Wie von einem grauenhaften Geschwür wurde die Ukraine vom Bürgerkrieg befallen. Millionen Menschen fliehen vor Blutvergießen und Bombenhagel in den Westen des Landes. Der Würgegriff von Separatisten, Söldnern und Banditen raubt einem 50-Millionen-Volk die Zukunft. Im Zuge der "Kinderkampagne" der Caritas besuchte die "Krone" durch österreichische Spenden entstandene Projekte der Nächstenliebe, die in finsteren Zeiten ein Licht der Hoffnung geben.
Winter in Charkiw. 90 Kilometer von der russischen Grenze entfernt bestimmt bittere Not den Alltag in trostlosen Vorstadt-Blöcken. Schneeflocken wirbeln. Eisiger Wind. Grau der Horizont und grau die Gesichter. In einem Wald entsteht hier aus einem Kindersommerheim eines privaten Investors - er zahlte für das Areal 300.000 Euro - ein provisorisches Flüchtlingslager.
Aus Ferienheim wurde Lager für Flüchtlinge
In Zeiten des Krieges gibt es eben keinen Bedarf an Ferienbungalows. Zuerst kam im Sommer eine Schwangere vorbei. Dann waren es 200 Vertriebene. Jetzt wird Platz für 400 Betten geschaffen. Sergey und Anna halten ihr Baby schützend im Arm. Alles, was der Familie geblieben ist, sind die schmutzigen Sachen, die sie am Leibe tragen, und ein weißes Plastiksackerl. Sie kauern auf den durchgeleierten Feldbetten in der Notunterkunft. Leere Blicke.
Mehr als zwei Millionen Vertriebene irren planlos durch ihre Heimat. Unter ihnen 800.000 Kinder. Traumatisiert, verzweifelt, entwurzelt. Ihre Regierung zögert mit der Registrierung, weil es kein Geld für staatliche Hilfen gibt.
"Mach, dass Papa wieder lebt"
Noch werden die Flüchtlinge von der Bevölkerung in einem beispiellosen Akt der Solidarität aufgefangen. Auch die österreichische Caritas hilft. Mit Lebensmitteln, Kleidungsausgabe und Betreuung. In den vergangenen 20 Jahren baute die helfende Hand der Kirche - ausgehend von einem Hilfsprojekt der Pfarre Aspern - etwa in Kiew Strukturen für die Ärmsten auf. Bisher 35.000 Kinder wurden so vor Kälte, Krieg und Katastrophe bewahrt. Jetzt kommen die Kriegswaisen dazu. Wie der kleine Mischa, der zu Weihnachten nur einen Wunsch an Väterchen Frost (das russische Christkind) hatte: "Bitte mach, dass Papa wieder lebt."
Wo beginnt die Normalität, und wo hört das Grauen auf? Hier Superreiche, dort Superarme. Sportwagen für die Elite und dampfende Suppenküchen für die Sozialfälle. Traumvillen und Zigtausende Plattenbauten, in denen Großfamilien etwa auf 75 Quadratmetern Wohnfläche leben. Drei schäbige Zimmer, 20 Betten. Ein Vater muss mit zwei Buben auf zwölf Quadratmetern hausen.
Rückkehr in Krisenregion steht in den Sternen
Auch hier in Kiew betreibt die Caritas mit den Spenden aus Österreich vorbildhaft Mutter-Kind-Zentren, fördert Pflegefamilien, sorgt für warme Mittagessen und Betreuung. Hilfe, die jetzt auch die aus ihrem gewohnten Alltag gerissenen Flüchtlinge dringend benötigen. Und Caritas-Präsident Michael Landau hört hin, wo andere wegschauen: "Die Menschen im Osten sind auch unsere Nachbarn. Die größte Katastrophe wäre es, angesichts der desolaten Umstände nichts zu tun."
So baut die Hilfsorganisation in den umkämpften Gebieten Ruinen neu auf: In einer soeben fertiggestellten Caritas-Startwohnung in Kiew finden drei Familien Schutz. "Bei der Flucht aus Donezk haben die Separatisten unseren klapprigen Kleinbus als Schutzschild genommen und über uns hinweg auf die Armee geschossen. Wenn unser Kleinster jetzt ein Geräusch hört, zuckt er zusammen", so etwa Rafael Ravi (46). Neben seinem kleinen Häuschen ist jetzt ein Rebellen-Lager.
Liebevoll umarmt Tatjana die kleine Sonja. Die ehemalige Fernsehreporterin zieht in Charkiw alleine elf Kinder groß, neun davon soziale Waisen. Dieses Caritas-Projekt bietet in drei Häusern drei Pflegeeltern und ihrer Kinderschar genug Platz. "Ohne Hilfe aus Österreich hätten unsere Buben und Mädchen keine Zukunft. Wir können gar nicht genug danken", so die 46-Jährige. Sie gab für ihre neue Aufgabe ihren Glamourjob auf. Nachmittags bringt ein Bus die Kinderschar in eine Caritas-Betreuungseinheit. Ausgelassen turnen die Kinder, malen, tanzen, machen Computerkurse. Für viele der einzige Moment, wo sie ihre beengende Umgebung wenigstens kurz ausblenden können.
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