Musikschulabsolventen. Gesang gab es keinen, dafür aber einen Hauch Metallica bei ihrer Version von „Enter Sandman“. Den Skeptikern leuchtete spätestens nach dem zweiten Song ein, dass man mit einem Cello weder sitzen noch brav sein muss.
Nachdem „Oomph“ möchtegern-böse mit Zwangsjacke und Fieslings-Gesicht ihre Show abgespult hatten, stürmte die Bloodhound Gang die Bühne. Gitarrist Lüpüs warf seinen mitgebrachten Bierbecher in die Menge und geigte drauf los. Die Jungs spielten sich selbstverständlich durch all ihre Hits, aber das war eigentlich Nebensache. Ihre Show und was sie zwischendurch sagten, das war der Punkt.
Dass sie sich T-Shirts vom Körper rissen, sich in den Schritt fassten und Salamis als Phallus-Ersatz ins Publikum warfen, gehörte da noch zu den harmlosen Dingen. Den Ekel-Anfang machte Bassist Evil Jared Hasselhoff: Er steckte sich, nachdem er zuvor Schnaps an die erste Reihe ausgeschenkt hatte, sein von Jimmy zerrissenes T-Shirt vorne in die Unterhose, zogs hinten wieder raus und schmiss es ins Publikum, wo es begeistert (!) aufgenommen wurde. Weiters wurde wurde gespuckt, geflucht, gerülpst und „Schultz“ gesagt.
Zwischendurch spielte Jimmy Pop die österreichische Bundeshymne auf der Tröte. Etliche, schon aufs Gröhlen spezialisierte Festival-besucher, erwachten aus ihrem Delirium und stimmten mindestens genauso falsch mit ein. Fürs Protokoll: Da war noch so eine Geschichte mit Urin und Jimmy und Jared, die wird an dieser Stelle ausgespart...
Zurück zur Musik: Nach „Madsen“, die fast zeitgleich mit der Bloodhound Gang spielten, gingen „MIA“ auf die Red Stage. Frontfrau Mieze tollte von Beginn an verspielt über die Bühne und ließ die Moleküle tanzen. Das Publikum lag ihr im wahrsten Sinne des Wortes zu Füßen und wurde mit Songs aus dem noch unveröffentlichten Album „Zirkus“ belohnt.
Das Gros der Masse stand aber wie fast immer vor der Blue Stage. Dort lieferten die Sonderlinge von „Tool“ (© [ser]) nach der nunmehr kraft- und saftlosen Bloodhound Gang eine mit technischen Highlights gespickte Supershow ab. Musikalisch natürlich astrein und wie auf den Punkt genagelt. Von den fünf Videoleinwänden, von denen aber keine die Band sondern nur Zuspieler zeigte, war das Publikum dann aber sichtlich überfordert. Der Großteil stand still und spähend, teilweise mit offenem Mund.
Schlag elf stürmte der Mob zur Red Stage. „SEEED“ war angesagt und schon vom ersten Ton an bebte der Boden. Mit ihrer Erfolgs-Single „Aufstehn!“ eröffneten sie Sekt versprühend ihre Show. Dicht gedrängt und fleißig tanzend gaben sich die Fans und viele der zum Reggae bekehrten Hardrocker den elf Berlinern hin, spielten jedes Spiel der drei Es mit dem Publikum mit und „rockten“. Obwohl die frenetischsten Fans dieser Tage sicher Metallica zuzuschreiben waren, die SEEED-Anhänger wirkten schon etwas fröhlicher und ausgelassener als die Fäuste ballenden Schwermetaller.
Vieldiskutiert und heiß erwartet erschienen Guns N’ Roses kurz nach Mitternacht auf der Hauptbühne. „Welcome to the Jungle“ schallte über das zum ersten Mal komplett gefüllte Blue-Stage-Areal. Herr Rose war gut bei Stimme, aber leicht verwirrt: Mit einem „Hello, Vienna!“ begrüßte er die Fans. Typisch, Rockstar...
Axl türmte anfänglich nach fast jedem Song hinter die Bühne und es dauerte stellenweise drei, vier dunkle Minuten bis zum nächsten Kracher. Bei den ersten drei Songs ließ er auch relativ wenig von seiner legendären Kreisch-Stimme hören. „Er kann’s eh noch!“, atmete ein Fan schließlich nach dem gelungenen „Sweet Child o’mine“ erleichtert auf.
Das neue Gitarristen-Duo – Slash muss man eben mit zwei ersetzen – spielte die Passagen soundgetreu nach den Originalen - auch dafür gab's Fan-Kritik - und lieferte sich zu zweit ein gut zehnminütiges Solostück. Auch das andere noch verbliebene Originalmitglied, Keyboarder Dizzy Reed, spielte ein ausgedehntes Solo am Flügel. Zwischendurch gab’s ein Geburtstagsständchen für den Tourmanager.
Die Fangemeinde wirkte etwas gespalten. Die Skeptiker blieben vornehmlich skeptisch, aber dem Großteil schien es zu gefallen. Musikalisch war es auf jeden Fall hörenswert und auch visuell mit Feuerwerk und meterhohen Stichflammen an den Bühnenflügeln ein Genuss. Die mit Reggae-Tönen aufgefettete Version von „Knockin’ on Heavens Door“ verdaute ein echter Guns-N’-Roses-Jünger aber nicht so leicht, dafür blieb man bei den restlichen Hits nah am Original.
So ging das Novarock jedenfalls zu Ende und mit einem Schlussfeuerwerk zelebrierte man die drei gelungenen, heißen, rockigen, anstrengenden und vielleicht auch mancherorts etwas duseligen Tage. Die 600.000 Mittel- und Ringfinger, die von Daumen drei Tage lang erbarmungslos in die Handflächen gepresst wurden, dürfen sich jetzt erstmal vom Rocker-Stress erholen.
Bis zum nächsten Jahr!
Text und Fotos: Christoph Andert
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