Grazer Forscherin

Wie Frauen in der Bibel plötzlich verschwanden

Steiermark
21.12.2025 19:00

Was denken wir über Frauenfiguren in der Bibel? Und wie interpretieren Frauen die Heilige Schrift? Zu diesen Fragen hat Theologin Irmtraud Fischer von der Uni Graz nach 20 Jahren ein weltweit einzigartiges Projekt abgeschlossen. Mit der „Krone“ sprach sie über ausradierte Frauen – und Feminismus in der Weihnachtsgeschichte.

Nach 20 Jahren Arbeit haben Irmtraud Fischer und internationale Kolleginnen kürzlich ein Projekt abgeschlossen, das man durchaus Lebenswerk nennen darf: „Die Bibel und die Frauen“ umfasst 21 Bücher in vier Sprachen. In der Rezeptionsgeschichte geht es darum, welche Geschichten in der Bibel über Frauen erzählt werden und wie Frauen die Bibel gelesen haben. „Über Jahrhunderte waren Menschen männlich“, sagt die feministische Bibelwissenschaftlerin. „Wir lesen die Bibel möglichst nah am Text, aber mit dem Blick der Gender- und Frauenforschung finden wir ganz andere Dinge heraus.“ 

Der erste Mythos, mit dem Fischer aufräumen will: Nur Männer haben die Heilige Schrift gelesen. „Eine Klosterschwester hat im neunten Jahrhundert die ganze Bibel kommentiert“, sagt sie. „Dass nur Mönche in den mittelalterlichen Skriptorien waren, stimmt nicht. Die Frauen wurden einfach unsichtbar gemacht.“ 

Irmtraud Fischer, Bibelwissenschaftlerin an der Uni Graz
Irmtraud Fischer, Bibelwissenschaftlerin an der Uni Graz(Bild: Uni Graz)

Auch in den Geschichten verschwinden Frauen durch Übersetzungen einfach. „Im Alten Testament gibt es die Prophetin Noadja, in der Vulgata (einer lateinischen Bibelfassung im Mittelalter, Anm.) wird sie männlich gemacht.“ Im Römerbrief 16 ist in älteren Übersetzungen von Apostel Junia zu lesen, später jedoch von Junias. 

Söhne unfruchtbarer Mütter
Maria, jene zentrale Frauenfigur in der Weihnachtsgeschichte, ist oft als unfeministisch gedeutet worden – die jungfräuliche Mutter als Verkörperung eines Ideals, dem keine Frau gerecht werden kann. Fischer sieht das anders: „Gerade die Kindheitsgeschichte, die Abstammung Jesu, ist typisch alttestamentarisch. Dieser literarische Topos, dass Söhne etwas ganz Besonderes sind, wenn sie von unfruchtbaren Müttern geboren werden, sehen wir bei Sara, Rahel und Hanna. Das bedeutet so viel wie: Diese Kinder haben es in besonderer Weise mit Gott zu tun.“

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Das ist eine direkte Gottesbegegnung der Frau.

Irmtraud Fischer

Im Lukasevangelium – eben jenem Teil des Neuen Testaments mit der Geburtsgeschichte Jesu – kommt auch Elisabeth vor, eine Verwandte Marias, die jenseits ihrer Fruchtbarkeit Johannes den Täufer gebiert. „In der Jungfrauengeburt kehrt sich dieses Motiv um. Es steht für einen Neuanfang.“ Insofern sei die unbefleckte Empfängnis „ein theologisches Motiv und kein biologisches“.

„Es kommt auf die Frauen an und nicht auf die Männer“
Diese Kindheitsgeschichten sieht Fischer nicht als stereotyp, obwohl sie die „reproduktive Seite der Frauen betonen“. „Aber das ist ja nicht negativ! Es kommt in diesen Geschichten auf die Frauen an und nicht auf die Männer. Es ist eine direkte Gottesbegegnung der Frau.“ Maria steht an einem Neubeginn für das Volk Israels. „Maria ist eine jüdische Frau. Mit ihr wird die Geschichte des Volkes Israel weitergeschrieben.“

Während in Italien ein großes Interesse an feministischer Bibelforschung herrsche, sieht Fischer in Österreich viel Luft nach oben. „Die Leute verlassen die Kirche. Vor allem die Frauen. Sie bilden die nächste Generation nicht mehr religiös aus.“ Es sei eine Kirchenspaltung in Gange, sagt Fischer sogar. „Diese Geringachtung der Frauen – sie hätten die gleiche Würde, haben aber nicht die gleichen Rechte – das muss sich fundamental ändern.“

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