IS-Bombenanschlag?

Sinai: “Bekennervideo” erhärtet Terrorverdacht

Ausland
05.11.2015 17:16
Nach dem Absturz der russischen Passagiermaschine in Ägypten verdichten sich die Hinweise, dass eine Bombe an Bord die Katastrophe ausgelöst haben könnte. So hält es Großbritanniens Regierung für durchaus möglich, dass Terroristen für das Drama über dem Sinai verantwortlich sind. Ein Anschlag sei wahrscheinlicher, als dass es keiner war, erklärte am Donnerstag Premier David Cameron in London. Zudem wurde ein "Bekennervideo" (siehe oben) der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat publik, das den Absturz der Maschine zeigen soll.

Bisher ist noch nicht sicher, ob es sich bei den Aufnahmen tatsächlich um ein "Bekennervideo" des IS handelt und ob der Clip wirklich den Absturz des Airbus A321 über der Sinai-Halbinsel zeigt. Sicherheitsexperten finden allerdings viele Anhaltspunkte, die für authentisches Filmmaterial sprechen. Es zeige demnach eine Explosion, die dafür spreche, dass die Piloten schlagartig die Kontrolle über das Flugzeug verloren haben. Ebenso stimmen die Bilder mit Augenzeugenberichten vom Hergang des Unglücks überein, wonach die Maschine wie ein Stein vom Himmel gefallen sei.

Cameron: Anschlag "zunehmend wahrscheinlich"
Cameron wiederum erklärte in London: "Wir können nicht sicher sein, dass das russische Passagierflugzeug von einer terroristischen Bombe zum Absturz gebracht wurde, aber es sieht mit zunehmender Wahrscheinlichkeit aus, als sei das der Fall gewesen." Auch der britische Außenminister Philip Hammond sagte, ein Sprengkörper sei eine "signifikante Möglichkeit" als Ursache des Unglücks. Bereits am Mittwochabend hatte die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Londoner Sicherheitskreise berichtet, man gehe davon aus, dass der IS eine Bombe in das Flugzeug geschmuggelt habe.

Auch der US-Abgeordnete Michael McCaul, Mitglied im Ausschuss für innere Sicherheit, glaubt an einen IS-Anschlag. Darauf würden alle Indizien hindeuten, erklärte er am Donnerstag. Zwar gebe es auch die Theorie der Materialermüdung, die zum Absturz hätte führen können. "Aber ich glaube, dass wahrscheinlichste Szenario, auf das alle Hinweise hindeuten, ist, dass ein IS-Angriff mit einer Bombe im Flugzeug vorliegt", sagte McCaul dem Sender Fox News.

Der Airbus A321 der sibirischen Firma Kolavia war am Samstagmorgen nach dem Start in Sharm el-Sheikh über der Sinai-Halbinsel abgestürzt. 224 Menschen, hauptsächlich Russen, kamen dabei ums Leben. Es ist das schwerste Unglück in der Geschichte der russischen Luftfahrt.

IS-Miliz will Maschine zum Absturz gebracht haben
Unmittelbar nach dem Absturz hatte ein ägyptischer Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat behauptet, dafür verantwortlich zu sein. Am Mittwoch wurde dann in einer Audiobotschaft auf Twitter erklärt, zur passenden Zeit würden "die Details geliefert werden, auf welche Weise" die Machine abgestürzt sei. In der Nachricht hieß es weiter: "Beweist, dass wir es nicht zum Absturz gebracht haben und wie es wirklich abgestürzt ist." Der IS hatte nach dem Beginn der Intervention der russischen Luftwaffe im syrischen Bürgerkrieg zum Krieg gegen Russland aufgerufen. Den Extremisten zufolge wurde das Flugzeug zudem genau ein Jahr nach dem Tag zum Absturz gebracht, an dem sich islamistische Kämpfer auf dem Sinai der IS-Miliz angeschlossen hatten.

Russische und ägyptische Behörden weiter skeptisch
Die Behörden in Russland und Ägypten hingegen bezeichnen einen Anschlag weiterhin als unwahrscheinlich. Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte am Donnerstag, Russland schließe weiter keine Absturzursache aus, "hypothetische Überlegungen" über einen möglichen Anschlag seien aber "unpassend". Auch die Regierung in Kairo wies die Vermutungen über einen Anschlag als "Hypothesen" zurück. Die Agentur Interfax allerdings hatte bereits am Mittwoch über ungewöhnliche Geräusche berichtet, die kurz vor dem Absturz von der Black Box aufgezeichnet worden seien.

US-Experten: "Sprengkörper in Gepäck versteckt"
Einem CNN-Bericht zufolge schließen auch die US-Geheimdienste einen Anschlag nicht aus. "Es gibt ein eindeutiges Gefühl, dass es ein Sprengkörper war, der im Gepäck oder anderswo im Flugzeug versteckt wurde", zitierte der Sender einen namentlich nicht genannten Vertreter der US-Regierung. Wie Experten gegenüber CNN erklärten, könnte der Sprengsatz mittels einer simplen Vorrichtung in einer bestimmten Flughöhe zur Explosion gebracht worden sein.

Die von CNN befragten Fachleute meinten übereinstimmend, dass Terrorgruppen wie der IS möglicherweise Komplizen unter den Mitarbeitern des Flughafens in Sharm el-Sheikh gehabt haben könnten. Diese könnten die Bombe etwa mit dem Gepäck in die Maschine verladen haben. Sollte sich diese Vermutung bestätigen, würde dies neue Herausforderungen für die Sicherheitseinrichtungen der Flughäfen weltweit bedeuten.

Um ein Flugzeug zum Absturz zu bringen bedürfe es keines besonders großen Sprengsatzes, sagte einer der Experten. Es genüge eine kleine Bombe, die die Struktur der Maschine zerstöre. Es gebe aber keine belastbaren oder bestätigten Geheimdienstberichte für eine spezifische Bedrohung vor dem Absturz. Die US-Geheimdienste seien noch zu keinem Ergebnis gekommen.

Flugschreiberdaten werden in Ägypten ausgewertet
In Ägypten beginnt jetzt die Analyse der Flugschreiberdaten. Wie das Ministerium für zivile Luftfahrt am Mittwoch mitteilte, konnten die Informationen vom Datenrekorder sichergestellt werden. Der Stimmenrekorder, der Tonaufnahmen der Gespräche von Pilot und Copilot sowie weitere Geräusche im Cockpit speichert, sei jedoch zum Teil beschädigt, hieß es. Hier müsse noch einiges getan werden, bevor die Daten extrahiert werden könnten. Bergungsteams weiteten zudem die Suche am Unglücksort deutlich aus.

Airlines stoppten Flüge, auch Österreicher in der Region
Neben britischen stellten mittlerweile auch irische und niederländische Ferienflieger die Verbindungen ans Rote Meer vorerst ein. Großbritannien plante, britische Touristen aus den dortigen Urlaubsregionen auszufliegen. Am Flughafen von Sharm el-Sheikh drohten nach Angaben von Reiseanbietern chaotische Verhältnisse: Mindestens 9.000 Briten saßen am Donnerstag dort fest. Auch Hunderte Österreicher sind derzeit in der Region auf Urlaub.

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