Nach Blutbad in Kiew

Fahndung nach “Massenmörder” Janukowitsch läuft

Ausland
24.02.2014 14:55
Die neue ukrainische Führung hat den gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch wegen "Massenmordes" zur Fahndung ausgeschrieben. Das teilte der kommissarische Innenminister Arsen Awakow am Montag auf Facebook mit. Derzeit ist nicht klar, wo sich Janukowitsch aufhält. Gerüchten von Montagnachmittag zufolge könnte er in einem Kloster in der Nähe der ostukrainischen Großstadt Donezk untergetaucht sein.

Der gestürzte Machthaber hatte seine Absetzung durch das Parlament am Wochenende als verfassungswidrig zurückgewiesen. Nach Angaben des Grenzschutzes wollte Janukowitsch das Land verlassen, er sprach von einem "Staatsumsturz". Am Sonntag soll er auf der Halbinsel Krim gesichtet worden sein. Berichte über seine angebliche Festnahme wurden nicht bestätigt. Awakow schilderte am Montag Janukowitschs abenteuerliche Flucht aus der Hauptstadt folgendermaßen:

  • Freitag, 21. Februar, abends: Janukowitsch und enge Vertraute, darunter Präsidialamtschef Andrej Kljujew, fliegen mit Hubschraubern in die ostukrainische Millionenstadt Charkiw. Dort wollen sie am Samstag an einem Kongress von regierungstreuen Gouverneuren, Bürgermeistern und Abgeordneten aus dem prorussischen Osten und Süden teilnehmen.
  • Samstag, tagsüber: Janukowitsch hält sich in einer Staatsresidenz in Charkiw auf. Eine Teilnahme am Kongress lehnt er nun ab. Der abgesetzte Präsident gibt ein Interview und betont, er werde weder zurücktreten noch das Land verlassen. Später fliegt er per Hubschrauber in die Stadt Donezk.
  • Samstag, abends: Gemeinsam mit bewaffneten Leibwächtern will Janukowitsch am Flughafen Donezk in zwei VIP-Maschinen vom Typ "Falcon" umsteigen. Der Grenzschutz verweigert die Abfertigung - wegen angeblich fehlender Dokumente. Janukowitsch wird in einer gepanzerten Limousine in eine Residenz gefahren. Nach mehreren Stunden bricht er in Richtung Krim auf.
  • Sonntag, tagsüber: Janukowitsch trifft auf der Krim ein, er sucht Zuflucht in einem privaten Erholungsheim. Staatliche Gebäude meidet er. Als er erfährt, dass die interimistischen Chefs von Innenministerium und Geheimdienst auf dem Weg zur Krim sind, fährt er in Richtung des internationalen Flughafens Sewastopol - doch dort landen bereits die neuen Machthaber.
  • Sonntag, abends: Der gestürzte Präsident bricht die Fahrt ab und lässt sich zu einer Privatresidenz in einem Außenbezirk Sewastopols bringen. Er bietet seinen Leibwächtern an zurückzubleiben und verzichtet schriftlich auf staatlichen Schutz. Ein Teil seiner Sicherheitskräfte zieht daraufhin ab. Die übrigen Wachen und Kljujew besteigen gemeinsam mit Janukowitsch insgesamt drei Fahrzeuge und fahren in unbekannte Richtung davon.

Die Proteste gegen den vor allem im Westen der Ukraine in weiten Teilen der Bevölkerung verhassten Politiker hatten das Land in der Vorwoche ins blutige Chaos gestürzt. In der Hauptstadt Kiew kamen bei bürgerkriegsähnlichen Szenen rund um den Unabhängigkeitsplatz Maidan etwa 80 Menschen ums Leben. Janukowitsch wird vorgeworfen, die Eskalation vorangetrieben zu haben, indem er seine Polizeieinheiten auf die Demonstranten feuern ließ.

Timoschenko besucht kranke Mutter
Die am Samstag nach zweieinhalb Jahren aus der Haft entlassene ehemalige Regierungschefin Julia Timoschenko nutzte indes ihre neu gewonnene Freiheit, um ihre kranke Mutter zu besuchen. Die 53-Jährige sei dazu unter Geheimhaltung mit einer Privatmaschine in ihre Heimatstadt Dnjepropetrowsk geflogen, berichtete ein ukrainischer Fernsehsender am Montag.

Der tumultartige Machtwechsel in Kiew führt auch außerhalb der Ukraine zu politischen Turbulenzen. Russland hat seinen Botschafter im Land, Michail Surabow, zu "Konsultationen" in die Heimat zurückbeordert. Bis zuletzt galt Russland als Janukowitsch-Unterstützer, nun hieß es am Sonntag aus dem Moskauer Außenministerium, man müsse "die aktuelle Lage von allen Seiten analysieren".

USA warnen Russland vor Einmischung
Die USA befürchten nach dem Ende der Olympischen Winterspiele in Sotschi ein stärkeres Engagement Russlands in der Ukraine. Die Sicherheitsberaterin von Präsident Barack Obama, Susan Rice, warnte Moskau am Sonntag deshalb davor, Streitkräfte ins Nachbarland zu entsenden. Das wäre ein schwerer Fehler, sagte sie in einem NBC-Interview.

Rice sieht die Gefahr einer Teilung des Landes in einen proeuropäischen Westen und einen nach Russland orientierten Osten. Eine solche Teilung sei weder im Interesse Russlands noch Europas, der USA oder der Ukraine selbst, sagte Rice.

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