„Krone“-Interview

Josef Hader: „Bin selber oft auch ein feiger Hund“

Unterhaltung
22.10.2025 06:00

Zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs (1918) und der Machtergreifung Hitlers (1933) wird im TV-Zweiteiler „Sturm kommt auf“ (22. und 23. Oktober, jeweils 20.15 Uhr, ORF 2) die Geschichte einer bayrischen Dorfgemeinschaft rund um den jüdischstämmigen Schuster Julius Kraus (Josef Hader) erzählt. Eine top-besetzte und tiefgreifende Produktion, die als Warnung zur rechten Zeit kommt. Josef Hader sprach mit der „Krone“ über das Projekt.

„Krone“: Herr Hader, Sie sind im bedrückenden und intensiven TV-Zweiteiler „Sturm kommt auf“ zu sehen, der zwischen 1918 und 1933 in einem kleinen bayrischen Dorf spielt und sehr deutlich zeigt, was passiert, wenn Perspektivlosigkeit im ruralen Gebiet in Faschismus und Extremisierung mündet. Was hat Sie an der Rolle und der Romanvorlage „Unruhe um einen Friedfertigen“ von Oskar Maria Graf besonders gereizt?
Josef Hader:
 Zuerst einmal hat mich Regisseur Matti Geschonneck angerufen und das ist nicht irgendjemand. Ich habe hervorragende Filme von ihm gesehen und zugesagt, als es noch kein fertiges Drehbuch gab. Aber ich habe die Buchvorlage gelesen und sofort gemerkt, dass die Figur des Schusters Julius Kraus mir liegen könnte.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Sie der Roman sofort fasziniert hat.
Es ist eine spannende Geschichte in einer großartigen Sprache geschrieben. Mich hat auch die Aktualität des Stoffes besonders fasziniert. Die Geschichte beschreibt anhand eines Dorfes den Zerfall einer Gesellschaft in politisch unruhigen Zeiten. Mir war sofort klar, warum das Buch jetzt verfilmt wird. Die Rolle, die ich spiele, hat eine gewisse Inwendigkeit, das mag ich. Kraus trägt nicht alles auf der Zunge, viel spielt sich in den Blicken und im Gesicht ab. Er ist wortkarg, das ist auch praktisch, weil man weniger Text lernen muss.

Ist es nicht eine besondere Herausforderung, so einen Charakter über insgesamt drei Stunden Spielzeit hauptsächlich durch die Mimik zu transportieren?
Es ist ja ein Ensemblefilm, wo es nicht die eine große Hauptfigur gibt. So wird es möglich, dass eine ganze Welt erzählt wird.

Viele Teile des Films wurden in einem Freilichtmuseum gedreht und man bekommt sehr gut das Gefühl dieser damaligen Zeit mit. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet und in den Charakter eingelebt?
Mir hat sehr geholfen, dass ich selbst von einem Bauernhof komme und das Glück hatte, meine Großeltern mitzuerleben. Sie sind in etwa die Generation, die in diesem Film spielt. Meine Großmutter wurde sehr alt und hat mir als Jugendlichen viel über die Zwischenkriegszeit erzählt. Und ich habe mich mit dem jüdischen Leben in der österreichischen Monarchie beschäftigt, weil meine Figur darauf aufbaut. Kraus stammt ja aus Lemberg im damaligen Galizien. Die Figur ist am Anfang keine besonders mutige, sondern versucht sich anzupassen. Darauf musste ich mich nicht extra vorbereiten, weil ich ja selber auch oft ein feiger Hund bin.

Er versucht sich anzupassen, hält sich aus allem Ärger möglichst raus und vermeidet es, sich klar zu positionieren. Wenn man weiß, was ihm blühen könnte, aber doch auch eine verständliche Haltung.
Es ist seine Lebensgeschichte und vielleicht auch die seiner jüdischen Familie über Generationen hinweg. Ihre einzige Chance war es, sich zu ducken und zu hoffen, dass die Stürme an einem vorbeiziehen.

Nachdem Kraus‘ Herkunft aufgedeckt wurde, wird er von den aufkommenden Faschisten gejagt.
Nachdem Kraus‘ Herkunft aufgedeckt wurde, wird er von den aufkommenden Faschisten gejagt.(Bild: Fabio Eppensteiner)

Während wir dieses Telefonat führen, haben die Palästinenser gerade die letzten israelischen Geiseln freigelassen und nach mehr als zwei Jahren scheint sich die Lage etwas zu beruhigen. Kommt ein Film wie „Sturm kommt auf“ gerade zur perfekten Zeit? Vor allem auch als Mahnmal gegen das Vergessen und gegen Antisemitismus?
Mahnmal ist für einen Fernsehfilm ein zu großes Wort. Ein Grund, warum wir in so unruhigen Zeiten leben, ist, dass die Politikergeneration, die weltweit an der Macht ist, keine eigene Kriegserfahrung mehr hat. Sie haben keine eigene Erinnerung, wie schlimm Krieg ist, dementsprechend schaut ihre Politik aus. Und wir in Österreich wissen auch nicht mehr, was die Folgen waren, wenn eine Gesellschaft sich komplett zerstreitet, sodass nur mehr bewaffnete Auseinandersetzungen möglich sind. Was der Film also eventuell leisten könnte, ist, diese Erfahrung vergangener Generationen wieder heranzuholen.

Wir alle wissen, dass sehr viele Menschen, die rechts wählen, in ruralen, ländlichen Gebieten leben und oft Angst vor dem Unbekannten haben. Insofern war das vor gut 100 Jahren nicht viel anders und man hat gesehen, was daraus erwachsen ist …
Ich habe immer noch Verbindung zu meinem Heimatdorf und was ich dort von Freunden höre, ist, dass die Leute im Dorf bestimmte Themen einfach nicht mehr ansprechen, damit sie sich nicht zerstreiten müssen. Das müsste eigentlich ein Alarmzeichen sein. Da geht gerade die Fähigkeit verloren, über alle politischen Grenzen hinweg miteinander zu reden und zu versuchen, die gemeinsamen Interessen zu finden.

Abseits des Romans und der Rolle, die Sie im Film bekleiden – schwingt bei Ihnen als Person der Öffentlichkeit schon auch ein bisschen der Wunsch mit, einen Teil dazu beitragen zu können, dass Kommunikation und Gemeinschaft sich durch solche Projekte wie diesen Film wieder verbessern können?
 Einen Beitrag dafür sollten wir alle leisten – jeder in seinem Bereich. Ich glaube nicht, dass man als Schauspieler mehr erreichen kann, als jeder Bürger oder Bürgerin, die versuchen, miteinander im Gespräch zu bleiben und manchmal eine Meinung auszuhalten, die nicht der eigenen entspricht.

Haben Sie selbst bemerkt, dass es auch für Sie schwieriger wird, gegensätzliche Meinungen auszuhalten, weil man sich gewissen gesellschaftlichen Strömungen gar nicht so leicht widersetzen kann? 
Ich bin als Städter eher in einer Blase, da treff ich Menschen, die ähnliche Meinungen haben wie ich. Außerdem bin ich Kabarettist, da sagen die Leute einem gern das, was sie glauben, dass man hören will. Höre ich einmal eine andere oder gar extreme Meinung, dann finde ich das vor allem einmal interessant, weil es mir ja nicht so oft passiert. Es ist ja auch ein berufliches Interesse dabei, das muss ich zugeben.

Elies Heingeiger (Verena Altenberger) und ihr Sohn Peter (Max Jung) haben es zum Ende des Ersten ...
Elies Heingeiger (Verena Altenberger) und ihr Sohn Peter (Max Jung) haben es zum Ende des Ersten Weltkriegs in der bayrischen Diaspora nicht leicht.(Bild: Fabio Eppensteiner)

Kommen wir noch einmal zum Zweiteiler zurück. Der Handlungsrahmen erstreckt sich von 1918 bis 1933. Sie spielen also in den zwei Teilen einen Charakter, der sich auf diese Zeit erstreckt und natürlich anders aussieht, anders wirkt, anders ist. War es etwa schwieriger, den alten Schuster Kraus zu spielen?
Ehrlich gesagt bin ich jetzt in einem Alter, wo ich mich manchmal zehn Jahre älter fühle als ich eigentlich bin. Ich kenne das Gefühl also sehr gut und musste dann beim Dreh nur diese zwei Aggregatszustände abrufen. Das war nicht so schwierig.

Ist „Sturm kommt auf“ nicht ein Heimatfilm? Nur eben einer, den man anders verstehen muss als jene, die wir damit verbinden?
Er ist ein Heimatfilm im besten Sinn. Es ist auch nicht zufällig eine bayrische Geschichte, denn ich finde, dass die Bayern diese Themen besonders gut beherrschen. Wir konnten das auch einmal gut, etwa in den Siebzigern mit der „Alpensaga“, doch mittlerweile ist uns in Österreich diese Art der Erzählkunst ein bisschen abhandengekommen. Dramen zu erzählen, die das Schöne, und das Schiache verknüpfen.

Das ist am Ende wohl das große Geheimnis eines wirklich guten Heimatfilms – dass man das Ungeschönte genauso zeigt wie das Schöne.
Das macht alles erst spannend, deshalb hat beides seine Berechtigung. Es soll meinetwegen gerne auch die idyllischen Heimatfilme geben, wo die Leute gar nicht so reden, wie man in der Gegend eigentlich redet, es besteht ja eine Nachfrage danach. Aber wenn ein Heimatfilm das Leben etwas echter zeigt, wird man nicht nur unterhalten, sondern lernt auch was dabei.

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