Q: Sie spielen heute Abend im ausverkauften Madison Square Garden. Ist das für Sie etwas Besonderes?
Billy Joel: Ich spiele hier seit den 70er Jahren. Zuerst hatten wir eine ausverkaufte Nacht, dann drei, dann sechs, dann neun und jetzt eben zwölf ausverkaufte Konzerte hintereinander. Ja, es ist ein besonderer Ort für mich. Ich habe mir schon als Kind hier den Zirkus und Sportevents wie Boxkämpfe mit Muhammad Ali angeschaut. Es ist auch ein besonderer Ort für New York.
Q: Sie haben mit den zwölf ausverkauften Konzerten nach so langer Zeit im Business wieder einen Rekord gebrochen. Überrascht sie so etwas noch?
BJ: Ich bin immer noch überrascht, dass ich diesen Job überhaupt machen darf. Ich seh mich in den Konzerthallen auf diesen riesigen Leinwänden und denke: Wer ist das? Das bin ja ich.... Ich seh doch überhaupt nicht aus wie ein Rock-Star. Es ist wirklich ein großartiger Job.
Q: Was glauben Sie, ist ihr Geheimnis, dass noch immer so viele Menschen zu Ihren Konzerten pilgern?
BJ: Ich glaube gar nicht, dass ich so großartig bin. Aber ich kenn mich mit dem aus, was ich tue. Ich kann gut Klavierspielen, singen und kann Songs schreiben. In letzter Zeit wissen nicht mehr sehr viele, wie man diesen Job richtig macht. In einer Zeit, in der so viel Inkompetenz herrscht, sticht man anscheinend schon heraus, wenn man kompetent ist.
Q: Wie man den Job „richtig“ macht, unterrichten Sie ja....
BJ: Ja, ich halte Klassen an Colleges und Universitäten ab. Es gibt viele, die dasselbe machen wollen wie ich. Ich kann meine Erfahrungen weitergeben. Als ich vor vielen Jahren begonnen habe, wäre ich glücklich gewesen, wenn ich jemanden um Rat hätte fragen können. Wie funktioniert das mit dem schreiben, touren, aufnehmen im Studio usw. Ich habe jeden Fehler gemacht, den man machen kann, aber ich habe überlebt. Also fragt mich, was immer ihr wollt.
Q: Für Ihre Lehrtätigkeiten wurden Sie mit mehreren Ehrendoktoraten ausgezeichnet. Fühlen Sie sich am Lehrerpult wie ein Doktor?
BJ: Es ist schon witzig. Als kleines Kind habe ich immer Doktor gespielt, und jetzt bin ich einer. Dabei habe ich nicht einmal meinen Schulabschluss. Ich hatte zu viele Fehlstunden, weil ich damals schon als Musiker gearbeitet habe.
Q: Ihre letzte Tour gemeinsam mit Elton John mussten Sie wegen Stimmproblemen absagen. Damals hieß es, dass sie nie wieder auftreten werden.
BJ: Ich habe nie gesagt, dass ich ganz aufhöre. Ich habe nur gesagt, dass ich keine so langen Tourneen mehr mache. Früher waren wir 9 Monate durchgehend unterwegs. Ich kam einfach an einen Punkt, an dem ich das nicht mehr machen wollte. Und ich habe sehr lange keine Pop-Musik mehr geschrieben, ich komponiere jetzt andere Stilrichtungen, instrumentale Musik. Aber ich wollte nie in Pension gehen. Damals hatte ich eine Stimmbandentzündung. Ich konnte nicht mehr sprechen, geschweige denn singen. Es hat ca. sechs Monate gedauert, bis ich wieder gesund war. Aber seitdem geht’s mir gut.
Q: Wenn man sich die Set-List ihres Konzertes ansieht, dann folgt ein großer Hit auf den nächsten. Wie kann man über eine so lange Zeit so viele Hits liefern?
BJ: Für meine Hits muss ich mich bei meiner Plattenfirma bedanken. Ich habe einfach meine Alben geschrieben und ihnen in die Hand gedrückt. Die Singles hat die Plattenfirma ausgesucht. Ich habe überhaupt kein Gespür dafür, was ein Hit werden kann.
Q: Warum schreiben Sie jetzt keine Pop-Musik mehr?
BJ: Ich war gelangweilt von Pop-Musik, das habe ich jahrzehntelang gemacht. Ich wollte wieder etwas Neues ausprobieren, um mein Hirn fit zu halten. Ich habe einige Zeit damit verbracht, klassische Piano-Stücke zu schreiben. Jetzt mache ich Orchesterwerke. Die könnten zum Beispiel für Filme genutzt werden. Eigentlich ist es mir egal, was damit passiert. Ich will einfach nur schreiben.
Q: Die klassischen Klavier-Stücke haben Sie in Wien einspielen lassen. Hat Sie der Ruf von Wien als Klassikmetropole gelockt?
BJ: Wien ist euer Nashville. Nashville ist die Musikstadt Amerikas, das ist Wien für Europa. Ich habe nicht selbst gespielt, das habe ich einem wahren Virtuosen überlassen. Mein Bruder (Anmk.: Alexander Joel ist Dirigent in Wien) kennt in Wien so viele Musiker und er hat mir empfohlen, das Album im Mozartsaal des Konzerthauses aufzunehmen. Es war ein magischer Platz, die Akustik ist großartig. Und mir hat es Spaß gemacht, so viel Zeit in Wien zu verbringen, meinen Vater und meinen Bruder zu besuchen und all diese großartigen klassischen Musiker zu treffen. Die sind wirklich verrückt.
Q: Sie meinen damit sicher Ihren Freund, den Star-Geiger Julian Rachlin.
BJ: Ja, Julian ist echt ein verrückter Kerl.
Q: Sind Sie der typische New Yorker, oder könnten Sie sich vorstellen, einmal in Wien zu leben.
BJ: Ich könnte mir vorstellen, eine wirklich lange Zeit in Wien zu verbringen. Ich liebe die Architektur, die Menschen, die Musikszene, die Kaffeehäuser. Und natürlich habe ich dort Familie. Aber ich bin ein typischer „New York Guy“. Ich liebe es, mit dem Boot hinaus zu fahren. Ich muss in der Nähe des Meeres leben.
Q: Können Sie in New York noch unerkannt aus dem Haus gehen?
BJ: Es gibt eine Regel in New York. Wenn man berühmt ist und durch die Straßen geht, lassen einen die Menschen in Ruhe. Aber wenn du stehen bleibst, bist du dran, dann kommen die Massen über einen. So läuft das Spiel.
Q: Und in Wien?
BJ: Da kennt man mich nicht so. Da ist mein Bruder bekannter als ich, aber so soll es ja auch sein, schließlich arbeitet er in Wien.
Q: Werden Sie vor Ihrem Konzert am 26. Juni mehr Zeit bei uns verbringen?
BJ: Wir werden eine Woche lang in Wien proben. In Europa spielen wir ein anderes Programm als in Amerika, das müssen wir erst üben. Und mein Bruder wird mich herumführen. Er kennt alle guten Restaurants und Clubs. Wir werden sicher einmal in die Broadway Bar gehen.
Q: Sie werden oft als lebende Legende bezeichnet. Fühlen Sie sich so?
BJ: Ich weiß nicht, wie sich eine lebende Legende fühlt. Wenn sie sich so fühlt wie ich, dann ist es gut. Ich hatte in meinem Leben schon schlechtere Jobs, das ist der beste, den ich kriegen konnte. Aber man muss realistisch bleiben. Ich renn ja nicht durchs Haus und brülle: Hey, ich bin eine lebende Legende. Dann würde nur meine Frau kommen und mich bitten, die Küche aufzuräumen. Ich gehe selbst einkaufen, putze selbst und wenn ich auf die Bühne gehe, ist es nur mein Job.
Q: Gibt es auch unangenehme Seiten in Ihrem Leben?
BJ: Die Küche aufräumen (lacht). Ja, es gibt unangenehme Seiten. Die Leute machen oft so einen Aufstand um einen, aber ich bin nur ein normaler Typ, ein Pianomann.
Q: Welche Songs werden Sie denn in Wien spielen?
BJ: Wir müssen natürlich „Vienna Waits For You“ spielen. Wir ändern die Set-List jeden Abend, ich habe noch überhaupt keine Ahnung, wie sie in Europa aussehen wird. Aber ich werde auf jeden Fall noch „Scenes From An Italian Restaurant“ singen, das scheinen die Leute zu mögen. Und „Piano Man“. Da singen alle mit, und es fühlt sich an wie in einer großen Piano-Bar.
Q: Ist es möglich, dass man Sie auch heute noch in einer Bar am Klavier als „Piano Man“ antreffen kann?
BJ: Ja, ja, manchmal gehe ich in eine Bar und frage, ob ich ein bisschen spielen darf.
Q: Eine Tour ist ja körperlich sehr anstrengend. Wie halten Sie sich fit?
BJ: Ich halte mich nicht fit. Allerdings trinke ich nicht mehr so viel wie früher und ich gehe nicht mehr so spät ins Bett. Reisen ist sehr anstrengend, man muss sich die Zeit zwischen den Konzerten geben, um sich zu erholen. Und ich habe einen neuen Schlagzeuger, der hat ein super Timing, das mich nicht mehr außer Atem bringt.
Q: Habeninteressiert bleiben, mich als Musiker weiter entwickeln und mit mir zufrieden bleiben. Ich habe ja immer nur für mich selbst geschrieben, nicht für andere.
Q: Was sind denn für Sie die Höhepunkte in Ihrem Leben?
BJ: Der glücklichste Moment war, als meine Tochter Alexia auf die Welt kam, es gibt nichts Besseres. Und als ich meine Frau geheiratet habe. Außerdem hatte ich die Möglichkeit, viele großartige Plätze auf dieser Welt zu sehen. Es ist ein super Job. Sie zahlen einem viel Geld und es wird gejubelt, wenn man mit seinem Job fertig ist. Wer bekommt schon Applaus, wenn er Feierabend hat?
Interview: Franziska Trost - KronenZeitung
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